Blog

Kleinod im Biennale-„Masala“ am Rhein

Julian Rosefeldts „Lonely Planet” lässt Klischees gegeneinander antreten


Er taucht aus der Wüste auf, setzt mit einem Boot über den Ganges und landet in Kashi, der Stadt des Lichts, der Pilgerstadt Varanasi, inmitten von Gläubigen, die an den berühmten Ghats ihr Bad im heiligen Fluss nehmen. Scheinbar völlig unbeteiligt bewegt er sich durch indische Straßenszenen, amüsiert beobachtet vom indischen Kinopublikum. Sein Weg führt durch ein modernes Callcenter, und schließlich findet er sich in einer Musikszene aus dem aktuellen Bollywood-Streifen „Rang de Basanti“ wieder.

Mit der Figur eines so fast teilnahmslos durch Indien wandelnden Rucksacktouristen lässt der in Berlin lebende Film- und Videokünstler Julian Rosefeldt verschiedene Indien-Klischees gegeneinander antreten. Seine 18minütige Filminstallation „Lonely Planet or the last laugh“ basiert auf dem Gefühl der Ohnmacht angesichts eines Landes, das als Ort voller widersprüchlicher Realitäten präsentiert wird. Sie zeigt und demontiert zugleich die gängigen Klischees, die sich um Folklore und Wunderheiler, High-Tech-Industrie und Globalisierung ranken.

Inmitten des atemberaubenden künstlerischen „Masalas“* der Indien-Biennale Ende Mai in Bonn war Rosefeldts Beitrag ein Kleinod an einem Nebenschauplatz. Für acht Tage holte die Biennale – jenseits der sonst in Deutschland üblichen Indien-Repräsentationen von klassischem Bharatnatyam bis Bollywood – zeitgenössische indische Film- und Bühnenkunst an den Rhein. Sie bot einem immer wieder begeisterten Publikum Erkundungs- und Erfahrungsmöglichkeiten, die sich an Vielfalt und Intensität mit einer Reise ins heutige Indien durchaus messen konnten.

Wer die Indien-Biennale in Bonn verpasst hat kann zumindest Julian Rosefeldts „Lonely Planet“ zusammen mit einer Ausstellung des Künstlers vom 30.05. bis 22.06.2006 in Berlin sehen, jeweils Dienstag bis Samstag von 11 bis 18 Uhr in der Galerie Arndt & Partner, Zimmerstr. 90-91, 10119 Berlin, Tel. 030 / 2 80 81 23.

* indische Gewürzmischung

(1.934 Anschläge, 26 Zeilen, Juni 2006)