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Kreuzfahrttourismus in der Karibik

Erfahrungen und Einsichten


Als im Mai 2016 die ‘Fathom Adonia’ des Kreuzfahrtkonzerns Carnival in Havanna anlegte, war Kuba offiziell der letzte verbliebene Karibik-Staat, den es noch in das riesige Kreuzfahrt-Netz der Region zu integrieren galt. Die moderne Kreuzfahrtindustrie in der Karibik entwickelte sich in den 1960er Jahren, als Carnival, Royal Caribbean und Norwegian ihre ersten Büros in Florida eröffneten. Heute beherrschen diese drei Konzerne 90 Prozent des Kreuzfahrtmarktes der USA.

Kreuzfahrten sind der lukrativste Bereich der Tourismuswirtschaft, mit Erlösen von 40 Milliarden US-Dollar (2015) und einer prognostizierten Verdoppelung der Gewinne von 2008 bis 2018. Ein halbes Jahrhundert lang war Kuba, der größte und vielfältigste Inselstaat der Karibik, durch das Embargo der USA effektiv ausgeschlossen. Doch das änderte sich 2014. Die politischen Schritte zur Normalisierung der amerikanisch-kubanischen Beziehungen führten zu einem regelrechten Tourismus-“Tsunami”. Laut Statistiken der kubanischen Regierung schossen die Kreuzfahrer-Zahlen in die Höhe: von 8.085 Kreuzfahrtpassagieren im Jahr 2014 auf 437.429 im Jahr 2017 – auf das 54-fachein einem Zeitraum von nur vier Jahren.

Kreuzfahrtschiffe – ein Erfolgsmodell

Weltweit haben sich die Passagierzahlen von 1970 bis 2016 mehr als vervierzigfacht. Das phänomenale Wachstum des modernen Kreuzfahrttourismus stützt sich auf eine Kombination einmaliger Faktoren: Schiffe sind beweglich. Sie lassen sich aus Problemregionen abziehen und in lukrativere Märkte verlagern. Es werden immer mehr und immer größere Schiffe gebaut und auch die Anzahl der Häfen hat zugenommen. Für Kreuzfahrten gibt es einen loyalen Kundenstamm, denn sie gelten als erschwinglich sowiesicher und es gibt Angebote für alle Altersgruppen. Die Preise für Kreuzfahrten werden so angepasst, dass die Schiffe mit fast vollständiger Auslastung fahren.

Neuere und größere Schiffe sind selbst zu eigenen Destinationen geworden. Mit Unterhaltung und Attraktionen erwirtschaften die Kreuzfahrtgesellschaften geschätzte 25 bis 35 Prozent ihrer Gewinne, davon mehr als die Hälfte mit Glücksspiel und Spirituosen. Landgänge erscheinen so weniger attraktiv. Dadurch entsteht “eine starke Rivalität zwischen den Kreuzfahrtschiffen und den Zielgebieten an Land”, wie es in einem Bericht der Welttourismusorganisation (UNWTO) heißt.

Die meisten Landausflüge buchen die Passagiere an Bord des Schiffes. Die Preise enthalten deftige Provisionen von bis zu hundert Prozent, die an die Kreuzfahrtgesellschaft fließen. In der Saison 2014/2015 gingen den lokalen Reiseanbietern und Destinationen in der Karibik etwa 50 Prozent der Passagier-Ausgaben für Landausflüge verloren, während die Unternehmen geschätzte 273 Millionen US-Dollar an Provisionen kassierten. Ebenso zahlen Geschäfte und Restaurants an Land an die Kreuzfahrtunternehmen, von denen sie an Bord beworben werden. Auch hier betragen die Provisionen bis zu hundert Prozent. Zwar sind Landausflüge der beliebteste Ausgabenfaktor, doch das meiste Geld geben die Kreuzfahrer für zollfreie Waren wie Uhren und Schmuck aus. Die Kreuzfahrtgesellschaften kassieren auch hier Provisionen, obwohl keine Steuern erhoben werden und von diesem Geld kaum etwas in den Zielgebieten verbleibt.

Kaum Einkommen vor Ort

Kreuzfahrtgesellschaften verhandeln die Kooperationsbedingungen einzeln mit den Häfen. Die Angst ausgeschlossen zu werden führt oft dazu, dass Destinationen niedrigere Steuern und Gebühren akzeptieren. Kreuzfahrtgesellschaften entrichten zum Beispiel für jeden Passagier, der sich an Bord eines ankommenden Schiffes befindet, Kopf- oder Passagier-Steuern an die Häfen oder an die kommunale Verwaltung. Die Steuern variieren stark, von nur einem US-Dollar pro Passagier in der Dominikanischen Republik über 15 US-Dollar in Jamaika bis zu 60 US-Dollar auf den Bermudas. Der Durchschnitt in der Karibik liegt bei 8,92 US-Dollar.

Die karibische Tourismusorganisation (CTO) schätzt, dass Anfang der 2000er Jahre jeder Kreuzfahrtpassagier im Durchschnitt 17 US-Dollar Steuern pro Besuch einbrachte (neun US-Dollar Kopfsteuer plus etwa acht US-Dollar Verkaufssteuer), jeder Übernachtungsgast dagegen 133 US-Dollar.

Umweltprobleme

Der Kreuzfahrttourismus bringt nicht nur wirtschaftlich relativ wenig für die Destinationen, er verursacht auch Umweltprobleme auf dem Meer und in den Häfen. Siebzig Prozent der Kreuzfahrten finden in‘Hotspots’ mit großer biologischer Vielfalt statt und ein Monitoring der ökologischen Auswirkungen ist offenkundig schwierig. Außerdem trägt der Kreuzfahrttourismus zum Klimawandel bei – und hat zugleich darunter zu leiden. Die Kreuzfahrtindustrie stößt Treibhausgase aus und entsorgt Müll und Abwässer ins Meer. Nach Datender Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) trägt die Schifffahrt (Kreuzfahrt- und Frachtschiffe) etwa 2,4 Prozent zu den vom Menschen verursachten Treibhausgasen bei. Im Vergleich mit dem Flugverkehr schreibt der britische Wissenschaftsautor Fred Pearce: „Schiffe tragen genauso viel zur Erderwärmung bei wie Flugzeuge – doch die Umweltschützer widmen ihnen bislang sehr viel weniger Aufmerksamkeit“.

Zunehmende Wirbelsturmrisiken

Gleichzeitig sind Kreuzfahrtschiffe mit der Infrastruktur ihrer Anlegestellen bei immer stärkeren Stürmen und steigenden Meeresspiegeln besonders anfällig, denn diese Infrastruktur konzentriert sich entlang niedrig gelegener Küsten und Küstengewässer. Im Sommer 2017 hinterließen zwei der schlimmsten je erfassten Wirbelstürme, Irma und Maria, eine Spur der Verwüstung in der östlichen Karibik. Zwei der beliebtesten Kreuzfahrthäfen der Region auf St. Thomas und St. Maarten wurden geschlossen. Die schlimmen Stürme richteten auch in den Hafenanlagen von Puerto Rico sowie in Häfen in Florida, auf den Jungferninseln, Barbuda und Dominicaschwere Schäden an.

In Folge der Wirbelstürme Irma und Maria änderten viele Reedereien entweder ihre Routen oder sagten Fahrten ab, um die von den Stürmen besonders in Mitleidenschaft gezogenen Gebiete zu meiden. Angesichts zunehmender Stürme, starker Regenfälle und ungewöhnlich hoher Temperaturen in Folge des Klimawandels warnen Forscher, dass Reisende der Karibik nach und nach den Rücken kehren könnten.

Die Messlatte höher hängen

Die Karibikstaaten würden von einer koordinierten Politik für die Region profitieren, die darauf abzielt, dass der Kreuzfahrttourismus wirtschaftlich mehr bringt und der Umwelt weniger schadet. Die Zielgebiete müssen zusammenarbeiten, um Klimaschutz- und Anpassungsstrategien zu entwickeln, Nachhaltigkeitsstandards festzulegen und gemeinsam mit den Kreuzfahrtgesellschaften zu verhandeln. Statt einzeln mit jeder Kreuzfahrtgesellschaft zu feilschen, könnten Kuba und andere Länder eine gemeinsame Front bilden, um die Messlattefür alle Karibik-Destinationen höher zu legen.

Dr. Martha Honey ist Mitbegründerin und Direktorin des Center for Responsible Travel (CREST) mit Sitz in Washington DC. Im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte hat sie über Tourismus, Klimawandel und Zertifizierung geschrieben und Lehrveranstaltungen abgehalten.

Redaktionelle Bearbeitung und Übersetzung: Christina Kamp

Weitere Informationen:

Por el Mar de las Antillas: 50 Anos de Turismo de Cruceros en el Caribe. Von Martha Honey, José Luis Perolló, Jannelle Wilkins, Rafael Belancourt.E-book, auf Spanisch. Ediciones Temas, Havanna, 2018. Englische Fassung in Vorbereitung, erscheint voraussichtlich Ende 2018. www.responsibletravel.org/whatWeDo/books.php