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Satire Öko-Tourismus

Auf der Schlemmeralm


Die "Schlemmeralm" unterscheidet sich von ähnlichen gastlichen Stätten dadurch, daß sie nicht mit dem Auto zu erreichen ist. Wer sich in der "Schlemmeralm" niederläßt, war mindestens eine Stunde im Gelände unterwegs. Im Waldgelände. Im Gebirgsgelände. Und im Almgelände eben. Denn da mittendrin steht die "Schlemmeralm". Und da stehen auch grasende Kühe und Ochsen. Rehe hat man beim Anmarsch gesehen. Wildschweine auch. Und vieles andere. Die ganze alpine Flora und Fauna halt.

Es macht das Geheimnis der "Schlemmeralm" aus, daß man durch seinen Anmarsch sozusagen ins Ambiente aufgenommen wird. Wenn man ankommt, gehört man dazu. Sowas geht mit dem Auto nicht.

Nur zu Fuß kann man sich das Gefühl verdienen, Bestandteil eines Biotops zu sein. Man geht unter schattenspendenden Eichenbäumen und ahnt Pilze um sich herum. Hasen hoppeln herbei. Und vorüber. Und voraus. So, als wollten sie einem den Weg zeigen.

Und ein munteres Bächlein kommt einem entgegen. Man freut sich. Am meisten aber freut man sich über die Wegweiser "Schlemmeralm". Im Abstand von jeweils einer Viertelstunde stehen sie da.

Und plötzlich ist man am Ziel. An der "Schlemmeralm". Man haut der Begrüßungskuh kollegial mit der flachen Hand auf den Rücken und betritt den Gastraum. Herrlich, die karierte Tischwäsche. Turmglockengeläut kennzeichnet die Mittagsstunde. Dem Ort gemäß gekleidetes, freundliches Personal macht seine Aufwartung. Man ist da!

Der vielgerühmte Augenblick, von dem Freunde mit strahlenden Pupillen berichtet hatten: Man ist auf der "Schlemmeralm"!

"Frische Alpenmilch" zuerst zur Kräftigung.

Dann "Carpaccio vom Reh im Edelweißrand". Als Hauptgericht "Wildschweingulasch mit frischen Steinpilzen". Dazu "Bergkartoffeln" und "Gletschersalat". Alles frisch, versteht sich, man ist ja im Gelände.

Einen "Eichenschnaps" nach jedem Gang. Und das Bier heißt "Jägerschluck", versteht sich.

Ein runder Genuß, den man sich ja redlich verdient hat, durch den mehr als einstündigen Fußmarsch. Mit dem Auto geht so ein Eintauchen in das natürliche Ambiente nicht. Natürlich nicht.

Nur einer fährt mit dem Auto zur "Schlemmeralm". Der Wirt. Täglich frisch kommt er vom Großmarkt. Mit der Milch und dem Fleisch und dem Salat. Und den frischen Steinpilzen aus Südafrika.

Den "Edelweißrand" und den Namen "Schlemmeralm" hat Karl Tiefengraber frei erfunden. Ähnlichkeiten mit der Wirklichkeit vermag er aber nicht auszuschließen.

Franz Xaver Wagner

(2.472 Anschläge / 42 Zeilen, Oktober 2000)