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Sextourismus, Alkohol und eine Atombombe

Bizarre Verschwörungstheorien über die Ursache des Tsunami


Wie schon der Terroranschlag "Nine Eleven" in den USA regte auch der Tsunami die Fantasie von Verschwörungstheoretikern und religiösen Fundamentalisten aller Glaubensrichtungen an. An der Spitze der weltweiten Hitliste rangiert der Vorwurf, das sündige Treiben der Touristen habe die "Strafe Gottes bzw. Allahs" herausgefordert.

Ähnlich beliebt ist die bizarre Behauptung, ein geheimer indisch-israelisch-amerikanischer Atomtest habe das Erdbeben vor der Küste Indonesiens verursacht und somit den Tsunami ausgelöst. Vorwürfe islamistischer Prediger und einiger deutschsprachiger "Verschwörungsexperten" trugen zudem deutlich antisemitische Züge. Beispielsweise hätten - wie schon beim Anschlag auf das World Trade Center in New York - Tausende Israelis den Unglücksort rechtzeitig verlassen und seien deshalb nicht betroffen gewesen (in "Panorama", ARD, 27.1.2005).

Die F.A.Z. dokumentierte am 11.1.2005 einige "Erklärungsmuster", die das amerikanische "Middle East Media Research Institute" (Memri) aus dem Arabischen übersetzt hatte. Neben der jüdisch-indisch-amerikanischen Atombombe schossen sich radikale Prediger auf den sündigen Tourismus ein. "Ihr habt wahrscheinlich alle von Bangkok gehört. Wir kennen es als weltweites Zentrum der Korruption. Dort gibt es zionistische und amerikanische Investitionen...und Strände, die sie Touristenparadiese nennen, während nur wenige Meter weiter die Einheimischen in einer Hölle auf Erde leben. Die Stunde Null ist gekommen" (Aus einem Freitagsgebet im palästinensischen Fernsehen). "Es geschah an Weihnachten, als sich unzüchtige und korrupte Menschen auf der ganzen Welt in Unzucht und sexueller Perversion ergingen. Da geschah die Tragödie, erschlug sie alle und zerstörte alles". (Ein Professor aus Beirut im arabischen Fernsehen). "Das Problem ist, dass die Feiertage von verbotenen Dingen begleitet werden, von Unmoral, Scheußlichkeiten, Ehebruch, Alkohol, betrunkenem Tanzen....Bauchtänzerinnen und Sänger...hüpfen von einem Hotel zum anderen, vom Abend bis zum Morgengrauen...Auf der Höhe der Unmoral nahm Allah Rache an diesen Kriminellen. Sie verbrachten, was sie Silvester nennen, in Ferienorten, Kneipen und Hotels. Allah erschlug sie mit einem Erdbeben". (Saudischer Prediger im arabischen Fernsehen).

Die arabische Zeitung "Attajdid" löste in Marokko eine Debatte aus. Der Tsunami sei nicht nur eine Vergeltung Allahs für den Sextourismus gewesen, sondern zugleich eine Warnung an das Königreich. Schließlich verdürben dort Prostitution, Homosexualität und der dadurch angezogene Tourismus die guten Sitten. Sowohl die Regierung als auch einige Parteien und Medien kritisierten die Behauptung laut F.A.Z. vom 21.2.2005 als "Beleidigung der Opfer".

In der "arte reportage" vom 19.1.2005 wurde ein Lehrer aus Aceh gezeigt, der seinen Schülern auf der Tafel eine seltsame Theorie vorrechnete. Er versuchte, die Strafe Allahs durch Zahlen und Datumskombinationen, vermischt mit Hinweisen auf den Koran zu belegen. Im Koran sage die Sure 39 voraus, dass Aceh am 26.12.2004 von einem Tsunami überflutet werde. (Was nicht zutrifft). Mehr wollte der Lehrer dem Fernsehteam nicht verraten.

Eine Reporterin der New York Times (17.1.2005) hatte in Sri Lanka Stimmen eingefangen. Militante Buddhisten, die seit langem gegen christliche Singhalesen Stimmung machen und in der jüngsten Vergangenheit mehrere Kirchen abfackelten, sagten, Christen seien für den Tsunami verantwortlich. Auch einige Hindus vermuteten, dass Alkohol und Drogen am Strand, insbesondere von Ausländern, die Götter erzürnten. Der Verzehr von Fleisch an Weihnachten könne ebenfalls eine Rolle spielen.

(3.621 Anschläge, 41 Zeilen, März 2005