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Vorbereitung für Verständigung?

Das Afrika-Bild in deutschsprachigen Reiseführern


"Reiseführer sind manchmal bessere Ratgeber als die Medien, wenn es um Afrika geht". Zu diesem Ergebnis kommt die Initiative "Pro Afrika" in ihrer Analyse deutschsprachiger Afrika-Reiseführer. Nicht zuletzt liege es in der Natur der Reiseführer, die Vorzüge des Reiselandes zu betonen, während die deutschen Medien ein "eher düsteres und wenig differenziertes Bild des großen Nachbarn" zeichneten. Allerdings erlägen Verlage, Autorinnen und Autoren häufig dem Exotismus, so Anke Poenicke, Programmkoordinatorin der Initiative.

Im Auftrag der Deutschen UNESCO-Kommission untersuchte sie zusammen mit einer Pro Afrika-Projektgruppe Reiseführer, vor allem zu Kenia und zu Senegal/Gambia, auf vorurteilsgeprägte und vorurteilsprägende Darstellungen. Um "europäische Zerrbilder zu entzerren", gibt die Projektgruppe umfangreiche Empfehlungen ab. Danach bergen die Fotos, die verwendete Terminologie, die behandelten Themen und die Literaturhinweise deutliche Verbesserungspotentiale.

Die Kenia-Reiseführer zeigten im Durchschnitt zur Hälfte Tiere (Löwen, Leoparden, Giraffen), zur Hälfte Menschen. Letztere erschienen jedoch in erster Linie in traditioneller Kleidung (z.B. Maasai), als Bedienstete in Hotels, oder es sind die Touristen selbst "mit ihrer schicken europäischen Tropenkleidung und der auch in ungewohnter Umgebung selbstsicheren Haltung" als die "direkten Nachfolger der europäischen 'Entdecker' und Kolonialisten". Die Initiative Pro Afrika wünscht sich in den Abbildungen dagegen mehr Façetten des täglichen Lebens, klar erkennbare Gesichter und aktive Menschen. Exotismus und Voyeurismus sollte vermieden und bekannten Stereotypen entgegengesteuert werden.

Weiter kritisierte Pro Afrika, daß in der Terminologie der Reiseführer noch immer Ausdrücke wie "Stämme", "Ethnien", "Animismus", und "Dialekte" auftauchten, die keine historische Realität wiedergeben, unzulässig verallgemeinern oder wissenschaftlich nicht korrekt seien. Dabei gebe es entsprechende treffendere Begriffe wie "Gesellschaften", "afrikanische Religionen" und "Sprachen". Auch stereotype Verallgemeinerungen wie "stolze Maasai", "flinke Kikuyus" oder "kriegerische Turkana", die bei manchen Autorinnen und Autoren immer wieder vorkamen, sollten vermieden werden.

Bei den behandelten Themen empfand Pro Afrika es als befremdlich, daß Menschen und Tiere oft unter einer Überschrift gemeinsam abgehandelt würden und so gleichermaßen als Attraktionen erschienen. Die Kolonialgeschichte werde oft detailliert geschildert, wesentliche vorkoloniale Epochen jedoch ausgeblendet. Auch mehr Informationen zur Menschenrechtssituation in den jeweiligen Ländern hätte sich Pro Afrika gewünscht, das Thema fände wenig Beachtung in den Reiseführern. Bei den Literaturtips sollten zuerst und hauptsächlich afrikanische Autorinnen und Autoren genannt werden.

Als ein besonders positives Beispiel für interkulturell vermittelnde Darstellung hebt die Initiative immer wieder den Ghana-Reiseführer des ghanaischen Autors Jojo Cobbinah hervor. So empfiehlt Pro Afrika dann auch Verlagen, ihre Reiseführer-Autorinnen und Autoren vermehrt unter den afrikanischen Fachleuten zu suchen, die selber aus dem jeweiligen Land stammen und mit beiden Kulturen vertraut sind.

(2.914 Zeichen / 48 Zeilen, Dezember 1999)