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Wo geht die Reise hin?

Trends in der Kreuzfahrtindustrie


Bunte Schirmchen, strahlende Sonne und tiefblaues Meer: Die bunte Werbewelt der Kreuzfahrtunternehmen verspricht unvergessliche Urlaubserlebnisse. Das kommt an. Seit 2011 hat sich die Zahl der Kreuzfahrer um mehr als 20 Prozent erhöht. 2017 unternahmen 25,8 Millionen Passagiere eine Kreuzfahrt, so der Branchenverband CLIA. Für 2018 rechnet er sogar mit über 27 Millionen Passagieren. 29 neue Hochsee-, Fluss- und Spezialkreuzfahrtschiffe sollen noch in diesem Jahr vom Stapel gelassen werden.

Der Großteil der Kreuzfahrer kommt aus den USA. Über 13 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner stachen 2017 in See – vorwiegend in der Karibik. In Asien wuchs die Zahl der Passagiere allein zwischen 2016 und 2017 von 3,1 Millionen auf 4,24 Millionen. Immer mehr Menschen, allen voran Chinesen, können sich dort eine Kreuzfahrt leisten. In Europa sind vor allem die Deutschen begeisterte Seefahrer mit 2,2 Millionen Passagieren, das sind dreimal mehr als noch 2007. Danach folgen die Briten und Iren mit knapp zwei Millionen Gästen. Vier von fünf Europäern bleiben in bei ihren Reisen in europäischen Gewässern. Deutsche Kreuzfahrer etwa buchen gerne Reisen in die Nord- und Ostsee, zum Nordkap oder ins Mittelmeer.

Schwimmende Kleinstädte

Als größtes Kreuzfahrtschiff der Welt ging im April 2018 die „Symphony of the Seas“ im Mittelmeer auf Tour. Das Schiff ist 362 Meter lang, hat 16 Stockwerke und beherbergt 9.000 Menschen, davon gut 2.000 Besatzungsmitglieder – eine schwimmende Kleinstadt. Und es bedient einen Trend der Kreuzfahrtbranche: Das Schiff wird zum Erlebnis. Die Reeder überbieten sich mit spektakulären Extras an Bord: Schwimmbecken mit Riesenrutschen, Eisbahnen, Kletterparks, Surfwellen, Gärten, Bars, Themenrestaurants und Theater. Sehr beliebt sind auch Gesundheits- und Wellnessangebote an Bord inklusive Ernährungsberatung und umfangreichem Seminarangebot. „Nirgends ist der Weg zum Fitnessstudio kürzer als auf dem Schiff“, sagt die Geschäftsführerin von TUI Cruises, Wybcke  Meier.

Außerdem gewinnen ausgefallene Routen an Bedeutung. So bietet AIDA Cruises Reisen etwa unter dem Motto „Winter im Hohen Norden“ an – ein „wahres Winterwunderland mit dem Naturspektakel der Nordlichter“, so das Versprechen der Reederei. Immer gefragter sind laut AIDA bei deutschen Touristen zudem spezielle Reisen für Familien, Passagen nach New York und zunehmend auch Kreuzfahrten in der Karibik und Südostasien. Die Ziele und Zwischenstopps hängen vor allem von drei Faktoren ab, erklärt Hansjörg Kunze, der für PR und Unternehmenskommunikation bei AIDA Cruises verantwortlich ist: eine stabile politische Lage in den jeweiligen Ländern, eine gute Fluganbindung zu den Start- und Endpunkten einer Kreuzfahrt sowie eine touristische Infrastruktur mit attraktiven kulturellen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten, Unterhaltungs- und Shoppingangeboten.

Dreckige Traumreise?

Kritik an der Kreuzfahrtbranche kommt vor allem von den Umweltverbänden. Bisher werden fast alle Schiffe mit billigem Schweröl betrieben, „dem schlimmsten Treibstoff überhaupt“, sagt Dietmar Oeliger. Der Verkehrsexperte arbeitet beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), der seit 2010 in seinem Kreuzfahrtranking europäische Kreuzfahrtschiffe nach ihrer Umweltbilanz bewertet. Schweröl enthält 3.500 mal mehr Schwefel als LKW-Diesel. Ein großes Kreuzfahrtschiff mit über 6.500 Passagieren verbraucht mindestens 150 Tonnen Schweröl pro Tag und pustet rund 450 Kilogramm Feinstaub in die Luft. Das entspricht dem Ausstoß von über 21 Millionen VW Passat Variant 2.0 TDI mit 190 PS. Abgasreinigungssysteme sind bisher nicht vorgeschrieben und finden sich in der Regel nur in den Schiffen, die vor der Nord- und Ostseeküste kreuzen. Dort dürfen Schiffe nur mit Marinediesel, mit einem Schwefelgehalt von 0,1 Prozent, fahren.

Und so belastet der schwarze Rauch aus den Schornsteinen der Ozeanriesen die Luft in Häfen, an Küstengebieten und auf den Schiffen mit Feinstaub und Stickoxiden. Denn um den Hotelbetrieb an Bord aufrecht zu erhalten, laufen ununterbrochen die Motoren. Heimliche Messungen von Journalisten von ARD und ZDF an Bord ergaben, dass Passagiere und Personal mehr als der doppelten Feinstaubmenge wie an einer viel befahrenen Straßenkreuzung ausgesetzt waren. Dazu kommt, dass viele Kreuzfahrten mit einer Flugreise zum Abfahrtsort beginnen. „Mir fällt nicht viel ein, was klimaschädlicher ist“, erklärt Oeliger.

Im April haben sich die Mitgliedsstaaten der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) in London darauf geeinigt, dass der Schifffahrtssektor bis 2050 seine Emissionen um mindesten 50 Prozent im Vergleich zu 2008 reduzieren müsse. So soll ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden. „Wenn man den Schadstoffausstoß halbieren will, muss die Schifffahrtsindustrie eine ganz andere Richtung einschlagen. Es reicht nicht, nur hier und da etwas nachzurüsten oder rein auf Flüssiggas zu setzen“, erklärt Dietmar Oeliger. Er hofft auf einen Mix aus Maßnahmen bestehend aus neuen Antrieben, anderen Kraftstoffen, Windunterstützung und einer ökonomischen, langsameren Fahrweise. Technisch sei das möglich, davon ist Oeliger überzeugt. Das Problem seien die Kosten. Höhere Umweltstandards kosten die Reedereien Geld, deshalb sei die Gegenwehr groß.

Flüssigerdgas und Landstrom

Im Herbst 2018 geht bei der Meyer Werft in Papenburg die AIDAnova vom Stapel. Sie wird sowohl im Hafen als auch auf See vollständig mit Flüssigerdgas (LNG) betrieben. Auch andere Reedereien haben Schiffe mit Erdgasantrieb bestellt. Nach Angaben von AIDA verringern sich die Stickoxid-Emissionen durch den neuen Antrieb um bis zu 80 Prozent, der Ausstoß von Kohlendioxid um 30 Prozent. Zwei weitere Schiffe der Reederei hätten Dual-Fuel-Motoren, so dass sie zumindest in Häfen mit Flüssigerdgas betrieben werden können, berichtet Hansjörg Kunze von AIDA Cruises. Außerdem kann ein Teil der Flotte in den Häfen mit Landstrom betrieben werden. Allerdings, kritisiert Kunze, fehle an vielen Orten noch die nötige Infrastruktur. Häfen scheuen sich zu investieren, denn das Preis-Leistungsverhältnis von Landstromanlagen ist für alle Beteiligten schlecht – auch für die Bürger, die diese Anlagen in der Regel über Steuergelder mit finanzieren, erklärt Dietmar Oeliger. Außerdem sei eine Nachrüstung von Schiffen nicht vorgeschrieben. Und so laufen in den meisten Fällen doch die Motoren. Deshalb hält Oeliger es für viel wichtiger, die Schiffe an sich sauberer zu machen. „Da muss die Reise hingehen“, sagt er.

 

Weitere Informationen:

Kreuzfahrt-Newsfasst die neusten Trends der Branche zusammen, die der Branchenverband der Kreuzfahrt (CLIA) in seinem neuen Jahresbericht ‚2018 State of the Cruise Industry Outlook‘veröffentlicht hat.

Beitrag im TW 88 zur Umweltwirkung von Kreuzfahrtschiffen, der auch das NABU-Kreuzfahrtranking 2017aufgreift.

Clean Shipping Coalitionist eine internationale Umweltorganisation mit Fokus auf Schifffahrt. Sie veröffentlicht regelmäßig Studien zur Umweltwirkung der internationalen Schiffsindustrie und setzt sich auch auf politischer Ebene für saubere Schiffe ein.

Auch im deutschen Fernsehen befassen sich mehrere Dokumentationen mit den sozialen Auswirkungen der Kreuzfahrten. „Ausgerechnet Kreuzfahrt“ wirft einen Blick hinter die touristischen Kulissen, u.a. wird das Gespräch mit den Mitarbeitern zu ihren Gehältern gesucht. In „Venedig am Limit“ werden die Reaktionen der Anwohner auf die Fluten von Tagestouristen von den Kreuzfahrtschiffen eingefangen.