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Unter dem Radar der Klimaverhandlungen in Doha

Tourismusbranche will Vorzugsbehandlung


Die touristischen Emissionen als solche liegen nach wie vor nicht auf dem Verhandlungstisch der Vereinten Nationen. Ein großer Anteil der Emissionen, die durch den Tourismus verursacht werden – namentlich die Flug- und Schiffsemissionen – hingegen schon. Beide konnten sich bisher den bindenden Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls zur Emissionsreduktion entziehen. Auch nach Dekaden zäher Verhandlungen ist es nicht gelungen, diese am rasantesten zunehmenden Emissionen verpflichtend zu reduzieren.

Die EU hat sich am stärksten für die Regulierung der Flug- und Schiffsemissionen eingesetzt, ist aber vor allem am Widerstand der Entwicklungsländer gescheitert, die keine globale Lösung mittragen wollten. Aus deren Sicht sollten nur die Industrieländer verpflichtet werden, was jedoch daran scheitert, dass es sich um "globale" Emissionen handelt.

Dieses Nord-Süd-Problem ließe sich angehen, indem die Industrieländer eine größere Verantwortung übernähmen. Mittel, die durch einen Mechanismus zur Reduktion dieser Emissionen generiert werden könnten, sollten den Entwicklungsländern für den Klimaschutz zur Verfügung gestellt werden. Als 2010 erkannt wurde, dass auch die Verursacher von Flug- und Schiffsemissionen in die Pflicht genommen werden sollten, kam zumindest in Bezug auf die Klima- und Entwicklungsfinanzierung etwas Fahrt in die lahmen Verhandlungen. Ein Durchbruch gelang jedoch nicht.

Auch die internationale Tourismusbranche trat auf die Bremse. In den Klimaverhandlungen wird sie absurder Weise durch eine UN-Organisation – die Welttourismusorganisation (UNWTO) – vertreten. Die UNWTO verkauft Tourismus als Entwicklungsmotor in den ärmsten Ländern und warnt davor, dass Regulierungen in diesem Sektor angeblich die Armut verstärken würden. Diese undifferenzierte Darstellung und das Herunterspielen der Verantwortung der Tourismusbranche tragen nicht dazu bei, die Erderwärmung unter der kritischen Grenze von zwei Grad zu halten.

Für eine globale Lösung für Flugemissionen

Richtig Schwung kam außerhalb der UN-Verhandlungen durch den Alleingang der EU auf. Vor allem in den letzten Wochen haben die Flugemissionen Schlagzeilen gemacht. Die EU hatte beschlossen – wohlgemerkt nach jahrelanger Ankündigung – ab dem 1. Januar 2012 den Flugverkehr in den Europäischen Emissionshandel aufzunehmen. Das stieß auf vehementen Widerstand, und eine "Koalition der Unwilligen" versammelte sich sofort in Russland, um gegen diese regionale Initiative vorzugehen. Es ist jedoch das gute Recht der EU, eigene Regelungen einzuführen, die dann auf eigenem Boden für all jene gelten, die landen und abfliegen möchten. Das bestätigte auch der europäische Gerichtshof. Trotzdem hat sich der politische Druck auf die EU so stark erhöht, dass sie im November ganz überraschend kundtat, die regionale Maßnahme für ein Jahr auszusetzen. Bedingung sei, dass die internationale Staatengemeinschaft – in der Luftfahrt vertreten durch die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) – bis November 2013 eine globale Lösung auf den Weg bringt. Sollte dies nicht geschehen, werde die EU ohne zu zögern ihre regionale Lösung wieder einführen.

Man kann dies als ein sehr gewagtes Spiel interpretieren. Nun hat die EU den Druck von sich selbst weggenommen und stattdessen Druck auf die internationale Staatengemeinschaft aufgebaut. Man kann es auch so sehen: Die EU stand mit dem Rücken gegen die Wand. Ab März 2013 hätten internationale Fluggesellschaften tatsächlich CO2-Zertifikate kaufen müssen. Die USA haben ihren Fluggesellschaften aber verboten, sich am EU-Emissionshandel zu beteiligen. Die Chinesen haben Ähnliches verlauten lassen. Welche Konsequenzen hätte dies gehabt? Hätte man die amerikanischen Fluggesellschaften in Frankfurt nicht weiterfliegen lassen, wenn sie sich geweigert hätten, den EU-Emissionshandel anzuerkennen? Und wie hätten die Vergeltungsmaßnahmen ausgesehen? Hätten Lufthansa-Maschinen nicht in Peking landen dürfen?

Die EU ist eingeknickt. Es bleibt zu hoffen, dass die ICAO ähnliche Auseinandersetzungen vermeidet und dass die Staatengemeinschaft eine Lösung findet. Im Verhandlungsprozess um eine neue UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) können die technischen Details nicht geregelt werden. Auch eine politische Entscheidung ist nicht möglich, auch wenn man es all die Jahre versucht hat. Die UNFCCC kann aber ein starkes politisches Signal senden: indem sie die ICAO und auch die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) auffordert, im eigenen Verband und mit ihren Mitgliedsstaaten und Verhandlungsführern aktiv an einer globalen Lösung zu arbeiten. Wenn 2013 wieder die Chance vertan wird, eine globale Lösung zu finden, die auch für Entwicklungsländer gerecht ist, wird der Flugverkehr nicht mehr – wie in den vergangenen Jahren – unter dem Radar der Verhandlungen fliegen. 2013 wird einen Wendepunkt markieren und wahrscheinlich das wichtigste Jahr für die Bemühungen zu Emissionen im Flug- und Schiffsverkehr sein.

Ende 2013 wird die Weltgemeinschaft entscheiden müssen, ob sie bereit ist, die Flugemissionen signifikant zu reduzieren, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Denn bleibt der internationale Verkehr unreguliert, wird er 2050 etwa 35 Prozent des Kohlenstoffbudgets in Anspruch nehmen, das mit dem 2-Grad-Ziel noch vereinbar wäre. Wollen wir die Erwärmung unter 1,5 Grad halten, würde er bis 2050 gar mit über 60 Prozent zu Buche schlagen – womit das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr zu halten wäre. Die Regulierung der Emissionen von Flug- und Schiffsverkehr muss nun mit vereinten Kräften und neuem Elan angegangen werden. Nachdem die UNWTO in Doha in einer Rahmenveranstaltung deutlich gemacht hat, wofür sie sich verantwortlich sieht, schwindet die Hoffnung auf Unterstützung von dieser Seite.

Tourismusbranche will Vorzugsbehandlung

Trotz mehrfacher Angebote wurde auch dieses Mal darauf verzichtet, zivilgesellschaftliche Organisationen zum Podiumsgespräch einzuladen und ihnen Raum zu geben, die Bemühungen der internationalen Tourismusbranche zum Klimaschutz zu kommentieren. Stattdessen wurden die IMO, ICAO, UNESCO und ein Vertreter der Universität Oxford eingeladen, die gewohnt unkritisch darauf hinwiesen, dass der Tourismus nicht unfair in die Klimapflicht genommen werden sollte, weil er einen wichtigen Beitrag zur Armutsbekämpfung leiste (was nichtstaatliche Organisationen anzweifeln und wofür immer noch die Belege fehlen).

Vor allem der letzte Beitrag wirkte fast zynisch. Murray Simpson vom Umweltzentrum der Universität Oxford stellte das Partnerschaftsprojekt "Caribsave" vor. Die Karibik, führte er aus, sei hochgradig vom Tourismus abhängig und zudem stark vom Klimawandel betroffen. Nachdem er verschiedene Ansätze zur Anpassung der Reisebranche an den Klimawandel vorgestellt hatte, forderte er, dass auch über einen Kompensationsmechanismus für die Tourismusbranche nachgedacht werden sollte.

Nebenan referierte Koko Warner von der Universität der Vereinten Nationen gleichzeitig von ihrer Arbeit an einem Mechanismus für die ärmsten Menschen der Erde, denen durch den Klimawandel irreparable Schäden und Verluste entstehen. Die Bevölkerung der sogenannten kleinen Inselentwicklungsländer, die wegen des Anstiegs des Meeres ihre Heimat verliert, und die Menschen in den ärmsten Ländern der Erde, die wegen Überschwemmungen und Dürren ihrer Lebensgrundlage beraubt werden, brauchen einen Finanzierungsmechanismus, der ihnen eine Zukunft ermöglicht. Die Verhandlungen dazu verlaufen sehr zäh, denn bisher ist es für viele Industrieländer ein rotes Tuch, überhaupt über finanzielle Kompensation zu reden. Wenn ein solcher Kompensationsmechanismus für die ärmsten Menschen überlebenswichtig ist, sollte sich die milliardenschwere Tourismusindustrie eher finanziell an einem solchen Kompensationsfonds beteiligen, statt solch unsensible Forderungen zu stellen.

Zumal Luigi Cabrini von der UNWTO kurz zuvor erklärt hatte, der Tourismus generiere heute fünf Prozent des Bruttoweltprodukts und 1,1 Billionen US-Dollar durch Exporte. Die Branche sollte demnach genug Geld haben, sich selbst zu helfen, und im Rahmen der Verantwortung, die sie durch ihren Beitrag zum Klimawandel trägt, einen finanziellen Beitrag für die ärmsten Menschen leisten.

Sabine Minninger ist Referentin für Klima- und Energiepolitik bei Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst.

(8.222 Anschläge, 109 Zeilen, Dezember 2012)