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Übernutzt und unterfinanziert

Wie der Tourismus die öffentliche Grundversorgung in Goa beeinträchtigt


Der kleine indische Bundesstaat Goa blickt auf eine lange, konfliktreiche Geschichte zwischen der Tourismuswirtschaft und der einheimischen Bevölkerung zurück. Unter anderem erhöht der Tourismus den Druck auf die lokalen öffentlichen Verkehrssysteme und die Wasserversorgung, die ohnehin schon unzureichend sind.

Jedes Wochenende und ganz besonders in den Schulferien sowie an Feiertagen fallen Horden von indischen Touristen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen in Goa ein. Diese Touristen können sich Taxis nicht leisten. Sie nutzen öffentliche Verkehrsmittel, die ohnehin sehr stark beansprucht sind. Die Busse sind so voll, dass man kaum stehen kann, und bei Platzmangel kommt es leicht zu Belästigungen.

Priorität für Luxustourismus

Die Tourismuslobby im Hochpreissegment behauptet, sie würde die lokale Infrastruktur überhaupt nicht nutzen, geschweige denn übernutzen. So heißt es zum Beispiel, Luxustouristen würden gar keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Nur die Reisenden im Niedrigpreissegment seien damit unterwegs.

Allerdings verfügt die Tourismuslobby im Hochpreissegment über die Macht, die Politik entsprechend ihrer Prioritäten erheblich zu beeinflussen – auf Kosten der Bedürfnisse der Einheimischen, zugunsten des Infrastrukturbedarfs der Luxushotellerie. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Wasserversorgung. Luxushotels haben einen hohen Wasserbedarf für Swimmingpools, für den täglichen Bedarf der Touristen und für Golfplätze. Das hat Auswirkungen, zum Beispiel darauf, wo vorrangig Wasserleitungen verlegt werden, aus welchen Quellen Grundwasser abgezapft wird oder ob Abwasseraufbereitungsanlagen in Betrieb sind oder nicht.

Die beschriebene scharfe Trennung zwischen Hoch- und Niedrigpreistourismus in Goa führt nicht weiter. Wo der Staat darauf versessen ist, um jeden Preis Tourismus zu fördern, wird er alles daran setzen, dass es funktioniert. Das gilt insbesondere für die Form von Tourismus, mit der sich Schmiergelder aus der Wirtschaft generieren lassen, um Kampagnen in Wahlkämpfen zu finanzieren –das ist vor allem das Luxussegment. Da schaut der Staat nicht auf die Kosten des Tourismus für die Menschen vor Ort, die zum Beispiel durch den Druck auf knappe öffentliche Dienstleistungen und Infrastruktur entstehen.

Das Problem liegt also in der Ausrichtung staatlicher Politik, die die Betroffenen nicht einbezieht. Der Staat ist von seinem Image besessen. So wird Tourismus hübsch „verpackt“, indem man die Probleme und Anliegen der Einheimischen unter den Teppich kehrt. Dies hat sich jüngst auch darin gezeigt, wie der Bundesstaat Goa mit dem Thema Taxi-Services für Touristen umgeht.

Neue Taxi-App als Bedrohung

Die goanische Regierung hat für Touristentaxis eine App angekündigt, das laut dem Chef der Goa Tourism Development Corporation den Taxibetrieb modernisieren soll, ohne dass es zuvor eine Konsultation mit der Gewerkschaft der Taxifahrer gab. Was bedeutet es konkret für die Taxifahrer, über eine App verfügbar zu sein? Welche Art von Infrastruktur braucht man für das Management einer solchen App? Wie wird sie funktionieren?

Momentan haben Taxifahrer noch die Möglichkeit, mehr oder weniger als den von der Regierung festgelegten Beförderungssatz zu verlangen – weniger zum Beispiel von Einheimischen, wenn eine schwangere Frau rasch ins Krankenhaus gebracht werden muss. Doch wenn die Fahrten über ein Portal abgerechnet werden, wo einheitliche Standards festgelegt sind, werden sie diese Option nicht mehr haben. Sie werden zudem niedrigere Sätze akzeptieren müssen als zuvor, damit auch der App-Anbieter mitverdienen kann.

Die lokalen Taxifahrer müssen befürchten aus dem Geschäft gedrängt zu werden, weil sie nicht alle Standards erfüllen. Ähnlich ist es anderen einheimischen Tourismusunternehmen schon ergangen. Die Einführung kommerzieller Einrichtungen wie Souvenir-Shops in den Sterne-Hotels hat dazu geführt, dass die Touristen nun nicht mehr bei den kleinen einheimischen Unternehmen außerhalb der Hotelanlagen kaufen und die Dienstleistungen lokaler Reiseanbieter, Schönheitssalons, oder Fitness-Studios nicht mehr nutzen.

Umlenkung staatlicher Mittel

Ganz offensichtlich hat also der von Großunternehmen organisierte Tourismus (der vorherrschende Tourismus, der von staatlicher Seite unterstützt wird) zur Folge, dass weniger Mittel in die Infrastruktur zur Grundversorgung der Einheimischen fließen. Gleichzeitig wird enorm viel Geld in die touristische Infrastruktur gelenkt, insbesondere zugunsten des Hochpreis-Tourismus. Dazu gehört zum Beispiel ein zusätzlicher Flughafen, Straßenerweiterungen und vier- bis sechsspurige Schnellstraßen, die dazu führen, dass Felder der Bauern zerstört werden und Menschen ihrer nachhaltigen Lebensgrundlage beraubt werden.

Dr. Albertina Almeida ist Anwältin, Menschenrechtsaktivistin und unabhängige Forscherin in Goa, Indien. Immer wieder geht sie Fragen von ‘Entwicklung’, einschließlich touristischer Entwicklung, nach.

Redaktionelle Bearbeitung und Übersetzung: Christina Kamp