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UNESCO Welterbestätten durch Tourismus in Gefahr


World Heritage Watch 2022

Der World Heritage Watch Report 2022 stellt 57 UNESCO Weltkultur- und Weltnatur­erbestätten vor, die von zivilgesellschaftlichen Gruppen als gefährdet eingeschätzt werden. Von den 57 im Report behandelten Welterbestätten sind mindestens 16 aufgrund von nicht nachhaltigem Tourismus oder Tourismusentwicklungsprojekten gefährdet.

Ein Beispiel aus dem aktuellen Bericht sind die Viktoria-Wasserfälle bzw. das Mosi-oa-Tunya-Welterbe in Sambia und Simbabwe. Obwohl die Stätte bereits zunehmend durch den Tourismus unter Druck gerät, hat die Zimbabwe National Parks and Wildlife Authority einen lokalen Anbieter autorisiert, exklusive Touren auf die Cataract-Insel durchzuführen. Diese befindet sich am westlichen Rand der Fälle und ist ein Tierschutzgebiet. Dies ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Zum einem besteht auf der Cataract-Insel das letzte Stückchen vom Tourismus unberührter Viktoriafall-‘Regenwald‘. Diese fragile Umwelt und reiche Vegetationszone rund um die Fälle beherbergt eine diverse Flora an seltenen Pflanzen und ist sehr empfindlich gegenüber externen Störfaktoren.

Zum anderen sind die Cataract-Insel und die benachbarte Livingstone-Insel, so wie auch die Fälle an sich, der Canyon und der Sprühnebel, Teil einer heiligen kulturellen Landschaft für die lokalen Leya. Auch wenn viele Aspekte des spirituellen Glaubens vor Ort bereits durch den Kolonialismus verloren gingen, sind einige Traditionen zuletzt wiederaufgelebt. Der Fluss wird mit heilenden Kräften in Verbindung gebracht, die natürlichen Pools am Rande der Fälle werden für Reinigungsrituale genutzt und Wasser von heiligen Stellen am Ufer wird für verschiedene traditionelle Zeremonien gesammelt. Beide Inseln wurden zumindest früher für traditionelle Zeremonien genutzt als Orte für Opfergaben und um den Vorfahren Respekt zu zollen. Doch das derzeitige Management der Stätte scheint diese kulturelle Signifikanz zu übersehen.

Nun werden für die Touren zur Cataract-Insel weitere Gebäude für Empfang und Gastronomie direkt am Flussufer gebaut, für die bereits Bäume und Pflanzen beseitigt wurden. Dabei ist das Flussufer als Teil des Nationalparks mitgeschützt und dient als Bufferzone um das Weltnaturerbe. Zudem gibt es Pläne für die Entwicklung weiterer Lodges unmittelbar am Fluss, wie zum Beispiel auch das Mosi-oa-Tunya-Resort, was am sambischen Teil der Fälle ohne Absprache mit der UNESCO entsteht. Die neuen Tourismusprojekte, die auch von den beiden Staaten mitgetragen werden, zeigen, wie wichtig ein unabhängiges Environmental and Social Impact Assessment ist, welches den vollen Einfluss von derartigen Entwicklungen auf den Outstanding Universal Value einer Welterbestätte untersucht. Gefordert wird nun der Aufschub der aktuellen Tourismusentwicklungen bis ein detaillierter Bericht über die Pläne und dessen Auswirkungen auf das Welterbe vorgelegt werden kann. Zudem müssen die Grenzen und die Pufferzone endgültig festgelegt und ein angemessener Managementplan für das gesamte Welterbe präsentiert werden.