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Roundtable Menschenrechte im Tourismus

Plattform und Impulsgeber für die Umsetzung unternehmerischer Verantwortung


Nichtregierungsorganisationen und Reiseveranstalter im deutschsprachigen Raum haben sich zum "Roundtable Menschenrechte im Tourismus" zusammengetan, um Konzepte zu entwickeln, wie Unternehmen im Tourismus ihre Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte erfüllen können. Die Mitglieder wollen praktische Erfahrungen sammeln, diese austauschen und menschenrechtliche Sorgfalt zum Standard der Tourismuswirtschaft machen.

Aufbauend auf den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den konkreten Erfahrungen aus der Veranstalter-Praxis ist ein Managementkonzept zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht für die Menschenrechte entwickelt worden. Ergänzt wird es durch das "Commitment für Menschenrechte im Tourismus", eine Selbstverpflichtung, mit der sich Reiseveranstalter öffentlich zu ihrer Verantwortung bekennen, sowie durch einen Umsetzungsleitfaden und ein praxisnahes Fortbildungstool. Auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) im März 2014 in Berlin werden diese Materialien erstmals der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt.

Zusammenarbeit hilft

Menschenrechte im Tourismus sind kein neues Thema. Seit langem kritisieren Nichtregierungsorganisationen (NGOs), dass es im Namen des Tourismus immer wieder zu Verstößen kommt. In der Studie "Alles was Recht ist – Menschenrechte im Tourismus" wurden 2011 die Beobachtungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammengetragen und anhand des internationalen Menschenrechtsrahmens systematisiert. Tourism Watch hat gemeinsam mit dem Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung und anderen Organisationen daraus konkrete Forderungen und Empfehlungen an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft abgeleitet.

Die beiden Reiseveranstalter Kuoni und Studiosus gingen als erste die Herausforderungen an und entwickelten eine Menschenrechtspolicy, die sie schrittweise in den Unternehmen umsetzen. Vor eineinhalb Jahren haben sich dann Vertreterinnen und Vertreter von NGOs und den beiden Reiseveranstaltern zusammengesetzt und den "Roundtable Menschenrechte im Tourismus" ins Leben gerufen.

"Die universell geltenden Menschenrechte bilden den Rahmen für eine sozial verantwortliche und nachhaltige Tourismusentwicklung", so Peter-Mario Kubsch von Studiosus. "Für uns war es daher von Beginn an wichtig, dass der Roundtable eine offene und multinationale Plattform für die unterschiedlichen Akteure im Tourismus ist. Nur gemeinsame Initiativen auf internationaler Ebene versprechen Erfolg und die gerade bei diesem Thema wichtige Wettbewerbsneutralität."

Die Initiative stieß bei Verantwortlichen aus Tourismus und Politik auf großes Interesse. Fünf weitere Reiseveranstalter sowie der Dachverband "Forum anders reisen e.V." sind mittlerweile Mitglieder des Roundtables geworden und setzen sich aktiv für die Achtung der Menschenrechte ein. Die großen Reise(büro)-verbände aus Deutschland, der Schweiz und Großbritannien nehmen an den Diskussionen des Runden Tisches als Gäste teil. Auch die relevanten Ministerien haben Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet.

Die beteiligten Reiseveranstalter, die selbst das "Commitment für Menschenrechte im Tourismus" unterzeichnet haben, sind sich einig: Menschenrechtliche Verantwortung setzt aktives Handeln im eigenen Unternehmen voraus. Aber Vieles kann nur gemeinschaftlich gestemmt werden.

Petra Thomas, Produktleiterin von "a&e erlebnis:reisen" und Vorstandsvorsitzende des Forums anders reisen sagt: "Es ist ganz klar, dass wir als Veranstalter für die Umsetzung menschenrechtlicher Strategien im eigenen Unternehmen und die Zusammenarbeit mit unseren Vertragspartnern verantwortlich sind." Aber auch Kooperationen zwischen Unternehmen können gestärkt werden. "Beispielsweise bei der Erhebung der Menschenrechtssituation in den Urlaubsländern oder der Entwicklung von Beschwerdemechanismen müssen wir schauen, dass wir unternehmensübergreifend zusammenarbeiten, Informationen austauschen und gemeinsame Standards setzen", so Thomas weiter.

Menschenrechtliche Verantwortung lohnt sich

Sei es durch aufmerksame Kundschaft, Investoren oder kritische Medien – Unternehmen sehen sich immer öfter mit der Frage konfrontiert, wie sie in ihrer Geschäftstätigkeit den Schutz der Menschenrechte sicherstellen. Doch es sind nicht nur äußere Faktoren, die Unternehmen bewegen, menschenrechtliche Strategien konsequent im Unternehmen umzusetzen. Matthias Leisinger von Kuoni betont, dass sich für Unternehmen durchaus auch konkrete Vorteile bieten: "Wenn Mitarbeitende in unserem Unternehmen oder in einem Hotel fair behandelt werden, ist die Qualität des Services und damit auch die Kundenzufriedenheit höher."

Damit der wirtschaftliche Nutzen wirklich zum Tragen kommt, sind ein branchenweites Vorgehen und die Unterstützung auch durch staatliche und nicht-staatliche Institutionen in den Herkunfts- und Zielländern der Touristen nötig. "Es muss verhindert werden, dass Unternehmen im Wettbewerb im Vorteil sind, die bewusst Menschenrechtsverletzungen in Kauf nehmen", so Miriam Schaper von der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, einem Gründungsmitglied des Roundtables.

Die ersten Schritte

In der Reisewirtschaft stellt sich für viele Unternehmen nicht mehr die Frage, ob, sondern wie sie mit ihrer menschenrechtlichen Verantwortung umgehen. Der erste Schritt ist oft nicht so groß, wie vorher gedacht. "Es ist keinesfalls so, dass wir von Null anfangen müssen", sagt Thomas Bohlander von Gebeco. "Der Menschenrechtsrahmen systematisiert das, was wir bereits im Rahmen unseres CSR-Engagements angestoßen haben und entwickelt es weiter." Diese Einschätzung wird von den Veranstaltern "One world – Reisen mit Sinnen" und Viventura geteilt, die sich ebenfalls vor einem halben Jahr öffentlich zu ihrer Verantwortung bekannt haben und nun menschenrechtliche Sorgfalt in ihren Unternehmen einführen. Elke Schnaus von Hauser Exkursionen gibt ein konkretes Beispiel. "Als Wanderreisen-Spezialist haben wir uns schon vor 40 Jahren um die Ausrüstung der Träger z.B. in Nepal und Peru gekümmert. Im Rahmen der Systematisierung unserer Menschenrechtspolitik haben wir diese Verantwortung in einer für alle unsere Agenturen weltweit geltenden "porters policy" verankert. Dieses Wissen stellen wir gerne auch anderen Tourismusunternehmen zur Verfügung und erarbeiten gemeinsam weitere Standards."

Der Austausch ist immens wichtig und die Vertiefung praktischer Erfahrungen eine deutliche Priorität des Roundtables für die nächsten Jahre.

Drei Instrumente zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien

Der Roundtable hat ein "Commitment" entworfen, welches das Engagement und die damit verbundenen Handlungsfelder der Reiseveranstalter absteckt – mit dem Ziel, ein branchenweites Vorgehen voranzubringen. Mit dem vereinten Know-how aller Mitglieder des Runden Tischs wurde zusätzlich ein griffiger Management-Leitfaden erarbeitet, der mit anschaulichen Beispielen und einfachen Checklisten die Umsetzung der Selbstverpflichtung im Betrieb praktikabel macht. Ergänzend wurde ein Online-Training entwickelt, das für Schulungen in den Unternehmen herangezogen werden kann. Der Umsetzungsleitfaden und das Online-Training stehen kostenfrei zur Verfügung. Dass die Materialien – noch mit Ausnahme des Online-Trainings – nun in englischer Sprache vorliegen, ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die Initiative im transnationalen Tourismusgeschäft zu verbreiten. Gemäß dem Menschenrechtsexperten Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, stellt die Initiative ein wegweisendes Vorgehen für die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte dar. Durch praxisorientierte Hilfestellungen kann die Umsetzung ganz konkret angegangen werden.

Auch die Politik ist gefragt

Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte regeln nicht nur die unternehmerische Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte, sondern auch die Pflichten der Staaten zur Verwirklichung der Menschenrechte im Kontext wirtschaftlicher Entwicklung. "Insbesondere vor Ort müssen lokale Strukturen gestärkt werden, um Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen. Gesetze zum Schutz der Menschenwürde müssen geschaffen und effektiv umgesetzt werden", fordert Andreas Zotz von der Naturfreunde Internationale in Wien. Und auch in den touristischen Herkunftsländern, wo viele Reiseveranstalter ihren Geschäftssitz haben, müssen Regeln geschaffen und umgesetzt werden. "Rechte für Menschen, Regeln für Unternehmen!" fordern zivilgesellschaftliche Gruppen in ganz Europa.

Die Deutsche Bundesregierung und die meisten anderen europäischen Regierungen, haben es bisher versäumt, nationale Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien zu entwickeln. "Die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfalt aber darf nicht dauerhaft Teil der freiwilligen Unternehmensverantwortung bleiben, sondern muss Bedingung für unternehmerisches Tun werden", so die Forderung von Tourism Watch – Brot für die Welt. Christine Plüss vom Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung in Basel ergänzt: "Die Erfahrung des Roundtables zeigt, wie engagierte Reiseveranstalter ihre menschenrechtliche Sorgfalt effektiv wahrnehmen können. Sie macht aber auch deutlich, wo staatliche Leitplanken nötig sind. Klare Vorgaben zu Schutzpflicht, Compliance und Berichterstattung sowie für Beschwerdeverfahren schaffen die Voraussetzung dafür, dass alle Unternehmen sozusagen mit gleich langen Spießen zu Werke gehen, die Zusammenarbeit suchen und dass die Achtung der Menschenrechte wirklich zum Standard wird."

"Wir wollen uns auf den Weg begeben" war einst das Fazit des ersten Fachgesprächs zu Menschenrechten im Tourismus, das im Februar 2013 mit breiter Beteiligung der Tourismuswirtschaft stattgefunden hat (siehe "Menschenrechte konkret" in TW 70, März 2013). Nun ist es an der Zeit, gemeinsam voranzugehen.

Der Roundtable Menschenrechte im Tourismus ist eine Multistakeholder-Initiative und versteht sich als offene Plattform. Die Teilnahme steht allen institutionalisierten Akteuren, die sich mit den Grundsätzen des Roundtables identifizieren, offen. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist die Unterzeichnung des "Commitment zu Menschenrechten im Tourismus" (siehe Anhang). Mitglieder sind derzeit: a&e erlebnis:reisen, Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung, Deutsches Global Compact Netzwerk, Forum anders reisen e.V., Gebeco, Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, Hauser Exkursionen, Kate – Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung, Kuoni, One World – Reisen mit Sinnen, Naturfreunde Internationale, Studiosus, TourCert, Brot für die Welt – Tourism Watch und Viventura.

Download der genannten Materialien: www.menschenrechte-im-tourismus.net

(9.776 Zeichen, März 2014)