"Laos ist ein gut gehütetes Geheimnis. Darin liegt sein Charme", sagt Shui Meng Ng. Die Direktorin des laotischen Fairhandelsunternehmens Saoban sprach als eine der Referentinnen auf dem 9. Asia-Europe People's Forum (AEPF) im Oktober in Vientiane. Die zivilgesellschaftliche Großveranstaltung hat ihren Teil dazu beigetragen, das "Geheimnis Laos" ein wenig zu lüften. Zusammen mit dem Asien–Europa-Treffen (ASEM), an dem inzwischen 51 Länder auf Ministerebene beteiligt sind, einem Parlamentarier-Treffen und einem Wirtschaftsgipfel erhielt das kleine Land in Südostasien im Oktober und November dieses Jahres viel internationale Aufmerksamkeit – mehr vielleicht als durch das "Visit Laos Year 2012".
Wenige Besucher kommen "nur" nach Laos. Doch auch der kleine Binnenstaat mit nur etwa sechs Millionen Einwohnern hatte in den vergangenen Jahren seinen Anteil am Tourismusboom in Südostasien. 2011 kamen rund viermal so viele Touristen wie noch vor zehn Jahren. Viele von ihnen kombinierten ihre Reise nach Laos mit einem Aufenthalt in Thailand, Kambodscha oder Vietnam. Der Tourismus trägt in Laos mittlerweile mit etwa neun Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und das Land setzt weiter auf die Öffnung seiner Wirtschaft. Bislang konzentriert sich die Entwicklung auf wenige touristische Zentren, allen voran die Weltkulturerbestätte Luang Prabang. Der kleine Ort Vang Vieng, wo es neben Wassersport und Höhlenbesichtigungen "Whisky eimerweise" gibt, zieht vor allem junge "Partytouristen" an. Als die laotische Regierung im Vorfeld der Asien–Europa-Veranstaltungen auch in Vang Vieng die Sperrstunde durchsetzte und einige einschlägige Etablissements schließen ließ, verlor Vang Vieng für Rucksacktouristen deutlich an Attraktivität.
Die Hauptstadt Vientiane wurde derweil für die internationalen Großveranstaltungen herausgeputzt, die Infrastruktur verbessert, Armut "unsichtbar" gemacht. Auf die enormen Kosten des ASEM-Gipfelsweist das Asienhaus hin, das seit Oktober seinen neuen Sitz in Köln hat: Sie würden auf 200 Millionen Dollar geschätzt, davon ca. 150 Millionen für die Bereitstellung von Infrastruktur (darunter das Kongreßzentrum und die Villenstadt Don Chan zur Unterbringung der ASEM-Teilnehmer). Laut einem Bericht des Transnational Institutes (TNI) wurden zum Bau der Villen und des Kongreßzentrums 500 Menschen umgesiedelt, Bauern von ihrem fruchtbaren Land vertrieben.
AEPF9: Stärkung der Zivilgesellschaft in Laos
Für das Asia-Europe People's Forum, das vom 16. bis 19. Oktober in Vientiane stattfand, wurde das Kongresszentrum nicht gebraucht, und Villen schon gar nicht. Hauptveranstaltungsort war die National Cultural Hall im Zentrum der Stadt. Einige der Workshops fanden in umliegenden Hotels statt. Das 9. AEPF 2012 gilt mit rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern als das bislang erfolgreichste. Alle zwei Jahre bietet das AEPF eine Plattform für zivilgesellschaftliche Gruppen aus Asien und Europa, um drängende Probleme und Herausforderungen zu diskutieren und sich untereinander besser zu vernetzen.
Dem Forum war ein intensiver Vorbereitungsprozess in den laotischen Provinzen vorangegangen. "Jugendliche, ältere Menschen, Mönche, Menschen, die mit Behinderungen oder HIV/Aids leben, Beamte, Ladenbesitzer, Bauern und Bäuerinnen sowie Dorfautoritäten tauschten sich offen über ihre Visionen für eine realisierbare, gerechte und nachhaltige Zukunft für ihr Land aus", berichtet Agnieszka Kroskowska, Mitglied des nationalen AEPF-Organisationskomitees und Mitarbeiterin der Schweizer Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit Helvetas in Laos. Die Bedenken, Hoffnungen und Anregungen aus dem Vorbereitungsprozess sind in einem "Lao Vision Statement" zusammengefasst.
Das AEPF hat nach Einschätzung internationaler Teilenehmer wesentlich dazu beigetragen, zivilgesellschaftliche Kräfte in Laos zu stärken. Erst seit 2009 werden gemeinnützige lokale Organisationen in Laos überhaupt rechtlich anerkannt. Agnieszka Kroskowska hofft, dass die Errungenschaften des AEPF als Grundlage für mehr Zusammenarbeit zwischen Regierung und Zivilgesellschaft in Laos dienen werden.
Tourismus als neues Thema auf dem AEPF
Im Mittelpunkt des AEPF standen die Krisen in Europa und Asien: die Schuldenkrise und die Folgen der Austeritätspolitik, die zunehmend prekären Arbeitsverhältnisse und die Erosion sozialer Sicherungssysteme in Europa, der zunehmende Landraub, Konflikte um Wasser und der Widerstand gegen Atomenergie und Staudammprojekte in Asien.
In einem der Workshops, organisiert von Fresh Eyes – People to People Travel (Großbritannien), Kabani – the other direction (Indien), Saoban (Laos) und Tourism Watch ging es erstmals auch um Menschenrechtsfragen im Tourismus. Sumesh Mangalassery von Kabani beschrieb, wie in Indien im Zusammenhang mit dem Tourismus immer wieder Menschen von ihrem angestammten Grund und Boden vertrieben und dadurch ihrer Lebensgrundlagen beraubt werden. Er zeigte auch auf, welche Formen des Widerstandes es gibt und dass eine stärkere zivilgesellschaftliche Vernetzung dazu beitragen kann, Menschenrechte zu schützen.
Shui Meng Ng von Saoban beschrieb die rasche Entwicklung des Tourismus in Laos. Infrastrukturprojekte, inklusive der Schaffung von Golfplätzen, hängen auch hier mit Landrechtsfragen zusammen. Der Tourismus schafft Einkommen, doch die Frage sei "Für wen?". In Luang Prabang würden die Mönche nicht mehr genug und nicht mehr das richtige Essen bekommen, seitdem viele Einheimische aufgrund der Tourismusentwicklung aus dem Stadtzentrum weggezogen sind und Ausländer sich – quasi als Touristenattraktion – an der Morgenspeisung beteiligen. In Vang Vieng habe der "unsensible" Tourismus dem Image des Ortes geschadet.
Wie es auch in Laos anders und besser geht, zeigt Saoban mit dem Modell des fairen Handels. In einem Geschäft in Vientiane verkauft das Unternehmen Kunsthandwerk, das in den Dörfern hergestellt wird. "Damit wollen wir die Einkommensmöglichkeiten der Dorfbevölkerung verbessern. Die Frauen können so ihre Kinder zur Schule schicken und Medikamente bezahlen", erklärt Shui Meng. Die Produktion lasse sich gut in den ländlichen Tagesablauf einbetten. Saoban berät die Frauen in Bezug auf Muster, Farbgebung und Preisgestaltung. "Wir zahlen faire Löhne und gehen soziale Fragen an: bessere Toiletten, bessere Umweltbedingungen, den Schulbesuch der Kinder." Hin und wieder organisiert Saoban für besonders Interessierte einen Tagesausflug oder einen Besuch mit Übernachtung in einem der Dörfer. Die Gäste werden in den Familien untergebracht. Ein Teil der Einnahmen fließt in einen Dorfentwicklungsfonds, um Projekte wie Hygieneerziehung oder Bücher für die Kinder zu finanzieren.
Tourismus zwischen Asien und Europa
In der an den ASEM-Gipfel gerichteten Abschlusserklärung des AEPF9 wird auf die Menschenrechtsverletzungen im Tourismus hingewiesen. Die Regierungen werden an ihre Pflichten zum Schutz der Menschenrechte erinnert und aufgefordert sicherzustellen, dass die Menschen Mitsprachemöglichkeiten in Entscheidungsprozessen haben, die ihr Leben und ihre Lebensgrundlagen betreffen.
Die Regierungen dagegen betonen in ihrer Abschlusserklärung des ASEM-Gipfels die Bedeutung des Tourismus für die Völkerverständigung und die Verbundenheit zwischen Asien und Europa. Außerdem geht es ihnen um die Rolle des Tourismus bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und um seinen Beitrag zu wirtschaftlichem Wachstum und Entwicklung. Die Minister beschlossen, im Tourismus stärker zusammenzuarbeiten.
Weitere Informationen: www.aepf9.info
(7.477 Zeichen, 100 Zeilen, Dezember 2012)