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Thailand: Verzögerungstaktiken und Widerstand

Wiederaufbau nach dem Tsunami auf Ko Phi Phi


Für die thailändische Regierung war der Tsunami die „Stunde Null“ – die Chance auf einen „geordneten“ Wiederaufbau auf Ko Phi Phi. Diverse Pläne, die rasante, unkontrollierte Entwicklung des Tourismus auf der Insel in geregelte Bahnen zu lenken, waren in den Vorjahren gescheitert. Doch die Überlegungen in Bangkok, die sich über eine Zonierung der Flächennutzung bis hin zur Umsiedlung und Enteignung der Inselbewohner erstreckten, stießen rasch auf massiven Widerstand bei den verbliebenen Akteuren vor Ort.

Bis zur Flutkatastrophe vom 26.12.2004 war die Insel (thailändisch „Ko“) Phi Phi nicht nur Inbegriff eines Tropenparadieses, sondern auch ein Paradebeispiel für die ökologischen Negativwirkungen der äußerst dynamischen thailändischen Tourismuswirtschaft. Immer mehr Strandgrundstücke wurden illegal bebaut, Landkonflikte nahmen zu. Die notwendige Ver- und Entsorgungsinfrastruktur konnte gar nicht so schnell ausgebaut werden, wie sich der Tourismus ausweitete. Abwasser- und Müllprobleme, Wassermangel, sowie eine extreme bauliche Verdichtung ließen Ko Phi Phi immer mehr als Slum erscheinen.

Der Tsunami setzte dem Tourismusboom auf Ko Phi Phi ein abruptes Ende. Offiziellen Angaben zufolge wurden 80 Prozent der Bausubstanz verwüstet, mindestens 753 Menschen starben, über tausend werden bis heute vermisst. Noch unter dem Schock der Katastrophe kündigte der thailändische Umweltminister an, „Ordnung“ in den betroffenen Gebieten herstellen zu wollen. Illegal auf den Stränden errichtete touristische Anlagen sollten nicht wieder aufgebaut werden. Am 12.01.2005 legte die Baubehörde der Provinz Krabi einen Planungsentwurf zur Rehabilitation der Insel vor. Kernpunkt dieses Planes war eine geregelte Restrukturierung der Landnutzung im Zuge des Katastrophenschutzes. Die Inselbevölkerung sollte auf höher gelegenes Gelände umgesiedelt, große Teile der Landenge zwischen dem östlichen und westlichen Teil der Insel in öffentliche Freiflächen überführt werden. Zur Durchsetzung der Planungen wurde nicht nur ein Aufkauf von Flächen durch die Regierung und Flächentausch vorgeschlagen, sondern notfalls auch Enteignungen.

Entsprechend heftig reagierte die Bevölkerung vor Ort. Anfang März 2005 marschierten 30 Inselbewohner nach Bangkok und forderten Premierminister Thaksin auf, die Pläne zur Umsiedlung und Enteignung der Insulaner fallen zu lassen. Viele von ihnen befürchteten, dass das Land in Kürze an große Unternehmen verpachtet werden sollte und die ansässigen Unternehmer vertrieben würden. Einer der Protestler vermutete eine Verschwörung von Regierungsbeamten, Politikern und Großinvestoren und meinte, dass sie nun einen zweiten Tsunami erleben würden. Tatsächlich könnte es um mehr als eine Neuordnung der Landflächen aus Gründen des Umwelt- oder Katastrophenschutzes gehen. Denn seit Jahren versucht die Zentralregierung, zahlungskräftige „Qualitätstouristen“ ins Land zu locken und aus Ko Phi Phi eine Luxusdestination zu machen. Nun könnte sie sich Zugriff auf große Teile der touristisch besonders interessanten Landenge von Ko Phi Phi verschaffen und diese an Investorengruppen verpachten.

Doch der Regierung schien bald klar geworden zu sein, dass ein allzu offensives Durchgreifen auf Ko Phi Phi politisch nicht durchsetzbar ist. Dafür haben einige der lokalen Interessengruppen zu viel Einfluss. Nun scheint Bangkok indirekte Strategien zu verfolgen, um sie zurückzudrängen. Bereits kurz nach dem Tsunami wurde ein Baustopp verhängt. Seither warten die Bewohner vergeblich auf den lange angekündigten Masterplan zum Wiederaufbau der Insel. Ohne die entsprechenden rechtlichen Grundlagen können sie ihre zerstörten Betriebe nicht wieder errichten.

Für die auf Ko Phi Phi verbliebenen Geschäftsleute bedeutet die offensichtliche Hinhalte- oder Verzögerungstaktik der Regierung eine ungewisse Zukunft und keine Einnahmen. Nur diejenigen mit Ausdauer und genügend finanziellen Ressourcen können sich auf der Insel halten. Alle anderen werden vom Markt verschwinden und ihr Land wird an die einflussreichere Konkurrenz übergehen. Teilweise ist dies bereits geschehen und hätte inzwischen wohl schon größere Ausmaße erreicht, wenn nicht private, überwiegend ausländische Hilfsinitiativen einen Gegenpol zu den Plänen der Regierung gebildet hätten.

Im Januar 2005 schlossen sich diese Hilfsinitiativen unter dem Dach der Initiative „Help International Phi Phi“ (Hi Phi Phi) zusammen. Im Gegensatz zur Regierung, die nach dem Tsunami wegen ausbleibender Hilfe und Kredite und wegen bürokratischer Schwerfälligkeit kritisiert wurde, leisteten die zahlreichen Freiwilligen Soforthilfe, richteten Mikrokreditprogramme für Betroffene ein und forderten Touristen auf, in deren Läden einzukaufen. Hi Phi Phi arbeitete aktiv an der Wiederbelebung der Insel mit und unterstützte damit gerade die Schwächeren, die die Regierung am liebsten von der Insel verdrängt hätte. Darüber hinaus brachte das Engagement der Helfer Ko Phi Phi auf die touristische Landkarte zurück.

Ein Jahr nach dem Tsunami sah Hi Phi Phi ihre Aufbaubemühungen als abgeschlossen an. Die Regierung ihrerseits übertrug im September 2005 die Planungen an die „Designated Area for Sustainable Tourism Administration“ (Dasta) unter dem Dach des Umweltministeriums. Diese sollte einen neuen Masterplan mit Schwerpunkt auf Ökotourismus erstellen und Ko Phi Phi letztlich zu einer „Boutique“-Insel machen, um die Einnahmen aus dem Tourismus zu verdoppeln. Bereits bewilligte wichtige Infrastrukturprojekte wurden auf Halde gelegt, und erneut befürchteten die Inselbewohner, dass die neuen Vorhaben nur Großinvestoren zugute kommen würden. Gleichzeitig versuchten sie nach der langen Durststrecke, das Beste aus der Hauptsaison zu machen. Dies führte dazu, dass noch mehr einfache Unterkünfte, Läden, etc. errichtet wurden und die Entwicklung, entgegen den Planungsabsichten, wieder ähnliche Formen wie vor dem Tsunami annahm.

Anfang Januar 2006 wurde schließlich nach anhaltendem Druck der lokalen Akteure der Baustopp gelockert und ein Monat später die Planungsaufsicht der Provinzregierung übertragen. In einem persönlichen Gespräch Mitte Mai teilte der Gouverneur von Krabi mit, dass ein endgültiger Masterplan wohl erst nach den Neuwahlen im kommenden Oktober zu erwarten sei. Damit ist fraglich, ob bis zur tatsächlichen Umsetzung die unkontrollierten Entwicklungen noch eingedämmt und in nachhaltige Bahnen gelenkt werden können.

Evelin Selau ist Absolventin der Geographie, Anglistik und Soziologie an der Universität Heidelberg. In ihrer Diplomarbeit beschäftigte sie sich mit den Akteuren und Problemen der Tourismusentwicklung auf Ko Phi Phi.

(6.641 Anschläge, 87 Zeilen, September 2006)