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Tourismuspolitik, Kulturerbe und Gemeinschaften: Peru mobilisiert

Ausverkauf von Kulturerbestätten durch die Tourismuspolitik


Während die nationale und internationale Presse die gute Organisation des EU-Latein­amerika-Gipfels Mitte Mai in Lima lobt und die peruanische Regierung sich als Gast­geber in ihrem Erfolg sonnt, erlässt sie gleichzeitig Gesetze, um Investoren den Zugang zu Land und Ressourcen zu erleichtern. Dabei werden die Interessen der lokalen Bevölkerung missachtet und das kulturelle Erbe gefährdet. In jüngster Zeit kam es mehrfach zu starken Protesten.

Der staatlichen Seite wird vorgeworfen, sie liefere unter dem Deckmantel des Diskurses über nachhaltige Entwicklung mit Bergbau­projekten, der Ölförderung, Energieprojekten, Forstwirtschaft und Tourismus das Kulturgut und Naturerbe des Landes dem privaten Großkapital aus. Auf den Straßen von Cusco kam es Anfang dieses Jahres zu Demonstrationen (s. TW 50, März 2008). Auch im Rahmen eines Alternativgipfels im Mai wurde der Unmut in der Bevölkerung deutlich. Zivilgesellschaftliche Gruppen diskutieren Alternativen zur staatlichen Politik und planen weitere Protestaktionen.

Bereits im Dezember 2007 hatte der peruanische Präsident Alan Garcia das Gesetz 29164 bestätigt – ein Gesetz zur Förderung der 'nachhaltigen Entwicklung' touristischer Dienstleistungen auf Flächen, die zum nationalen Kulturgut zählen. Durch Konzessionen eröffnet dieses Gesetz Möglichkeiten für touristische Dienstleister, an Stätten des Kulturerbes zu investieren. Dadurch gerät nicht nur das kulturelle Erbe in Gefahr. Auch die Möglichkeiten der einheimischen Bevölkerung und kleiner und mittelständischer Unternehmen, das kulturelle Erbe zu nutzen, werden dadurch eingeschränkt.

Das Gesetz erlaubt den Bau touristischer Infrastruktur auf dem Gebiet von Kulturerbe­stätten und bietet Konzessionen für Hotels oder Restaurants der Vier-Sterne-Kategorie aufwärts an. Laut diesem Gesetz ist die Nutzung einer touristischen Stätte dann für einen bestimmten Zeitraum allein dem Investor vorbehalten. In der Praxis könnten solche Konzessionen zu einer Monopolisierung der Nutzung der wichtigsten peruanischen Kulturerbestätten führen. Alle Dienstleistungen werden ausschließlich auf sehr kaufkräftige Touristen ausgerichtet sein und die Beteiligung der ortsansässigen Bevölkerung wird eingeschränkt. Dieses Gesetz ist auch insofern paradox, als der Staat dann die Einnahmen, die er durch diese Konzessionen erzielt, wieder an denselben Investoren zurückgibt, indem er Infrastruktur finanziert, die der touristischen Entwicklung dient.

Dieses neue Gesetz ist nur der Gipfel auf einem Weg, den die Tourismuspolitik in Peru in den vergangenen Jahren genommen hat. Hinzu kam die Bekanntmachung des Gesetzes 840, des so genannten Regenwaldgesetzes, das darauf abzielt, große Gebiete des peruanischen Amazonas zur Ausbeutung freizugeben. Durch das Gesetz 1015 wird der Verkauf von Grund und Boden indigener und bäuerlicher Gemeinschaf­ten an in- und ausländische Investoren erleichtert.

Entsprechend dem Prinzip, nach dem die Entwicklung des Landes am Zustrom von ausländischem Kapital gemessen wird, wurde eine Reihe von gesetzlichen, politischen und wirtschaftspolitischen Mitteln zur Begünstigung von Großinvestoren eingeführt. Dadurch wurden jedoch die natürlichen und nun auch die kulturellen Ressourcen des Landes in Mitleidenschaft gezogen – ohne dass dies zu einer realen Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung geführt hätte.

Die jüngste Tourismusgesetzgebung hat ihre Vorläufer in Projekten, die die Regierung an historisch bedeutenden Stätten wie Kuelap in der Region Amazonas und in natur­räumlich wichtigen Gegenden wie Playa Hermosa in der Region Tumbes umsetzen wollte, und die bei der betroffenen ortsansässigen Bevölkerung auf Ablehnung gestoßen sind.

Zivilgesellschaftliche Mobilisierung

Dieser Hintergrund und die Verkündigung des Gesetzes 29164 führten im Februar zur Mobilisierung der Bevölkerung von Cusco, der wichtigsten Tourismusdestination des Landes. Mehrere zehntausend Menschen demonstrierten gegen die Tourismuspolitik. Als Reaktion darauf nahm die Regierung vorsorglich Abstand davon, Cusco als einen der Tagungsorte für das im November in Peru anstehende Wirtschaftsforum Asien-Pazifischer Ozean (APEC) zu berücksichtigen. Die Regierung führte eine regelrechte Kampagne, durch die die gerechtfertigten Proteste an Prestige verlieren sollten. Dabei wurden sogar parapolizeiliche Gruppen wie das so genannte 'Comando Canela' eingesetzt, die sich unter die Demonstranten mischen, Anführer bespitzeln und die Mobilisierungsbemühungen hintertreiben sollten.

Eine der Initiativen, die dieser Politik zivilgesellschaftlichen Widerstand und Alternativen entgegensetzten, war der 3. Alternativgipfel 'Enlazando Alternativas 3”, der vom 13. bis 16. Mai 2008 in Lima stattfand. Auf diesem Gipfeltreffen verschiedener sozialer Bewegungen und zivilgesellschaftlicher Organisationen aus Peru selbst, aber auch aus Europa, Lateinamerika und der Karibik, diente eine Veranstaltung über 'Tourismuspoli­tik, Gemeinschaften und nationales Kulturerbe' als Plattform, Sorgen um die Touris­muspolitik zu artikulieren und ein gemeinsames Vorgehen auf nationaler Ebene abzu­stimmen.

Die Veranstaltung bot Gelegenheit, von den Erfahrungen verschiedener zivilge­sellschaftlicher Akteure zu lernen. Es ging um die Verteidigung der kulturellen und natürlichen Ressourcen im Zusammenhang mit der neuen Tourismuspolitik. Wichtig war, angesichts der gegenwärtigen Situation, die Aktivitäten und innovativen Vorschläge engagierter Organisationen und Institutionen kennen zu lernen. Dabei sind die Aktivitäten der 'Rondas Campesinas', der Bauerwachen im nördlichen Hochland Perus, besonders hervorzuheben. An heiligen archäologischen Stätten organisieren sie eigenständige dörfliche Museen und vermitteln Wissen um das kulturelle Erbe und seinen Schutz. Die Bauerngemeinschaften in Huayhuash, einer Gebirgskette der Anden in der Region Ancash, haben ein kommunales Schutzgebiet geschaffen, um ihr Territorium vor dem Bergbau und vor ausbeuterischem Tourismus zu schützen. Die dörflichen Gemeinschaften selbst wirtschaften nachhaltig und zum Nutzen der regionalen Bevölkerung. Die Unternehmer des regionalen Wirtschaftsverbandes CARETUR-Cusco ('Cámara de Turismo y Exportación de la Región Cusco') und ähnlicher Verbände im Süden Perus streben mit solidarischen Aktionen und Initiativen ebenfalls eine bessere Verteilung des Einkommens aus dem Tourismus an, damit ein großer Teil der Gewinne auch tatsächlich der Bevölkerung zugute kommt.

Eines der wichtigsten Ergebnisse des Alternativgipfels war, dass das Thema auf natio­naler Ebene debattiert werden konnte und Initiativen entwickelt wurden. Um das Tourismusthema auf die Tagesordnung regionaler Bewegungen zu setzen, werden nun in den einzelnen Regionen Treffen geplant. Schließlich ist im Vorfeld der offiziellen Feiern zum Welttourismustag, der in diesem Jahr schwerpunktmäßig in Peru begangen werden soll, eine nationale Großveranstaltung geplant. Die zivilgesellschaftlichen Gruppen wollen bei diesem Anlass ihre Sorgen und Vorschläge öffentlich vorbringen.

Rodrigo Ruiz Rubio ist Präsident der Gesellschaft zur Verteidigung und Entwicklung Kuelaps (Asociación para la Defensa y Desarrollo de Kuelap, ADDK).

Redaktionelle Bearbeitung und deutsche Übersetzung: Christina Kamp

(7.171 Anschläge, 96 Zeilen, Juni 2008)