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Viele Akteure, verschiedene Interessen

Armutsminderung und Naturschutz in Namibia


Namibia ist von großer Armut geprägt und gleichzeitig gesegnet durch eine atemberaubende Natur. Die Naturschätze zu nutzen, um die ländliche Armut zu bekämpfen, ist das Ziel eines innovativen Tourismusansatzes, des so genannten gemeindebasierten Managements natürlicher Ressourcen (Community Based Natural Resource Management – CBNRM). Das namibische Modell gilt weltweit als erfolgreich. Aber hält es auch, was es verspricht?

Der namibische Ansatz verbindet Entwicklung und Naturschutz. Er geht davon aus, dass ländliche Gemeinschaften die besten Naturschützer sind, wenn sie von den Naturschätzen auf ihrem Gebiet profitieren. In Namibia können sie sich zu sogenannten Conservancies zusammenschließen. Dadurch erhalten sie Nutzungsrechte und somit die Möglichkeit, durch touristische Angebote Einkommen zu erzielen. Im Gegenzug verpflichten sie sich dazu, die Natur zu bewahren.

Die Entwicklungskomponente des CBNRM-Ansatzes zielt darauf ab, die Touristen und die einheimische Bevölkerung zusammenzubringen. Die ländlichen Gemeinschaften sollen in die Lage versetzt werden, die Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten und Freizeitangeboten zu bedienen und selbstständig Arbeitsplätze im Tourismussektor zu schaffen.

Erste Conservancies, erste Erfolge

Der (scheinbare) Erfolg der ersten Initiativen Ende der 1980er Jahre weckte die Aufmerksamkeit des namibischen Staates und internationaler Geber. Es bildete sich ein stetig wachsendes Netzwerk aus Gebern, Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Stellen. Dieses Netzwerk wollte die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um die Ziele des CBNRM-Ansatzes zu erreichen. So leistete beispielsweise der World Wide Fund for Nature (WWF) die Anschubfinanzierung von Conservancies. Gleichzeitig wurden Bemühungen unternommen, den Dorfbewohnern Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln. Zudem wurde eine Vielzahl namibischer Organisationen finanziell und technisch unterstützt, die zum Beispiel den ländlichen Gemeinschaften halfen, Tourismusunternehmen aufzubauen und zu vermarkten. Mittlerweile gibt es 79 unterschiedlich erfolgreiche Conservancies mit über 235.000 Beteiligten – das ist etwa ein Neuntel der namibischen Bevölkerung. Sie erwirtschafteten zuletzt jährliche Einnahmen in Höhe von ca. 3,4 Millionen Euro.

Modell mit Haken

Doch es gibt auch kritische Aspekte. Finanziell sind die namibischen Organisationen und Conservancies oft von den Gebern abhängig. Die Gemeinschaften erhalten nur wenig Unterstützung bei der Ausarbeitung langfristiger Geschäftspläne und werden nur unzureichend im Bilanzwesen geschult. So können sie im Wettbewerb mit der angestammten Tourismusindustrie kaum bestehen. Langfristig können aufgrund der Ausbildungsdefizite Einkommenspotenziale nicht genutzt werden und die ländlichen Gemeinschaften können keine ausreichend hohen Gewinne erwirtschaften, die armutsmindernd verteilt werden könnten.

Rechtlich dürfen die ländlichen Gemeinden keine Besitztitel über das Land halten. Somit verfügen sie über keine Sicherheiten, um Bankkredite aufzunehmen und in touristische Infrastruktur investieren zu können. So bleiben die Conservancies finanziell weiter abhängig. Die unzureichenden wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen tragen nicht zu ihrer Selbstständigkeit bei.

Verschärfung der Armut

Auch mit dem Naturschutz gehen Probleme einher. Zwar haben sich die Wildzahlen nicht zuletzt dank der Bemühungen der Conservancies merklich erholt. Doch damit nehmen auch die Schäden durch Wildtiere in den Dörfern zu. Elefanten zertrampeln die Felder oder fressen die Ernte. Nutztiere werden durch Raubkatzen gerissen. Unglücklicherweise gab es in einigen Regionen unter den Dorfbewohnern auch mehr Todesfälle durch Angriffe von Löwen.

Ein weiteres Problem ist, dass traditionelle Landnutzungsformen wie die Landwirtschaft verdrängt werden, so dass sich die Armut mitunter sogar verschärft. Am Tourismus verdienen die Bauern nicht genug, um Ernteausfälle oder Verluste an Vieh ausgleichen zu können.

Überdies sind es auf dem Lande die Eliten, die am stärksten von dem Programm profitieren. Denn externe Geber arbeiten gerne mit besser ausgebildeten lokalen Partnern zusammen und stärken somit – meist ungewollt – deren wirtschaftliche und politische Macht.

Unterschiedliche Interessen und Prioritäten

Ursache für diese Probleme sind die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten. So sind die Geber und Nichtregierungsorganisationen vor allem an einer reibungslosen Durchführung ihrer Projekte interessiert. Den lokalen Eliten geht es nicht vorrangig um das Gemeinwohl, sondern um die Sicherung ihrer individuellen Vorteile. Zudem steht bei vielen Gebern und Nichtregierungsorganisationen eher der Naturschutz im Mittelpunkt und nicht die Verbesserung der Lebensumstände der ländlichen Gemeinschaften.

Die namibischen Organisationen verfügen kaum über eigene Mittel, mit denen sie Projekte umsetzen könnten, die sich eher an Entwicklungszielen orientieren würden. Den angestammten Tourismusunternehmern ist zwar am Naturschutz gelegen, da dadurch ihr „Kapital“, die Natur, bewahrt wird. Gleichwohl sind sie nicht gewillt, die ländlichen Gemeinschaften in den mitunter abgeschlossenen Partnerschaften zu zukünftigen Konkurrenten auszubilden.

Daneben weigert sich der namibische Staat, den Conservancies größere Rechte, beispielsweise Eigentumsrechte über das Land, einzuräumen. Ebenso wenig sind regionale und lokale politische Akteure gewillt, Macht und Entscheidungsbefugnisse abzugeben. All dies verhindert eine erfolgreichere Umsetzung des CBNRM-Ansatzes.

Wenige Reformbemühungen

Eine detaillierte Analyse der Einflussmöglichkeiten der unterschiedlichen Akteure ergab, dass einzig die Geber und der namibische Staat über die notwendigen Mittel verfügen, um diese Probleme zu überwinden. Doch obwohl ihnen zumindest einige davon bekannt sind, zum Beispiel der Mangel an unternehmerischen Fähigkeiten, gab es bislang kaum Reformbemühungen. Weder die Geber noch der Staat sind motiviert, das namibische CBNRM-Programm neu auszurichten.

Es läge also an der ländlichen Bevölkerung, mit Gebern und der Regierung in Dialog zu treten und Druck auszuüben. Schließlich können die Geber die Erfolge im Naturschutz nicht verstetigen, wenn die Gemeinschaften ihre Zusammenarbeit aufkündigen. Zudem machen die Conservancy-Bewohner einen großen Anteil der Wähler aus und verfügen somit auch über ein Druckmittel gegenüber dem Staat – wenn sie sich denn der Probleme und ihrer Möglichkeiten bewusst sind.

Unzureichend genutzte Potenziale

Trotz seiner Mängel hat der namibische Ansatz Schule gemacht. Im Jahr 2011 schlossen Namibia, Botsuana, Simbabwe, Sambia und Angola grenzüberschreitend 36 Nationalparks zum weltweit zweitgrößten Naturschutzgebiet (KAZA) zusammen. Diese Initiative stößt auf breite internationale Zustimmung – mit Deutschland als größtem Geldgeber. Die Strukturen des namibischen CBNRM-Programms wurden in diesem Zusammenschluss übernommen.

Doch die Potenziale zur Armutsminderung werden bislang nicht ideal genutzt. Um Entwicklungsziele zu erreichen, müssen eine Vielzahl von Faktoren und Interessenlagen in die Gestaltung von Programmen und Projekten der Entwicklungszusammenarbeit einfließen. Dabei sollten auch die Wechselwirkungen zwischen Gesetzgebung, finanziellen Abhängigkeiten, unternehmerischen Fähigkeiten und der Stärke der Conservancies in Partnerschaften und im Wettbewerb mit angestammten Tourismusunternehmen beachtet werden. Dies kann helfen, negative Folgen zu vermeiden und Erfolge abzusichern – insbesondere wenn das Programm weiter ausgeweitet wird.

Nico Beckert ist Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik und ‑zusammenarbeit. Er promoviert zu den Entwicklungschancen des afrikanischen Privatsektors und verfügt über Forschungserfahrung in Namibia und Botsuana.

Weitere Informationen: Nachhaltiger Tourismus in Subsahara-Afrika: Anspruch und Wirklichkeit eines neuen Konzepts zur Armutsminderung. Das Beispiel Namibia. Von Nico Beckert. Verlag Peter Lang, Frankfurt, 2014. 176 Seiten. ISBN-13: 978-3631646458.

(7.597 Zeichen, September 2014, TW 76)