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Stärker, selbstbewusster und vernetzt

Tourismus hilft bei der Sensibilisierung für Frauenrechte in Benin


Wie zeitlose Wächter umschließen die Atacora-Berge den weiten Talkessel im Land der Bétamaribé. Mais- und Hirsefelder leuchten in der Sonne, die dichten Wälder der Berghänge streuen ihre Ausläufer bis in die Ebene. Eine Autostunde südwestlich von Natitingou, in der Gemeinde Boukoumbé im Nordwesten Benins, ist die Welt noch voller Natur. Bei vielen Westafrika-Touristen steht ein Besuch der Region daher ganz oben auf der Reiseliste. Doch birgt die Kulisse des landschaftlichen Idylls nur Heiterkeit?

Touristenmagnet Atacora – ein regionaler Entwicklungsfaktor?

"Hier zeigt sich Afrika von einer seiner schönsten und ursprünglichsten Seiten", sagt Joséphine Koubetti und stellt eine Schüssel süßen Hirsebrei auf den Holztisch. Im schattigen Hof ihres kleinen Restaurants vergehen die Stunden hitzefrei. Durch die ausladenden Äste der Mangobäume ragen die strohbedeckten Türmchen einer tata in den Himmel. Rund und mit hohen Mauern sehen diese traditionellen Häuser der Bétamaribé aus wie Burgfesten aus Lehm. Vom Himmel seien sie einst gefallen, so erzählen es die Dorfältesten. Joséphines tata allerdings nicht, sagt sie mit einem Lächeln. "Seit Jahren kommen viele Touristen nach Boukoumbé, um die Landschaft, unsere Kultur und vor allem unsere berühmten Häuser kennenzulernen. Deshalb habe ich ein Hotel in Form einer tata gebaut."

Die Atacora-Region im Nordwesten Benins zählt zu den touristischen Highlights des Landes. Neben der artenreichen Tierwelt des Pendjari-Nationalparks bei Tanguiéta und einigen großen Wasserfällen zieht vor allem das so genannte Somba-Land, die Heimat der Bétamaribé, mit seinen traditionellen tata jährlich mehrere tausend Touristen an. Lange Zeit wurden die meisten Touren und Gruppenreisen nur aus der Küstenstadt Cotonou oder aus Natitingou organisiert. Mittlerweile versuchen immer mehr Beniner, in den Regionen selbst zu investieren und den Tourismus mit lokalen Projekten anzukurbeln. So wie Joséphine, die sich vor vier Jahren ihren Traum vom eigenen Hotel erfüllte. Die Zahl ihrer Gäste steigt stetig. Und davon profitiert sie nicht allein. "Der Tourismus ist eine Chance, voneinander zu lernen. Deshalb organisiere ich Aktivitäten, bei denen meine Gäste mit der Bevölkerung in Kontakt kommen können. Das soll die Entwicklung der Gemeinde voranbringen."

Abseits der Idylle

Denn so schön Boukoumbé ist, umgeben von friedlichen Hügeln und grünen Wiesen – auch hier gibt es Probleme. Viele Familien betreiben Subsistenzwirtschaft und leben überwiegend von dem, was sie über das Jahr anbauen und ernten. Lange Dürreperioden, Bodenerosion oder unrentable Anbaumethoden führen oft zu Armut, Perspektivlosigkeit und Gewalt. Frauen und Mädchen sind in besonderem Maß davon betroffen. "Die Analphabetenquote ist hier enorm hoch", berichtet Joséphine. Nur eines von fünf Mädchen gehe zur Schule. Die meisten müssten die Felder der Familie bewirtschaften oder die jüngeren Geschwister versorgen. Auch sexueller Missbrauch und Kinderhandel kämen immer wieder vor. Als Joséphine einmal mitbekam, wie ein Mann seine Frau vor der Grundschule des Dorfes misshandelte und beschimpfte, beschloss sie, aktiv zu werden. Gemeinsam mit einer Freundin rief sie im August 2003 die Frauenvereinigung für die Entwicklung in Boukoumbé (Union des Femmes Pour le Développement de Boukoumbé – UFeDeB) Yénta ins Leben, die sie seither leitet und durch ihre Tourismusaktivitäten unterstützt.

Austausch und Nachhaltigkeit

"Unser Ziel ist es, Frauen und Mädchen stark zu machen für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der Gemeinde", sagt Joséphine. Deshalb müssten die Rechte von Frauen auf Bildung, politische Partizipation und ökonomische Unabhängigkeit ebenso berücksichtigt werden wie bei Männern. UFeDeB Yénta organisiert berufliche Weiterbildungen und Alphabetisierungskurse für Frauen und Mädchen und leistet teilweise materielle Unterstützung. Über Radiosendungen und Vereinsnetzwerke klärt die Organisation über Frauenrechte und die Situation von Frauen und Mädchen in der Region auf. Während des neunjährigen Bestehens des Vereins wurden mehr als 300 Regionalgruppen gebildet, in denen Frauen bei Problemen Halt finden. Die Mitgliederzahl ist von anfangs 271 auf heute mehr als 11.000 Frauen angestiegen. Der Tourismus kann die Aktivitäten fördern und Multiplikatoren schaffen – wenn die Aufgabe richtig angegangen wird. Dazu bedarf es viel Engagement und guter Publicity.

"Hier, nimm den Flyer mit und erzähle von uns", spricht Joséphine ihre Gäste an. Auf den Tischen ihres Restaurants liegen die bunten Faltblätter von UFeDeB Yénta aus. Oft entstünden gute Gespräche mit den Besuchern, manche gäben sogar Spenden. Was Joséphine aber besonders will, ist Austausch. "Ich möchte bekannt machen, was Frauen hier leisten." Für die regelmäßigen Vereinstreffen stellt sie daher gerne ihre tata zur Verfügung. Die Touristen können an den Veranstaltungen teilnehmen und Fragen stellen. "Die meisten interessieren sich sehr für die Herausforderungen und Probleme, die der Alltag in einem westafrikanischen Dorf mit sich bringt."

Ob Joséphines Vernetzung von Tourismus und lokalem Frauenrechtsengagement langfristig Früchte trägt, ist schwer messbar. Denn meist sind die Kontakte nur von kurzer Dauer, die Gäste ziehen weiter, die Probleme in Boukoumbé bleiben. Trotzdem ist die Vernetzung wichtig. "Boukoumbé besteht nicht nur aus den tata und der schönen Landschaft. Es gibt auch eine andere Seite. Wenn die Touristen das erkannt haben, nehmen sie ein ganzheitlicheres Bild von unserem Land mit." Das ist zwar nicht schöner. Aber echt.

Eva Maria Helm studierte Geschichte und Philologie in Köln, Caen und Dakar. Als freie Journalistin und Autorin schreibt sie u.a. für den DAAD und die Frauenrechtsorganisation medica mondiale e.V. mit den Schwerpunkten Afrika und Entwicklungszusammenarbeit.

(5.683 Zeichen, 77 Zeilen, März 2012)