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Umstrittene Agrotreibstoffe

Ansätze zur Emissionsreduktion im Luftverkehr


Die Lufthansa, wie auch einige andere Fluggesellschaften, will in Zukunft auf Biotreibstoffe setzen. Dass dabei auch die Energiepflanze Jatropha im Gespräch ist, hat bei Umweltorganisationen Widerstand hervorgerufen. Hinsichtlich wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Kriterien sei der Anbau von Jatropha und anderen Energiepflanzen nicht auf nachhaltige Weise möglich, heißt es bei "Rettet den Regenwald" in einer Protestaktion gegen die Lufthansa-Pläne.

Der Lufthansa-Konzern hat sich zum Ziel gesetzt, dem herkömmlichen Kerosin bis zum Jahr 2020 einen synthetisch erzeugten Kraftstoffanteil aus nachwachsenden Rohstoffen von fünf bis zehn Prozent beizumischen. Doch bevor ein alternativer Treibstoff zum Einsatz kommen kann, müsse sichergestellt sein, dass er sich für den Luftverkehr eigne und in ausreichenden Mengen verfügbar sei, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht 2010 der Lufthansa. Danach legt das Unternehmen auch "großen Wert darauf, dass der alternative Kraftstoff nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion steht und ein nachgewiesener Nutzen für die Umwelt besteht". Als Hoffnungsträger gelten Algen und so genannte Energiegewächse wie Jatropha, die nicht als Nahrungs- oder Futtermittel verwendet werden. "Das Thema Algen ist langfristig ausgelegt und steht heute erst am Anfang der Entwicklung. In den nächsten zehn Jahren sind keine nennenswerten Mengen an Kraftstoff aus diesem Rohstoff zu erwarten", sagt Dr. Andreas Waibel, Manager für Umweltkonzepte beim Lufthansa-Konzern.

Die Lufthansa ist Mitglied der in der "Sustainable Aviation Fuel Users Group" (SAFUG), die die Entwicklung und Kommerzialisierung von "nachhaltigen" Treibstoffen für die Luftfahrtindustrie beschleunigen will. Die alternativen Kraftstoffe müssen mindestens so leistungsfähig sein wie Kerosin, jedoch einen geringeren CO2-Ausstoß aufweisen und auf erneuerbaren Energiequellen basieren, so die Zielvorstellung. Außerdem sollen nachhaltige Biotreibstoffe nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen oder den Kahlschlag von Wäldern vorantreiben. Sie sollen nur ein Minimum an Wasser und Energie verbrauchen und sie sollen den Gemeinschaften in den Anbau und Herstellungsgebieten sozioökonomischen Nutzen bringen.

Dass das bei Jatropha nicht der Fall ist, hat die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) 2009 in einer Studie in Ostafrika festgestellt. In ihrem "Jatropha Reality Check" heißt es: "Auf der Grundlage unserer Erkenntnisse ist Jatropha derzeit offenbar nicht rentabel für den Anbau durch Kleinbauern in Mono- oder Mischkulturen. (...) Wir empfehlen daher allen Beteiligten, ihre aktuellen Aktivitäten zur Förderung von Jatropha als einen viel versprechenden Bioenergie-Rohstoff sorgfältig neu zu bewerten. Wir empfehlen außerdem, dass alle Beteiligten aus dem öffentlichen und privaten Sektor vorerst den Anbau durch Kleinbauern nicht weiter fördern" - es sei denn als "Lebendzaun" zur Feldbegrenzung. Der Verein "Rettet den Regenwald" fordert, dass Lufthansa sämtliche Tests mit Agrosprit unverzüglich beenden und ihre Pläne zur Beimischung von fünf bis zehn Prozent Agrosprit bis 2020 streichen sollte.

Was die Luftverkehrsbranche tun kann

Dennoch braucht es dringend Lösungen zur Verringerung der Klimawirkungen des Flugverkehrs. Allein zwischen 2000 und 2005 hat der Flugverkehr enorm zugenommen, trotz einschneidender Ereignisse, wie den Anschlägen auf das World Trade Center, dem Golfkrieg und SARS. Nach aktuellen Erkenntnissen von Klimawissenschaftlern (Lee et al., 2009) sind die Klimawirkungen des Flugverkehrs 2005 um 14 Prozent höher als noch im Jahr 2000 - dem Jahr, das der Weltklimarat in seinen Sachstandsbericht 2007 zugrunde gelegt hatte. Der Flugverkehr hat nach den neuen Berechnungen einen deutlich höheren Anteil an der vom Menschen verursachten Erderwärmung als bislang angenommen. Mit größter Wahrscheinlichkeit liegt er bei knapp fünf Prozent, könnte sogar aber auch bis zu 14 Prozent betragen.

Angesichts des enormen Wachstums sind, so die Wissenschaftler, neue und radikalere Technologien erforderlich, so z.B. Nurflügelflugzeuge ohne separates Höhenruder, bei dem es keine Differenzierung zwischen Tragflächen und Rumpf gibt, oder auch Weiterentwicklungen von Propellerturbinentriebwerken. Kaum Aussichten auf Emissionseinsparungen gebe es ihrer Ansicht nach derzeit durch alternative Treibstoffe, auch weil die Treibstoffzusammensetzung im Luftverkehr aus Sicherheitsgründen strengen Anforderungen unterliege.

Die aktuellen Szenarien geben also wenig Anlass zur Hoffnung. Aufgrund der langen "Lebensdauer" von Flugzeugen werden im Jahr 2030 noch die Maschinen im Einsatz sein, die dem heutigen Stand der Technik - mit abnehmenden Effizienzgewinnen - entsprechen. Die Nachfrage steigt weiter und die CO2 Emissionen im Jahr 2030 könnten das Doppelte oder sogar mehr als das Dreifache der Emissionen von 2002 ausmachen - selbst wenn der Boeing-Präsident für den zivilen Flugzeugbau, James F. Albaugh, mit seiner Prognose Recht haben sollte, dass in 20 bis 30 Jahren Biotreibstoffe über die Hälfte des Verbrauchs ausmachen werden. Denn (so zitierte ihn "Welt online" am 9 Mai 2010): "In 50 Jahren werden nicht 18.000, sondern 80.000 Flugzeuge fliegen."

Aviation and global climate change in the 21st century. Von David S. Lee, David W. Fahey, Piers M. Forster, Peter J. Newton, Ron C.N. Wit, Ling L. Lim, Bethan Owen, Robert Sausen. In: Atmospheric Environment. Elsevier, 2009.
www.tiaca.org/images/tiaca/PDF/IndustryAffairs/2009%20IPCC%20authors%20update.pdf

( 5.292 Anschläge, 71 Zeilen, September 2010)