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Tourismuspolitik - Einblicke in komplizierte Netzwerke


Ähnlich wie in der Politikwissenschaft ist Tourismuspolitik in den Ausbildungsgängen angehender Touristiker kaum vorhanden. Das ist um so erstaunlicher, da gerade der Tourismus in der Weltpolitik und -wirtschaft eine höchst gewichtige Rolle spielt. Mit seinem Lehrbuch "Tourismuspolitik" schließt Jörn Mundt diese weit klaffende Lücke in der akademischen Tourismusausbildung. Gleichzeitig versucht er, den Blick für die Brisanz des Themas zu schärfen und vermittelt einen "Einblick in ein bislang kaum bearbeitetes Forschungsfeld, das aufgrund seiner umfassenden Netzwerkstruktur spannende Möglichkeiten für internationale policy-network-Analysen" biete.

"Tourismus ist, auch wenn es in freiheitlichen Staaten auf den ersten Blick nicht auffällt, hoch politisch", schreibt der Professor, Leiter des Studiengangs Tourismusbetriebswirtschaft der Berufsakademie Ravensburg. Schon der zweite Blick aber zeige, dass Tourismus eng mit der Politik verflochten sei: "Kommunale Tourismusstellen, regionale Tourismusverbände, nationale Tourismusorganisationen - sie alle verdanken ihre Existenz politischen Entscheidungen. Entsprechend sind auch ihre strategischen und operativen Handlungsspielräume politisch bestimmt". Wer mit entscheiden will, muss die Strukturen von Macht und Interessengruppen kennen und durchschauen. Auch private Tourismusunternehmen bewegten sich mehr oder weniger direkt im politischen Raum.

Vor dem Hintergrund weltweiter Verflechtungen sei es kein Nachteil, über den Tellerrand des eigenen Landes hinauszuschauen. "Deshalb und weil der Rückblick auf die heimischen Verhältnisse dann vieles deutlicher werden läßt", versammelt der Autor in seinem spannenden Buch auch viele Beispiele und Analysen aus anderen Ländern. Weniger berücksichtigt wurden im entwicklungs- und umweltpolitischen Teil leider Thesen und Ausführungen bekannter deutschsprachiger Tourismuskritiker. Im Gegenzug bietet er ein breites Spektrum englischsprachiger Autorenmeinungen und Zitate an.

Das Buch ist der Versuch, ein hochpolitisches Thema weitgehend ohne Polemik, Polarisierung oder politisch eindeutige Haltung zu analysieren, was nicht immer möglich ist. Dennoch versucht der Autor, unterschiedliche Standpunkte, Verflechtungstendenzen, Machtkonzentrationen und Interessenlagen zu vielen brisanten Themen aufzuzeigen. Aktuell sei es insbesondere denjenigen empfohlen, die am Wiederaufbau des Tourismus nach dem Tsunami in Asien beteiligt sind. "Tourismuspolitik" ist ein akademisches Grundlagenwerk, das Zusammenhänge aufzeigt, ohne Konsequenzen zu kritisieren. Die Lektüre kann daher durchaus an manchen Stellen durch kritische Lesebücher ergänzt werden.

Claudia Brözel, Ludmilla Tüting

Mundt, Jörn W.: Tourismuspolitik, Oldenbourg Verlag, München/Wien 2004, 462 S., ISBN 3-486-27556-9. Das erste Kapitel kann als Leseprobe heruntergeladen werden: www.oldenbourg.de/verlag