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Macht, Armut und die globale Wasserkrise

Bericht über die menschliche Entwicklung (HDR) 2006


Die globale Wasserkrise kostet jährlich fast zwei Millionen Kindern das Leben. Weltweit haben 1,1 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser und 2,6 Milliar­den keinen Zugang zu Sanitärversorgung, heißt es im neuen Bericht über die mensch­liche Entwicklung (HDR) des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP).

Doch die Formulierung „kein Zugang zu…“ sei eine Beschönigung für große Entbeh­rungen, betont Kevin Watkins, Hauptautor des Berichts. „Kein Zugang zu sauberem Wasser“ bedeute, dass Menschen mehr als einen Kilometer von der nächsten sicheren Wasserquelle entfernt leben und ihr Wasser aus Be- oder Entwässerungsgräben oder Fließgewässern holen, die mit Krankheitserregern verseucht sind. In einem beliebten Reiseland wie Kenia bedeutet „kein Zugang zu Sanitärversorgung“, dass in Slums wie Kibera außerhalb von Nairobi die Menschen in Plastiktüten – so genannten „fliegenden Toiletten” – ihre Notdurft verrichten und sie dann an den Straßenrand werfen, weil sie keine andere Wahl haben.

Je ärmer Menschen sind, desto mehr zahlen sie für sauberes Wasser. Während es sich Touristen in Ländern mit unsicherer Wasserversorgung leisten können, ihr Trink­wasser in Flaschen zu kaufen, machen die Wasserausgaben der Armen einen hohen Anteil ihres ohnehin geringen Einkommens aus. So zahlen die Bewohner städtischer Elendsviertel in der Regel fünf- bis zehnmal mehr pro Liter Wasser, als die Menschen in einer wohlhabenderen Gegend derselben Stadt. Und Menschen in den ärmsten Bezirken von Accra oder Manila zahlen mehr, als zum Beispiel die Einwohner von New York, Paris oder London.

Der UN-Bericht skizziert auch die Folgen des Klimawandels, durch den arme Klein­bauern, Viehhirten und Tagelöhner in der Landwirtschaft mit einer Wasserkrise konfrontiert sind, die katastrophale Folgen haben kann. Im Jahr 2025 könnten mehr als drei Milliarden Menschen in Ländern mit Wasserknappheit leben. Der Konkurrenzkampf um knappe Wasserressourcen nimmt weiter zu. Oft graben die Mächtigen den Schwächeren buchstäblich das Wasser ab. Der zunehmende Wasserbedarf der städti­schen Ballungsgebiete und der Industrie geht zu Lasten der Landwirtschaft. In der Landwirtschaft setzen sich diejenigen mit dem besten Zugang zu Wasser und effizien­ten Bewässerungsmethoden durch. Arme Kleinbauern haben das Nachsehen und können ihren Nahrungsmittelbedarf kaum noch decken.

Die Autoren des Berichtes drängen deshalb auf eine gezieltere Unterstützung der Armen, z.B. zur Anpassung an den Klimawandel, und auf die Durchsetzung des Menschenrechts auf Wasser, das 20 Liter sauberes Trinkwasser pro Person pro Tag vorsieht. Der Bericht macht nicht nur die Dimensionen der Wasserkrise deutlich, sondern betont auch Fragen der Ungleichverteilung – sowohl zwischen Ländern als auch innerhalb von Staatsgrenzen. Um die Krise in den Griff zu bekommen und die Verteilungsgerechtigkeit zu erhöhen, fordern die Autoren einen globalen Aktionsplan, an dem sich die G-8-Staaten aktiv beteiligen, um politische Unterstützung und Mittel für eine bessere Wasser- und Sanitärversorgung zu mobilisieren.

Bericht über die menschliche Entwicklung 2006. Nicht nur eine Frage der Knappheit: Macht, Armut und die globale Wasserkrise. Hg. der deutschen Ausgabe: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), Berlin, 2006. ISBN 3-923904-63-0.

(3.322 Anschläge, 43 Zeilen, Dezember 2006)