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Von der einseitig gedachten Nachhaltigkeit des Wachstums

Tourismusgipfel des Bundesverbands der deutschen Tourismuswirtschaft 2013


Die Luftverkehrswirtschaft, die Digitalisierung der Tourismuswirtschaft und die Auswirkungen des neuen Koalitionsvertrags auf die Tourismusbranche waren Schwerpunktthemen des 17. Tourismusgipfels, der Anfang Dezember 2013 in Berlin stattfand. Es war das erste große Verbandstreffen nach der Veröffentlichung des (vorläufigen) Koalitionsvertrags.

Michael Frenzel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW), sah das wichtigste Anliegen darin, die Branche in konstruktiven Dialog mit der Politik zu bringen. Nur so könne sichergestellt werden, dass das Wirtschaftswachstum und die Arbeitsplätze, die der Tourismus bringe, nicht durch weitere politische Belastungen geschwächt werden. Der Tourismus sei ein enormer Wirtschaftsfaktor für Deutschland und die Branche schaffe sogar mehr Arbeitsplätze als die Automobilindustrie.

Auch die folgenden Redner sahen vor allem die Politik in der Verantwortung, bessere Rahmenbedingungen für die Tourismuswirtschaft zu schaffen und argumentierten vehement in diese Richtung. Die Vertreter der Luftverkehrswirtschaft zeichneten ein eher düsteres Bild ihres Sektors, der geprägt sei von "Abwanderung", "Verlust von Arbeitsplätzen" und "politischen Restriktionen". Die Luftverkehrsteuer sei eine von mehreren falschen politischen Entscheidungen und wurde mehrfach als "unsinnig" und wettbewerbsverzerrend bezeichnet. Auch das europäische Emissionshandelssystem benachteilige die europäische Tourismuswirtschaft und bedrohe die Wettbewerbsfähigkeit.

Die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung von Friedrich Thießen vom finanzwissenschaftlichen Institut der Technischen Universität Chemnitz entkräften diese Argumente gänzlich. Die Studie zeigt auf, dass die Luftverkehrsteuer nicht zur Abwanderung von Passagieren zu ausländischen Flughäfen oder zu Arbeitsplatzverlusten bei den Luftfahrt-Unternehmen führt. Um eine stärkere ökologische Lenkungswirkung zu entfalten und Mehreinnahmen für die Finanzierung von Klimaschutz in Entwicklungsländern zu generieren, müsste die Luftverkehrsteuer weiter ausgebaut werden. Die Ergebnisse wurden im November 2013 vorgestellt und liegen auch dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) vor.

Als diesjähriger Ehrengast des Tourismusgipfels sprach EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor mehr als 500 Branchenvertretern. In seiner eher allgemeinen Rede betonte er die Chancen, die sich aus der Finanzkrise für die EU ergeben können, indem man aus den Fehlern lerne und die Wirtschaft auf nachhaltiges Wachstum ausrichte. Dabei sei man auf dem richtigen Weg und auch der Tourismus könne als starke Wirtschaftskraft dazu beitragen. Wie dies aussehen müsse, blieb leider offen.

Auch sei für die Tourismusbranche "nachhaltiges Wachstum" ein definiertes Ziel. Ob der Visionslosigkeit von Politik und Unternehmen scheint dieses Ziel aber etwas aus der Luft gegriffen. Denn am Ende bleibt fraglich, wie die deutsche Tourismuswirtschaft dieses Konzept umsetzen will, wenn Nachhaltigkeit durchweg auf ökonomischer Ebene betrachtet wird, soziale oder ökologische Aspekte eher Randthemen sind und jegliche Regulierung, die eine ökologische (Luftverkehrssteuer, EU Emissionshandel) oder soziale Steuerungswirkung (Mindestlohn) entfalten könnte, als Gegenspieler zu Wachstum und als Bedrohung betrachtet wird. Die Tourismus- und Luftverkehrswirtschaft hat wieder eine Chance vertan, ihre Gestaltungskraft positiv ins Feld zu führen und Visionen für eine zukunftsfähige Entwicklung darzulegen.

Jara Schreiber hat einen Master of Arts in Nachhaltigem Tourismusmanagement und arbeitet als freie Beraterin im Bereich nachhaltiger Tourismus und Regionalentwicklung.

(3.516 Zeichen, Dezember 2013)