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Tourismus in Post-Konflikt-Gebieten am Beispiel Sri Lanka

Besondere Anforderungen an die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Reiseanbietern


Krieg und Diktaturen hinterlassen zerrissene Gesellschaften, in denen die Gefahr von Diskriminierungen und Repression groß ist. Der Tourismus ist oft einer der ersten Sektoren, der in ehemaligen Konfliktregionen wieder floriert. In Gebieten, die von Naturkatastrophen betroffen waren, sind vergleichbare Entwicklungen zu beobachten. Regierungen wollen "Rückkehr zur Normalität" signalisieren. Sie fördern den Sektor oft noch bevor ein ernsthafter Prozess der Versöhnung und Wiedergutmachung oder ein umfassender Wiederaufbau eingeleitet wurden.

Unternehmen, die nicht zu Komplizen von Menschenrechtsverletzungen werden wollen, müssen in solchen Situationen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht mit besonderer Umsicht wahrnehmen. Ihr Engagement muss über die Anforderungen bisheriger Zertifikate für Nachhaltigkeit im Tourismus hinausgehen. Aus der neuen Studie „Schatten im Sonnenparadies. Tourismus und Menschenrechte in Sri Lanka“ der Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz (vgl. „Schatten im Sonnenparadies“ von Angela Mattli, S. 6) lassen sich für Anbieter vonReisen nach Sri Lanka besondere Herausforderungenableiten.

"Do no harm": Konfliktsensible Strategien ergreifen

Anbieter von Reisen in Post-Konflikt-Gebiete müssen sich ihrer Rolle im heiklen, menschenrechtlich fragilen Kontext bewusst sein, um nicht durch unbedachtes Vorgehen bestehende Konflikte weiter zu schüren. Sie müssen sich klar zum Prinzip bekennen, keinen Schaden anzurichten.

Im Post-Konflikt-Kontext von Sri Lanka ist davon auszugehen, dass die meisten ausländischen Reiseveranstalter mit lokalen Tourismusanbietern zusammenarbeiten, die ihre Geschäfte unter der Vormacht der herrschenden Regierung und siegreichen Armee erfolgreich betreiben können und auch deren Sicht auf den Konflikt vertreten.

Um die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte überprüfen zu können, bedarf es einer sorgfältigen Analyse des Konflikts und seiner Ursachen sowie der aktuellen Situation. Besonderes Augenmerk muss auf Verstöße gegen die Rechte diskriminierter ethnischer und religiöser Minderheiten sowie besonders verletzlicher Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Kinder gelegt werden. Es muss geprüft werden, ob es im Geschäftsumfeld Risiken gibt, bestehende Konflikte zu schüren.

Konsequent handeln

Im Rahmen der Verträge mit lokalen Partnern sollen mit einem Verhaltenskodex (Supplier Code of Conduct) die wichtigsten Eckpunkte der menschenrechtlichen Sorgfalt sichergestellt werden. Darin sollte z. B. festgehalten werden, dass Mitarbeitende zu fairen Bedingungen angestellt und dabei diskriminierte Bevölkerungsgruppen gerecht berücksichtigt werden müssen.

Sri Lanka ist bekannt als einschlägige Destination für Reisende, die Sex mit Kindern suchen. Der Kindersextourismus florierte gerade auch in den Jahren des Bürgerkrieges, als der Urlaubstourismus einbrach. Tourismusanbieter in Sri Lanka sollten den Kinderschutzkodex ("The Code of Conduct for the Protection of Children from Sexual Exploitation in Travel and Tourism") unterzeichnen und effektiv umsetzen. Außerdem ist die Zusammenarbeit mit lokalen Kinderrechtsorganisationen wichtig.

Dialog mit benachteiligten Bevölkerungsgruppen

Die Sichtweisen und Forderungen von Menschenrechtsverteidigern, zivilgesellschaftlichen Vertretern benachteiligter Gruppen und Gemeinschaften, deren Rechte im Zug der Tourismusentwicklung verletzt werden, sollen zur Kenntnis genommen werden. Sie sollten die Grundlage für Maßnahmen im betrieblichen Management bilden. In diesem Zusammenhang ist auch der Aufbau von effektiven Beschwerdeverfahren durch die Reiseunternehmen voranzutreiben, die umso wichtiger sind, wenn der Staat seiner Schutzpflicht für die Menschenrechte nicht nachkommt.

Anfang 2015 wählte die Bevölkerung den bisherigen Präsidenten Mahinda Rajapaksa ab, der mit seinem Familienclan auch die hohe Hand über dem Tourismus hält. Mit der Wahl von Maithripala Sirisena stimmte sie deutlich für eine Abkehr vom autokratischen Clanwesen des Rajapaksa-Regimes. Umso wichtiger ist bei dieser politischen Weichenstellung, dass sich die internationalen Reiseunternehmen nun klar zur Einhaltung der Menschenrechte als Voraussetzung für eine zukunftsfähige friedliche Entwicklung Sri Lankas bekennen.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Kommentar des Arbeitskreises Tourismus und Entwicklung, Basel, zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Reiseanbietern in Post-Konflikt-Gebieten, der auch von Tourism Watch – Brot für die Welt mitgetragen wird.

Weitere Informationen: http://www.fairunterwegs.org/aktuell/news/article/tourismus-in-sri-lanka...

(4.229 Zeichen, März 2015, TW 78)