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Wenig Transparenz und Mitwirkung

Eine kritische Betrachtung der deutschen Auftaktveranstaltung des Ökotourismus-Jahres


Ganz im Zeichen des Ökotourismus stand im Januar die Tourismus-Messe "Reisepavillon" in Hannover. Erstmals hatten auf dem „Marktplatz für anderes Reisen“ auch kleine und mittelständische Anbieter aus dem Ökotourismus-Bereich in Afrika, Asien und Lateinamerika die Möglichkeit, sich auf dem Reisepavillon vorzustellen. Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) veranstalteten die Welttourismus-Organisation (WTO) und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) als deutschen Auftakt zum „Internationalen Jahr des Ökotourismus 2002“ (IYE) ein „Forum International“.

Das „IYE“ (International Year of Ecotourism) habe weder klare Ziele noch gebe es einen vordefinierten Prozess, betonte Oliver Hillel, Tourismus-Koordinator beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). Seit Monaten stehen UNEP und die WTO, zuständig für die Koordination internationaler Aktivitäten zum Ökotourismus-Jahr, im Schussfeld der Kritik. So forderte ein internationaler Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eine fundamentale Neubewertung des IYE. Es gebe klare Beweise, so die Koordinationsgruppen des „Clearinghouse for Reviewing Ecotourism“, dass der Ökotourismus weltweit zu einer Form von „Entwicklungsagression“ geworden sei und nicht selten mit Umweltzerstörung, der Plünderung biologischer Ressourcen, Störungen des Gemeinschaftslebens, Vertreibung der Bewohner von ihrem Land und Diskriminierung einheimischer und indigener Völker einhergehe. Die offiziellen Vorbereitungen zum IYE seien immer weniger transparent, und nur eine begrenzte Auswahl von Akteursgruppen seien wirklich beteiligt, so der Vorwurf.

Auch das „Forum International“ bestätigte diesen Vorwurf eher, als dass es ihn entkräftete. So fand das zweitägige Vortrags- und Diskussionsprogramm mit mehr als 40 Referenten aus 20 Ländern ohne Dolmetscher statt – sehr zum Leidwesen vieler der eingeladenen Gäste. Im „Forum International“ durften die Gäste aus dem Süden zwar ihre Vorträge halten, waren jedoch von den Diskussionen und den Vorträgen der anderen Referenten praktisch ausgeschlossen. Es blieb dem jeweiligen Moderator überlassen, darauf zu verweisen, dass NGO-Vertreter und Reisemittler aus den touristischen Zielgebieten als Referenten nicht vertreten waren, jedoch mit im Publikum saßen. Besonders die durchgehende Nicht-Beteiligung der Tourismuskritiker am „Forum International“ war offensichtlich. Dabei soll das Ökotourismus-Jahr unter anderem „die Kooperation aller am Prozess Beteiligten, staatlicher wie nicht-staatlicher Organisationen“ fördern.

Weitaus partizipativer ging es am "Stand der Arbeitsgemeinschaft für nachhaltige Tourismusentwicklung (DANTE)" zu. Hier waren die Besucherinnen und Besucher des Reisepavillons in einer Malaktion eingeladen, ihre Vorstellungen vom oder Kritik am Ökotourismus selber ins Bild zu setzen. Anregungen zum Malen gab die bekannte argentinische Karikaturistin Marlene Pohle, die in Stuttgart lebt.

Umfrage "Was verstehe ich unter Ökotourismus?"

Für diejenigen, die ihre Ideen lieber in Worte fassen, befragte TURISMOVISION 114 Gäste nach ihrem Verständnis von Ökotourismus. Turismovision ist das gemeinsame Dialogprogramm zum Lateinamerikatourismus von KATE, Stuttgart und TOURISM WATCH, Bonn. In der Umfrage wurde deutlich, dass der Ökotourismus bei den Besuchern überwiegend ein positives Image hat. Nur dreimal tauchte der Begriff „Mogelpackung“ auf, der deutlich machen soll, dass vieles, was als Ökotourismus vermarktet wird, doch nicht so „öko“ ist. Der Begriff Ökotourismus werde leider von der Tourismusindustrie missverstanden, es bestehe die Gefahr, dass die letzten Naturparadiese für den Tourismus kolonialisiert würden, so die Befürchtung.

Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Befragung kümmerten jedoch weniger die verkaufsfördernden Argumente der Tourismuswirtschaft, sondern vielmehr das Verhalten und die Einstellung der oder des Einzelnen. Ökotourismus wurde beschrieben als Reisen „im Sinne der Nachhaltigkeit“, „im Sinne der Agenda 21“, „im Einklang mit Natur und Umwelt“, „mit möglichst geringer Schadstoff- und Energiebelastung“, „per Rad, zu Pferd oder zu Fuß“. Wichtig waren auch „schonender Umgang mit den Ressourcen“, „Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, vorzugsweise Bahn“, „kurze Reisewege“, „Orte aufsuchen, die z.B. ihre Energie aus regenerativen Quellen beziehen“, „Lebensmittel aus der Region“, „keine großen Hotelketten als Urlaubsresidenz“.

Ökotourismus ist ... "die Natur zu lieben und zu schützen"

Im Vordergrund stand auch die aktive Beteiligung am Natur- und Umweltschutz sowie die Umwelterziehung der Touristen: „Natur lassen wie sie ist und helfen sie zu erhalten“, „Naturschutzgebiete und seltene Pflanzen und Tiere sehen und dadurch den nötigen Schutz besser verstehen“, „Umwelt und Natur bewusst wahrnehmen, erleben und lieben lernen. Nicht immer in die Ferne schweifen, denn das Gute ist auch nah!“. Die negativen Auswirkungen des Massentourismus als Gegenmodell wurden ebenfalls thematisiert, dem Ökotourismus Potentiale für die „Regeneration schon vorhandener Schäden“ zugesprochen: „Reisen unter Berücksichtigung, Erhaltung und Regeneration der Natur und Kultur des Reiselandes“.

Doch nicht nur „Öko“-logisches sondern auch Menschliches wurde als wichtig erachtet: „Bewusst reisen, sich Zeit nehmen“, „Gemeinsamkeit mit Fröhlichkeit und natürlichen Interessen“, „Rücksichtnahme aufeinander“, „Erlebnisse, Erfahrungen und Entwicklung“, „miteinander sprechen“, „glücklich sein im Einklang mit den Naturgesetzen“, „Austausch zwischen Gästen und Gastgebern“, „Kontakt mit Einheimischen“, „Land und Leute kennen lernen (aber nicht nur die deutschsprechenden Kellner)“, und „vor allem muss es Spaß machen!“.

Ökotourismus ist .... „einfach die Zukunft, die wir brauchen!“

Nicht selten wurde Ökotourismus mit nachhaltigem Tourismus gleichgesetzt: „ökologisch, ökonomisch und sozio-kulturell verträglich“. Gemeint ist, dass dieser Tourismus „die Natur und Mensch nicht benutzt, sondern allen nützt“, „dass der Mensch, das Land und auch die Bewohner etwas vom Urlaub haben“. Für die einheimische Bevölkerung bedeutet es „Einbindung“, „ohne Ausbeutung“, „wirtschaftlicher Nutzen“, „umwelt- und sozialverträglicher Tourismus, der dazu auch noch ökonomisch rentabel ist“. Für die Touristen heißt es „Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse und Gegebenheiten des Landes“, „Respekt vor den Kulturen, Traditionen und Mentalitäten“, „Zurückhaltung, Austausch, keine Spuren hinterlassen“. Hierfür braucht es Informationen: „sich vorher informieren, was einem begegnen wird“, „Informationen über den Reiseanbieter und die Gegend, die Kultur, die Unterkunft, die Landwirtschaft, die Verpflegung“, aber auch Reflektion: „nachdenken über Land und Leute und essen und leben wie die Bevölkerung vor Ort“.

Während Ökotourismus für die einen ganz real und umsetzbar erscheint, bleibt er für andere „eine Utopie“, „eine Vision“, oder auch der Wunsch, „dass jeder, der den Ort betritt, das Gefühl hat zu Hause zu sein. Dass er ihn hinterlässt, als wäre er nicht da gewesen, kein Fremder, sondern ein Teil davon.“

(7.299 Anschläge, 94 Zeilen, März 2002)