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Von heiligen und weniger heiligen Tagen

Eine theologische Perspektive der Tourismuskritik


Gerechtigkeit ist ein zutiefst menschliches Bestreben und ein Recht, insbesondere für Menschen im globalen Süden, die leiden und die an den Rand der Gesellschaft gedrängt und unterdrückt werden. Den Ruf nach Gerechtigkeit bestätigen die wiederholten prophetischen Rufe im alten Testament und herausragende Texte im neuen Testament, wie Lukas 4:16-19 (das Jesaja ‘Manifest’), das ‘Magnifikat’, die Seligpreisungen und das gesamte Evangelium. Auf konfessioneller wie auf ökumenischer Ebene sind die Kirchen herausgefordert, sich für Gerechtigkeit einzusetzen und sich auf die Seite derjenigen zu stellen, denen Gerechtigkeit verwehrt wird. Ein durch Ungerechtigkeit gekennzeichneter Bereich ist der kommerzielle Massentourismus im globalen Süden – ein globales Phänomen, das die Kirchen bisweilen übersehen, obwohl zahllose Menschen mit ihrer Armut und Marginalisierung den Preis für den wirtschaftlichen Erfolg des Tourismus zahlen.

"Holidays" nach biblischem Verständnis

Der heutige Tourismus floriert auf Grundlage der modernen Vorstellung von Urlaub. Der englische Wortursprung von 'holidays', also heiligen Tagen, ist kaum noch erkennbar. Aus biblischer Perspektive ist ein 'holiday' ein arbeitsfreier Tag im Sinne Gottes, der nach getaner Arbeit ruhte (Gen 2:2-3). Gott gebietet, den Feiertag heilig zu halten. Es ist keine Zeit zur persönlichen Gratifikation, wie es der Tourismus oft vorsieht, sondern eine Zeit, in der wir unsere tägliche Arbeit ruhen lassen, um eine engere Beziehung zu Gott als unserem Schöpfer und zu seinem Volk zu pflegen und gesegnet zu sein. Es ist keine Zeit, sich von Gott abzuwenden oder ihn zu vergessen, sondern vielmehr sich ihm anzunähern.

Tourismus und die Bewahrung der Schöpfung

Eine theologische Dimension zur Untersuchung und Reflexion des Tourismus ist der Kontext der Bewahrung der Schöpfung und ihrer Haushalterschaft. Sie lenkt den Blick auf die Kreativität Gottes, beschrieben in der Schöpfungsgeschichte, wo es heißt, "Gott sah … Es war sehr gut." (Gen 1:31). Nach Gottes kreativem Plan gehört die Schöpfung allen und soll von allen geteilt werden. Sie ist der Menschheit anvertraut, um verantwortlich verwaltet, sorgfältig genährt und dankbar geliebt zu werden.

Doch die Oikumene, also der bewohnte Teil der Erde, deren empfindliches gesellschaftliches und ökologisches Gleichgewicht durch verantwortungsloses menschliches Verhalten gestört wurde, fordert die Kirche heraus. Gerechtigkeit ist ein Prüfstein ihrer Theologie, eine Verkörperung des Geistes, der Liebe und sogar des Zorns Christi. Wenn das, was Gott erschaffen hat, bedroht ist, sind Christinnen und Christen dazu verpflichtet, ihre Stimme zu erheben und sich für das Leben, für Gerechtigkeit und Frieden, für die Erhaltung und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Dabei werden wir inspiriert vom Beispiel Jesu, der durch seine Worte und sein Leben gezeigt hat, wo er in einer Welt von Ungerechtigkeit stand.

Caesar D’Mello arbeitet als Berater zu Entwicklung, Frieden und Konflikten und gerechtem Tourismus. Von 2007 bis 2012 war er Direktor der Ecumenical Coalition On Tourism (ECOT).

Dieser Beitrag ist ein bearbeiteter Auszug aus "Deconstructing Tourism: A Challenge of Justice for the Church. A Theological Perspective" von Caesar D’Mello, erschienen in "Deconstructing Tourism: Who Benefits? A Theological Reading from the Global South". Redaktion: Caesar D’Mello, Wati Longchar, Philip Mathew. Herausgegeben vom Programme for Theology and Cultures in Asia (Tainan) und SCEPTRE (Kolkata), 2014. Bezug: wlongchar@gmail.com

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(2.916 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)