Honduras befindet sich in einer schweren wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Krise, ausgelöst durch den Staatsstreich vom Juni 2009. Die neue Regierung verfolgt eine Strategie zu "Normalisierung" der Lage. Der Enklaven-Tourismus scheint einer der Sektoren zu sein, den die neue Regierung besonders fördert. Der Tourismus-Komplex "Los Micos Beach and Golf Resort", besser bekannt als "Tela Bay", ist das Meisterstück in einer Strategie, die darauf abzielt, die honduranische Karibik-Küste zum "Cancún Mittelamerikas" zu machen. Viele Teile der honduranischen Bevölkerung lehnen jedoch nicht nur dieses Projekt ab, sondern auch ein Entwicklungsmodell, das sie als schädlich für das Land ansehen, das Gemeinschaften spaltet und nur den wirtschaftlichen Interessengruppen nützt, die ohnehin bereits die Politik und Wirtschaft in Honduras kontrollieren.
"Eine solche Entwicklung wollen wir nicht"
Das "Los Micos Beach and Golf Resort" in Tela im Distrikt von Atlantida liegt im Jeannette Kawas Nationalpark, der auf der Liste der Ramsar-Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung steht. Trotz der Baufortschritte und des Beginns der zweiten Arbeitsphase reißt der Protest gegen das Projekt nicht ab. Die Eröffnung des Hotels und des Golfplatzes ist für Ende 2012 vorgesehen. Dem Enthusiasmus im öffentlichen Sektor und in Teilen der honduranischen Wirtschaft - die beide an dem Projekt beteiligt sind - steht die starke Opposition in der honduranischen Gesellschaft gegenüber, insbesondere von Seiten der Garifuna, der afro-karibischen Bevölkerung der Region.
Laut Martina Meléndez, der ehemaligen Direktorin des Patronatos* von Tornabé begann die Aneignung von Land der Garifuna in den 1990er Jahren. "Da fing die Korruption an. Tornabé hatte damals noch keinen gemeinschaftlichen Landrechtstitel und einige der Führungspersonen in den Gemeinschaften überzeugten die Leute, indem sie ihnen sagten, wenn sie ihr Land verkauften, würde ihnen das Tourismusprojekt zu Landrechtstiteln an dem verbleibenden Grund und Boden verhelfen. Der bezahlte Preis war jedoch nur minimal und das Geld floss in einige wenige Hände. Da begann das Problem. Die Menschen veränderten sich. Jetzt gibt es so viele Ansprüche in Bezug auf das an das Projekt angrenzende Land, dass es zu ernsten Konflikten und Spaltungen gekommen ist. Die Garifuna sind traditionsgemäß füreinander da. Doch das hat sich nun geändert und die Ansprüche haben in unseren Gemeinschaften Oberhand gewonnen", erklärte Meléndez.
Die Volksgruppe der Garifuna (Garinagu)
Die Garifuna (in korrekter Pluralform eigentlich Garinagu) sind eine Volksgruppe mit heute über 100.000 Angehörigen. Sie leben vor allem in Belize (wo sie bis zu sieben Prozent der Bevölkerung ausmachen), in Guatemala, Honduras und Nicaragua. Die meisten der Garifuna sind Fischer an der Küste oder sind im Bananenanbau beschäftigt. Zahlreiche Garifuna leben als Einwanderer in den USA, hauptsächlich in New York. Die Garifuna haben ihren Ursprung auf der Karibikinsel St. Vincent, wo sich westafrikanische Sklaven mit Kariben vermischten, die wiederum mit den von ihnen einst unterworfenen Arawak verschmolzen waren. Ihre Sprache, das Igñeri, gehört zur indigenen amerikanischen Arawak-Sprachfamilie und weist indigene karibische, französische und englische sowie in neuerer Zeit regional auch spanische Einflüsse auf. Die vereinzelten afrikanischen Einflüsse im Igñeri entstammen am ehesten dem Yoruba in Südwestnigeria. Die religiös-kulturelle Überlieferung ist überwiegend (west-)afrikanisch. Die honduranischen Garifuna leben seit 1797 an der Küste von Honduras.
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Auch die OFRANEH (Organización Fraternal Negra Hondureña), eine Interessen-vertretung der schwarzen Honduraner, gibt dem Mega-Projekt die Schuld für das, was vor Ort passiert: "Die haben angefangen, Verwirrung unter den Menschen zu stiften. Die Menschen begannen ihr Selbstwertgefühl und ihre Kultur zu verlieren", sagte Alfredo López, Vizepräsident der OFRANEH. "Im Patronato sind sie nicht zufrieden mit dem, was sie bekommen haben. Sie wollen mehr und das honduranische Tourismusinstitut (IHT) wiegelt sie auf und versucht aus dieser Verwirrung Vorteile zu ziehen." López verurteilte auch die Repressionen gegen Organisationen, die weiter gegen den Bau des "Los Micos Beach and Golf Resort" kämpfen. "Wir werden ständig bedroht. Vor Gericht werden falsche Forderungen und Anschuldigungen gegen uns vorgebracht, doch sie werden uns nicht stoppen."
Widerstand gegen den Ausverkauf
Ein weiterer typischer Fall ist das Dorf Miami. Laut Alfredo López gehörte all das Land dort der Gemeinschaft und ist nun verloren. Es wurde zum Bau des Tourismusprojekts illegal an das honduranische Tourismusinstitut verkauft. "Wir haben eine Petition bei der Inter-Amerikanischen Menschenrechtskommission in Washington eingereicht und um einstweiligen Rechtsschutz für Miami und Tornabé ersucht. Wir wollten die Illegalität der Vorgehensweise beim Landverkauf untersuchen. Doch dann traf die ehemalige Regierung eine Vereinbarung mit einer Organisation vor Ort, um der Gemeinschaft von Miami im Tausch gegen das Land einen Landrechtstitel zu geben. Praktisch wurde das Land, auf dem die Gemeinschaft lebt, zu einem lächerlichen Preis verkauft und das andere Stück Land haben sie behalten. Damit wurden dann schmutzige Geschäfte gemacht."
Laut OFRANEH ging dieses Land nach und nach an die gleichen Investoren des Tela Bay Projekts und wurde dann stückweise an das IHT verkauft, das es wiederum an die Tela Bay Tourist Development Corporation (DTBT) weiterverkaufte. "Bei jedem Verkauf geht es um viel Geld und nun haben die Menschen von Miami weder Land noch Geld und können jederzeit zur Räumung gezwungen werden", sagte López.
Das Dorf Barra Vieja liegt einige Kilometer von Miami entfernt und bereitet den Entwicklern des Projekts das größte Kopfzerbrechen. José Armando Santos, Vorsitzender des Patronatos von Barra Vieja, glaubt nicht, dass das Projekt der Gemeinschaft nützen wird. "Sie sind gekommen, um die Leute zu täuschen. Wenn einmal die zweite Phase des Projekts abgeschlossen ist, wird niemand von uns Zugang dazu haben. Sie kamen und wollten Wasser- und Stromleitungen installieren, bis nach Miami. Wir stimmten zu, aber wir verlangten, dass auch wir daran angeschlossen würden, denn wir haben weder Wasser noch Strom. Sie sagten das ginge nicht, also haben wir es ihnen dann nicht erlaubt. Was sie eigentlich wollen ist unser Land. Sie betrachten uns als Feinde, denn wir sind eine Gemeinschaft, die nicht verkaufen will. Wir sind nur eine kleine Gemeinschaft mit 127 Familien, aber wir werden uns verteidigen."
Wer profitiert wirklich?
Wenn sie von dem Nutzen hörten, den das Projekt den Garifuna erklärter Weise bringen sollte, äußerten die Interviewten oft Zweifel. Laut Martina Meléndez sind die Gemeinschaften verwundbarer geworden. "Die niedriger gelegenen Bereiche des gemeinschaftlich genutzten Landes wurden aufgeschüttet und nun kommt es häufig zu Überschwemmungen. Viele Tiere sind verschwunden. Und noch etwas beunruhigt uns. Uns wurde gesagt, dass während der ersten Bauphase 90 Prozent der Arbeitsplätze für die Menschen hier aus den Dörfern sein würden. Doch dann brachten sie Leute von außerhalb, aus anderen Distrikten. Es gibt auch ein großes soziales Risiko. Freitags, am Zahltag, sehen wir Mädchen, die sich den Arbeitern anbieten. Und das ist erst der Anfang."
Beteiligung internationaler Finanzinstitutionen
Es herrscht Besorgnis in der honduranischen Gesellschaft bezüglich der so genannten "Nationalen Strategie für Nachhaltigen Tourismus (ENTS)", insbesondere angesichts von mindestens vier Touristen-Enklaven, die entstehen sollen. Der Bau dieser Resorts ist abhängig von der Finanzierung durch internationale Finanzinstitutionen, darunter die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank (IDB), die Weltbank und die Zentralamerika-nische Bank für Wirtschaftsintegration (CABEI), sowie internationale Zusammenarbeit (aus Spanien und Taiwan).
Laut Bertha Cáceres, der nationalen Koordinatorin der honduranischen Indigenen-Organisation COPINH (Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras), kam die Entscheidung der Regierung nicht unerwartet. "Sie ist Teil des Projekts Mesoamerika. Es ist ein Entwicklungskonzept, mit dem wir nicht einverstanden sind, denn es bedroht unser Leben, unsere Rechte und unsere indigenen und schwarzen Gemeinschaften", erklärte sie. Sie verurteilte auch die Finanzierung vieler Tourismusprojekte durch internationale Finanzinstitutionen. "Die Wahrheit ist, dass es sich dabei um Kredite handelt. Am Ende sind es immer die Menschen, die solche Projekte finanzieren, durch die die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Wir sind Zeugen, wie die IDB und die Weltbank individuelle Landrechtstitel fördern, wo es bereits einen Landrechtstitel für die gesamte Gemeinschaft gibt. Es hat Tote gegeben und Gemeinschaften wurden vertrieben. Die IDB und die Weltbank sind Komplizen bei der Verletzung von Menschenrechten, Landrechten und kulturellen Rechten indigener Gemeinschaften."
*Ein "Patronato" ist eine Institution der Lokalverwaltung in Honduras, die die Menschen eines bestimmten Gebietes (in diesem Fall einer Dorfgemeinschaft) repräsentiert. Es ist eine juristische Person.
Der italienische Journalist Giorgio Trucchi lebt in Nicaragua und arbeitet dort mit Alba Sud zusammen. Er ist auch Korrespondent von SIREL, dem Informationssystem Lateinamerika der "Vereinigten Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit" (Rel-UITA).
Dieser Beitrag ist eine gekürzte Version eines längeren Berichts für Alba Sud, der auf Spanisch unter www.albasud.org/publ/docs/37.pdf abrufbar ist.
Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp
(8.664 Anschläge, 116 Zeilen + Kasten: 1.106 Anschläge, 12 Zeilen, März 2011)