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Wanted: Bergwandern mit Fairness

Trekking-Träger sind weitgehend ohne Schutz


Im Bergtourismus spielen sie in Entwicklungsländern eine tragende Rolle: Lastenträger. Etwa 100.000 sind allein im nepalischen Himalaya im Einsatz, viele von ihnen für Trekkingtouristen und Expeditionsbergsteiger. Jedes Jahr werden viele verletzt, manche verlieren sogar ihr Leben. Erst kürzlich starben in Nepal zwei Trekking-Träger einer deutschen Gruppe am Dhaulagiri, in Pakistan fünf Träger einer italienischen Expedition am K 2.

Lastentragen ist in vielen Gebirgen der Welt ein uralter und wie in Nepal, einem gering erschlossenen Bergland, ein unverzichtbarer Beruf. Denn weder Lasttiere noch Fahrzeuge könnten all die entlegenen Dörfer und Gehöfte erreichen. Der in den 70er Jahren einsetzende Tourismus hat den Trägern ein neues Arbeitsfeld verschafft: Nachschub für die Gastbetriebe an den Trekkingrouten, Lastenkuli für die Trekkergruppen und Träger für die Expeditionen. Da die ersten Hochgebirgsträger dem Volk der Sherpa angehörten, wurden die Träger lange irrtümlicherweise mit diesem Namen und Volk identifiziert. Inzwischen trägt nur mehr eine kleine Minderheit der ethnischen Sherpa aus der Region "Solukhumbu" Lasten für andere. Ihr Siedlungsgebiet am Fuße des Mount Everest hat sich zur Trekking-Hochburg gemausert und die Sherpa selbst zu erfolgreichen Bergführern und Tourismusunternehmern, weshalb die Knochenarbeit des Lastentragens anderen Nepali überlassen wird.

Unterwegs vom Hauptort Namche Bazar in Richtung Everest BaseCamp, dem "Everest Highway", kreuze und überhole ich Hunderte von Trägern. Unter ihren "dokos", den traditionellen Tragekörben, keuchen sie unter Lasten, die kein Trekker jemals länger als 10 Minuten ertragen würde. Manchmal tragen die kleinwüchsigen Männer mehr als ihr eigenes Körpergewicht. Die Warenkartons türmen sich über ihren Schultern, oft drei zusammengebundene Touristenrucksäcke lasten auf ihren Rücken, klingende Namen deutscher, italienischer, französischer Reiseveranstalter prangen auf den Seesäcken. Der gesamte Trekkerbedarf einschließlich Bier und Whisky muss auf 4.000 bis 5.000 Meter geschleppt werden, da ein richtiger Trekker auf seine sportlichen Heldentaten abends auch ordentlich anstoßen können muss. Ohne Träger würde der ganze Betrieb hier über Nacht zusammenbrechen, erzählt mir mein Führer Pemba Ang, ein Sherpa aus Thame. Für 350 Rupien Tageslohn (etwa 3,80 Euro) plus Verpflegung trägt ein Träger normalerweise 30-35 Kilo Last. Wenn einzelne Touristen mehr zahlen, sei dies ein Glücksfall, denn die Konkurrenz unter Trägern ist zur Tourismus-Hochsaison besonders hart und Träger gebe es genug.

Der Sagarmatha- oder Everest-Nationalpark mit seinen vier Achttausendern ist einer der Hauptmagneten des Trekkingtourismus in Nepal. Nachdem Spitzenjahr 2000 mit fast 25.000 Besuchern wird 2004 mit rund 20.000 gerechnet, immer noch viel für ein kleines Gebiet mit höchstens 20.000 Einwohnern1). Während die einheimischen Sherpa sich längst einträglicheren Berufen vom Bergführer bis zum Hüttenwirt zugewandt haben, hat sich für die Träger wenig verändert. Sie tragen dieselben Lasten wie seit jeher zu noch geringeren Löhnen: Ein fast unbegrenztes Angebot an Trägern aus der schnell wachsenden Bevölkerung der angrenzenden Distrikte macht es möglich. Kein Wunder, dass Yaks und Maultiere als Tragtiere noch relativ wenig zum Einsatz kommen: Die Zweibeiner sind einfach billiger.

Die Ausbeutung der Träger hat System, erläutert mir Bishnu Aryal, der in Kathmandu für die Selbsthilfevereinigung "Porters’ Progress" arbeitet. Die Agenturen in Kathmandu vereinbaren mit ihren ausländischen Auftraggebern Pauschalverträge, die bezüglich Träger keine genauen Bestimmungen enthalten. Sie geben ihren einheimischen "Trekking-Organisatoren" (sirdars) freie Hand bei der Anheuerung der Träger vor Ort am Beginn der Trekkingroute und statten sie mit einer pauschalen Summe aus, die Löhne, Unterkunft und Verpflegung der Träger abzudecken hat. Je mehr die Sirdars die Löhne zu drücken vermögen und je weniger Träger sie einstellen, desto größer der Anteil, den sie selbst einstecken. Die Träger vor Ort konkurrieren untereinander mit Lohn und Belastbarkeit, weshalb sie auch systematisch überladen werden. Von Unfall- und Krankenversicherung sei meist keine Rede, geschweige denn von einem schriftlichen Vertrag. Ständig begegne ich auch auf schneebedeckten und vereisten Pfaden Trägern in Gummischlappen. Mangelhafte Kleidung, weder Regenschutz noch Bergschuhe – das ist die Regel im kommerziellen Lastentragen Nepals. "Immer wieder verunglücken Träger, verletzen sich oder bleiben krank in irgendeinem Dorf oder einer Lodge liegen", berichtet Bishnu, "Es gibt zwar allgemeine Regelungen zum Schutz der Träger, doch niemand kontrolliert ihre Einhaltung".

Während die Regierung in Kathmandu das Lastentragen dem freien Spiel des Marktes überlässt, scheint sich für den Schutz der Träger niemand zuständig zu fühlen. Fragt man bei den Kontrollstellen der Nationalparks Annapurna und Sagarmatha nach, gibt es nur Achselzucken. Der nepalische Verband der Trekkingagenturen (TAAN Travel Agents Association of Nepal) weist jede Verantwortung von sich. Auch die ausländischen Reiseveranstalter waschen sich die Hände in Unschuld, solange der Kunde zufrieden ist und der inländische Partner für Legalität bürgt. Welche menschliche Kosten das Trekking mit sich bringt, kümmert die Tourismusmanager wenig. So war es in Nepal doch immer schon, heißt es, und die Träger seien froh, überhaupt Arbeit zu finden. Doch unter den Tourismusmachern weiß man sehr wohl um die Bedeutung und um die Ausbeutung der Träger, bestätigt mir Navyo Eller, ein Südtiroler, der seit 15 Jahren in Kathmandu eine Trekkingagentur leitet. Sein Befund: Die Unzufriedenheit der Träger ist mit ein Teil der allgemeinen sozialen Misere Nepals, der Humus für den seit acht Jahren schwelenden Maoistenaufstand. (vgl. TW 36, "Maoisten in Nepal")

Änderungen an dieser Situation erfordern Druck von verschiedener Seite. Dass sich Nepals Träger in einer schlagkräftigen Gewerkschaft organisieren und selbst bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen, ist kaum abzusehen. "Wir sind kaum zu organisieren", erklärt mir Pemba Ang, "nach der Touristensaison kehren wir wieder in die Dörfer zu unserer gewohnten Arbeit in der Landwirtschaft zurück. Dann erreicht uns keine Gewerkschaft." Zu schnell wächst das Angebot, zu stark verteilt leben dieTräger in einem Riesengebiet ohne nötige Infrastruktur, zu wenig Interesse bringt ihnen die Regierung entgegen. Bei schrumpfendem Tourismusmarkt und steigenden Kosten für die Einkäufe sparen die Tourismusbetreiber am schwächsten Glied, den Trägern, an denen es immer einen Überschuss gibt.

So lässt sich Veränderung am ehesten durch einsichtige Kunden und ausländische Reiseveranstalter erreichen. Jeder Trekker kann die Ausbeutung der Träger hautnah erleben. Viele scheinen allerdings anzunehmen, dass die Nepali übermenschliche Kräfte haben. Ein Mindestmaß an Ausrüstung und Gesundheitsschutz für die Träger wäre schon ein großer Schritt. Schließlich liegt es auch in der Hand der Kunden, Trekkingagenturen und Reiseveranstalter, klare Regelungen zum Schutz der Träger zu erwirken. Trekking im Himalaya muss auf die Umwelt, aber auch auf die Menschen Rücksicht nehmen. Überladene, unterbezahlte und schlecht ausgerüstete Träger haben in einem Trekking mit Fairness keinen Platz.

(1) Zum Vergleich: Auf das Skigebiet der Zugspitze können acht Schlepplifte und ein Sessellift stündlich (!) 12.000 Gäste transportieren.

Im Einsatz für die Träger

 

Die "International Porters Protection Group" IPPG

Die IPPG ist 1997 vom US-Amerikaner Jim Duff gegründet worden, der als Trekker miterleben musste, wie ein junger Träger erkrankte und ausgesetzt wurde. Nach 30 Stunden war er tot. Die IPPG versteht sich als internationale Lobby der Bergsteiger, Trekker und Reiseveranstalter zugunsten der Träger und bemüht sich um den Aufbau von Gesundheitsposten, Unterkünften und Ausrüstungsverleih-Zentren in Nepal und anderen Ländern.

Heute gibt es Vertreter der IPPG in 16 Staaten, die auf die Lage der Träger aufmerksam machen und auf die Einhaltung sozialer Mindeststandards pochen. Bisher haben sich 25 Reiseveranstalter in westlichen Ländern den Grundsätzen der IPPG zur fairen Behandlung von Trägern angeschlossen.

Die IPPG setzt auf den Druck "aufgeklärter Reiseveranstalter" und Einzelkunden, um für bessere Arbeitsbedingungen der Träger zu sorgen www.ippg.net, Tel. in Kathmandu: 4440292. Sie hat fünf Minimalbedingungen für faires Trekking festgelegt:

  1. Jeder Träger soll mit ausreichender Ausrüstung versehen werden: Schuhe, Handschuhe, Regenschutz, Sonnenbrille, Decken für die Nacht.
  2. Die Trekkingführer und Trekker selbst sollen einen minimalen Gesundheitsschutz für die Träger gewährleisten.
  3. Bei Krankheit dürfen Träger nicht sich selbst überlassen und alleine nach Hause geschickt werden.
  4. Für die Behandlung und Versorgung von verunglückten oder erkrankten Trägern müssen die nötigen Mittel bereitgestellt werden.
  5. Die Auftraggeber müssen sich zur Bezahlung eines Mindestlohns verpflichten.

 

Porters’ Progress: Selbsthilfeorganisation der Träger

Langsam beginnt die Selbsthilfe der Träger in Nepal Fuß zufassen. In Kathmandu besteht eine Gewerkschaft der Träger, Bergführer und Tourismusarbeiter (UNITRAV), die vor allem als Schlichtungsstelle bei Konflikten zwischen Agenturen und Führern einerseits und den Trägern andererseits fungiert. Daneben etablierte sich im Jahr 2000 Porters Progress als Selbsthilfeorganisation der Träger. Man konzentrierte sich zunächst auf die Verbesserung der Ausrüstung der Träger (Schuhe, wetterfeste Kleidung) und baute zu diesem Zweck zwei Verleihzentralen in Kathmandu und in Lukla, am Eingang des Everestgebiets, auf. Gegen ein geringes Pfand kann sich jeder Träger oder jede Agentur hier die benötigte Ausrüstung für die Dauer des Trekkings leihen. Die Vereinigung mit ihren 600 Mitgliedern will Bewusstseinsbildung und Lobbyarbeit leisten. Mindestlöhne, Unfall- und Krankheitsschutz, bessere staatliche Reglungen der Arbeitsbedingungen sind wichtige Ziele. Daneben geht es Porters Progress auch um die Weiterbildung der Träger in Sprachkursen, Erste Hilfe-Kursen und Arbeitsrecht. Zusammen mit anderen Solidaritätsgruppen verhindern sie praktische Selbsthilfe mit politisch-gewerkschaftlicher Aktivität für die Träger. Sie führen Untersuchungen zur sozialen Lage der Träger und ihrer Familien durch und arbeiten mit den ausländischenOrganisationen zusammen, www.portersprogress.org, Tel. in Kathmandu: 4410020.

 

 

Weitere Träger-Organisationen:

Tanzania: Kilimanjaro Guides and Porters Ltd/Kilimanjaro Gewerkschaft,

www.kilimanjaro-union.com

Peru (Inka Trail): Inka Porter Project (Porteadores Inka Nan) www.peruweb.org/porters

 

Die tourismuskritische Organisation "TourismConcern" in London fährt seit 2002 eine Kampagne, um Reiseveranstalter zuverbesserten Arbeitsbedingungen für Träger zu bewegen: www.tourismconcern.org.uk

(10.743 Anschläge, 150 Zeilen, Dezember 2004)