Blog

Wellness-Schlager: Die Fünf Tibeter ®

Verlag wirft TourismWatch "schlecht recherchierte Pauschalurteile vor und bittet, den Text von der Homepage zu nehmen


Im Rahmen unserer Geschichte "Neue esoterische Abzocke: der 'Jungbrunnen' Himalaya-Salz" in TW 28 (Oktober 2002) berichteten wir auch über die fünf banalen Gymnastikübungen "Die Fünf 'Tibeter'®", und wiesen darauf hin, dass es sich dabei um eine westliche Erfindung und ein Millionengeschäft handelt. Tibetischen Mönchen ist dieses Pseudo-Yoga, das anhaltende Jugend verspricht, gänzlich unbekannt.

Der Scherz-Verlag vermarktet das Buch innerhalb seiner "Fünf-'Tibeter'®-Familie" mit rund 20 Titeln und CDs, darunter "Die Fünf 'Tibeter'® - das alte Geheimnis aus den Hochtälern des Himalaya läßt Sie Berge versetzen" für Kinder und Feinschmecker. Es gibt auch "Der Sechste 'Tibeter'® - Das Geheimnis erfüllter Sexualität". (Seit wann kommen Sex-Tipps aus Klöstern?) Dazu ist anzumerken, dass "der sechste Tibeter" bereits in den "fünf Tibetern" steht, auf fünf Seiten, und dass es dabei eigentlich um Enthaltsamkeit geht. Scherz ließ im vergangenen Jahr Christian Salvesen dennoch ein ganzes Buch darüber schreiben und warb: "Die Krönung des Ganzen! - Peter Kelder, Autor der "Fünf Tibeter"®". Das klingt nach einer aktuellen Zustimmung des mysteriösen Schreibers (s.u.). Tatsächlich findet sich dieser Satz bereits auf den besagten fünf Seiten des "sechsten Tibeters". 

Lothar Kleiner, der Kaufmännische Geschäftsführer des S. Fischer Verlags in Frankfurt, bittet uns nun, "in Zukunft journalistisch sorgfältiger zu arbeiten und die Passagen zu den 5-Tibetern von Ihrer Internetseite zu nehmen". Denn es handele sich dabei um "offensichtlich schlecht recherchierte Pauschalurteile über unsere Marke 'die 5-Tibeter'". Diese Vorwürfe weist die Autorin mit Nachdruck zurück!

Weiter heißt es: "Der Scherz-Verlag behauptet nicht, dass die Übungen aus Tibet kommen". TourismWatch auch nicht. Wir zitierten lediglich verkürzt aus dem Vorwort, in dem es heißt:..."fünf uralte tibetische Riten, die den Schlüssel zu anhaltender Jugend, Gesundheit und Vitalität darstellen. Jahrtausendelang wurden diese scheinbar magischen Riten in abgelegenen Klöstern des Himalaya als Geheimnis bewahrt". (Im Text ist geographisch immer nur von Indien die Rede, obwohl es im indischen Teil des Himalaya keine derart abgelegenen Klöster gibt, dank der früheren britischen Kolonialherren und heute dank der indischen Armee. Kulturell allerdings gehören Teile des Himalaya zu Tibet bzw. dem tibetischen Buddhismus.)

Natürlich gibt es keine genauen Hinweise zum Kloster, ebenso wenig zum angeblichen Autor Peter Kelder. Selbst der Herausgeber Volker Zahedra Karrer weiß nicht, ob Kelder ein Mann oder eine Frau ist, vielleicht "viele hundert Jahre alt"?! (Vgl. Vorwort). Trotzdem mailte Lother Kleiner: "Auf Anfragen von außen verweisen wir im übrigen immer auf Herrn Karrer und Peter Kelder". Darf ich bei dieser Gelegenheit um die Anschrift von Peter Kelder bitten? Bislang war das nämlich nicht möglich. Danke sehr.

Kleiner weiter: "Die Menschen wollen auch nicht betrogen werden, sondern sie empfinden die Übungen offensichtlich als Bereicherung. Dabei ist die Herkunft der Übungen völlig nebensächlich". (!) Warum enthalten die geographischen Literaturhinweise dann nur Bücher zu Tibet?

"Das Markenzeichen wurde nicht von Herrn Lanz geschützt, sondern ist ein Markenzeichen der Scherz Verlag AG". (Scherz gehört wie S. Fischer, Rowohlt, O.W.Barth u.a. zur Holtzbrinck-Gruppe). Das nehmen wir gern zur Kenntnis. 1999 hatte der Schweizer Heilpraktiker Arnold H. Lanz in New-Age-Zeitschriften den Eindruck erweckt, er habe sich "den Namen der Fünf 'Tibeter'" schützen lassen.

Gleichzeitig fragen wir uns, ob man sich den Namen bzw. die Menschen als "Tibeter"® überhaupt schützen lassen kann. Und - vorausgesetzt die Übungen gehörten tatsächlich zum geheimen Wissen der Tibeter -, müsste das geistige Urheberrecht nicht bei ihnen liegen? Das fragt sich jedenfalls der Schweizer Ethnologe Martin Brauen, der in seinem beeindruckenden Werk "Traumwelt Tibet - Westliche Trugbilder" (Verlag Paul Haupt, Bern 2000, vgl. TW 22: "Die Entlarvung eines Mythos") das "Schwindelbuch von Peter Kelder" kenntnisreich enttarnt.

(4.085 Anschläge, 52 Zeilen, Dezember 2003)