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Naturschutz und Tourismus auf Kosten der Buschleute

Gewaltsame Umsiedlungen in Botswana


Inmitten von Botswana liegt das Zentral-Kalahari-Wildschutzreservat (Central Kalahari Game Reserve - CKGR). Es wurde 1961 gegründet, um Botswanas indigener Bevölkerung sowie dort lebenden Wildtieren eine Heimat zu bieten. Seit Mitte der 1990er Jahre versuchte Botswanas Regierung jedoch wiederholt, die indigene Bevölkerung von dem Land ihrer Vorfahren im Wildschutzreservat zu vertreiben. Anstelle der ersten Bewohner ziehen Tourismus und Diamantenförderung ein.

Insgesamt lebten einmal mehr als 5.000 Mitglieder von Botswanas indigener Bevölkerung in diesem Gebiet. Sie gehörten zu den letzten als Jäger und Sammler lebenden indigenen Gemeinschaften im südlichen Afrika. Die halb-nomadischen Gruppen sind heute gemeinschaftlich zum Großteil als "San", "Basarwa" oder "Buschleute" bekannt. Bei Räumungen 1997, 2002 und zuletzt 2005 wurde jedoch fast die gesamte indigene Bevölkerung aus dem Reservat vertrieben. Ihre Häuser wurden zerstört, die Schule und das Gesundheitszentrum geschlossen, ihre Wasserversorgung gekappt, die Menschen bedroht und in Umsiedlungslager außerhalb des Wildschutzreservats abtransportiert.

Die Regierung gab für die gewaltsame Umsiedlung unterschiedliche Gründe an, die von der "Entwicklung" der Buschleute bis hin zum vermeintlichen Schutz der Wildtiere in dem Reservat reichten. Es gibt aber viele Hinweise darauf, dass wirtschaftliche Interessen an dem Reservat ausschlaggebend waren.

Oberstes Gericht bestätigt Recht auf Land

Nachdem Verhandlungen mit der Regierung immer wieder scheiterten, klagten die Buschleute vor dem obersten Gericht des Landes. In einem Prozess der zum teuersten und längsten in der Geschichte Botswanas werden sollte, wurde den Indigenen 2006 das Recht zugesprochen, auf ihr angestammtes Land zurückzukehren.

Dennoch hat die Regierung bisher wenig getan, um das Urteil umzusetzen. Seit dem Richterspruch von 2006 wurde keine einzige Jagdlizenz an die Buschleute vergeben, womit das Jagen für sie weiterhin illegal bleibt. Der oberste Gerichtshof hatte eine solche Verweigerung als gesetzeswidrig bezeichnet. Zudem hat sich die Regierung geweigert den bei den Vertreibungen versiegelten Brunnen wieder in Betrieb zu nehmen oder den Buschleuten zu erlauben, ihn auf eigene Kosten in Stand zu setzen. Ohne diese Nahrungs- und Trinkwasserquellen ist das Leben für die Buschleute auf ihrem angestammten Land fast unmöglich.

In der Zwischenzeit haben die Behörden bereits andere Verwendung für das Wildschutzreservat gefunden: Nebst geplanter Förderung von Diamanten soll der Tourismus gefördert werden. Dies beinhaltet auch Jagdlizenzen für Touristen und Brunnen zum Anlocken von Wildtieren.

Der Kontrast zum Umgang mit der indigenen Bevölkerung ist offensichtlich. Angesichts der harschen Behandlung im Reservat leben die Buschleute größtenteils weiter ohne Beschäftigung in den Umsiedlungslagern. Viele von ihnen leiden unter Alkoholismus und Depressionen. Touristen, die Safaris und Urlaubsaufenthalte im CKGR in Betracht ziehen, sollten wissen, dass dessen Bewohner unter Zwang und mit katastrophalen Folgen vertrieben wurden. Dabei ist dieses Wildschutzreservat kein Einzelfall. Aus vielen beliebten Naturschutzgebieten und Safariparks wurden die indigenen Gemeinschaften vertrieben, häufig unter dem Vorwand des Naturschutzes.

Lebensbedrohlicher Wassermangel

Im Fall der indigenen Buschleute in Botswana wirft auch das Projekt eines privaten Reiseanbieters Fragen auf. "Wilderness Safaris", welches sich selbst als verantwortungsbewusstes Ökotourismus- und Naturschutzunternehmen beschreibt, hat 2009 die Luxus-Lodge "Kalahari Plains Camp" mit Swimmingpool auf dem Land der Buschleute eröffnet. Bedenklich ist dies nicht nur wegen des von den Vereinten Nationen als "lebensbedrohlich" beschriebenen Wassermangels im Reservat, unter dem die verbliebenen Gemeinschaften gleichzeitig zu leiden haben. Auch kollidieren die Aktivitäten von "Wilderness Safaris" unvermeidlich mit dem vom obersten Gericht 2006 festgestellten "gewohnheitsrechtlichen" Anspruch der Buschleute, auf ihrem gesamten Land jagen und sammeln zu dürfen: Wie sollen sie dies in einem Gebiet tun, das für eine Lodge, Safaris oder Anfahrtswege reserviert ist?

Der Bau der Lodge auf dem Land der Buschleute hätte daher nicht ohne deren freiwil­lige und in Kenntnis der Sachlage erteilte vorherige Zustimmung stattfinden dürfen. Dies schreibt auch die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte indigener Völker vor, die von Botswana mitgetragen wird. Es kam aber weder zu einer solchen Zustimmung durch die Indigenen, noch wurden sie zu dem kommerziellen Projekt auf ihrem Land überhaupt befragt.

"Wilderness Safaris", das mit ethischen Grundüberzeugungen um Kunden wirbt, berief sich darauf, die Vorgaben der Regierung erfüllt zu haben - einer Regierung, die erst vor wenigen Wochen in einem erneuten Verfahren der "erniedrigenden Behandlung" der Buschleute für schuldig befunden wurde. Für wirklich verantwortungsvolle Tourismusunternehmen genügt es sicher nicht, ihr Handeln mit dem Verweis auf Regierungen zu rechtfertigen, die selbst die Menschenrechte verletzen.

Wie die Situation der Buschleute sich weiter entwickelt, wird auch maßgeblich von der Umsetzung des neuen Urteils abhängen, das die Argumente der Regierung erneut widerlegt. Uneingeschränkt gilt jedoch, dass auch die Entscheidung von Touristen für oder gegen ein bestimmtes Reiseziel Einfluss darauf haben wird, wie die indigenen Gemeinschaften in Botswana und andernorts behandelt werden.

Linda Poppe ist Leiterin des deutschen Büros von Survival International in Berlin.

(5.664 Anschläge, 77 Zeilen, März 2011)