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Kinder schützen bei Projektbesuchen

Kinder sind keine Touristen-Attraktion


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Bei Reisenden im Globalen Süden sind Besuche in lokalen Projekten beliebt. Egal ob in Schulen, Gemeindezentren oder bei Tanzaufführungen – immer mehr Kinder werden so selbst zur touristischen Attraktion, mit drastischen Folgen: Ausbeutung, lange Arbeitszeiten, Vernachlässigung der Schulpflicht bis hin zur Einquartierung in vermeintlichen Waisenhäusern, obwohl es noch Vater oder Mutter gibt. Doch es geht auch anders: Die folgenden Beispiele zeigen, wie mit konsequenten Richtlinien der Schutz von Kindern auch bei Projektbesuchen gelingen kann.

Das Kliptown Youth Program: Einblicke in die Lebensrealität im Township

Thulani Madondo war früher Reiseleiter und führte Tourist:innen durch die Slums von Soweto. Heute bieten er und sein Team vom Kliptown Youth Program (KYP) Bildungsangeboten, ein Tutorenprogramm und Lernmaterialien für 902 Kinder und Jugendliche aus dem verarmten Township an. Das erfolgreiche Projekt steht auch Tourist:innen offen, die das Leben in einem Township wie Soweto kennen lernen wollen. Der Reiseveranstalter Studiosus Reisen unterstützt KYP seit vielen Jahren und besucht das Projekt auch im Rahmen seiner Südafrikatouren. Damit das Programm für die teilnehmenden Kinder weiter ein sicherer Ort bleibt, hat KYP klare Regeln und Richtlinien aufgestellt. Zum Beispiel dürfen Tourist:innen während der Besuche zu keinem Zeitpunkt direkten Kontakt mit einem Kind haben. "Es wird immer jemanden aus der Gemeinde oder eine:n Projektmitarbeiter:in geben, der ein Auge auf eine stattfindende Tour durch unsere Projekträumlichkeiten hat und die Tourist:innen über die Dos und Don'ts informiert. Sie greifen auch sofort ein, wenn jemand eine Grenze überschreitet – egal ob bewusst oder unbewusst. Denn in den meisten Fällen liegt gar keine böse Absicht vor. Die Gäste sind einfach überwältigt von der Lebensrealität, die sich so stark von ihrer eigenen unterscheidet", so Madondo. Dies ist auch einer der Gründe, warum er gemeinsam mit verantwortungsvollen Reiseveranstaltern weiterhin touristische Besuche in das Kliptown Youth Program ermöglichen möchte. "Ich finde es gut, wenn Tourist:innen unser Projekt besuchen, um etwas über unsere Kultur zu erfahren. Wir möchten ihnen zeigen, wie die Menschen hier vor Ort leben und überleben. Aber wir stellen auch sicher, dass die Absicht des Besuchs klar ist. Wir wollen nicht betteln oder unsere Armut zur Schau stellen, um Geld zu bekommen. Ganz im Gegenteil - wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben, und darauf, wie hart wir arbeiten für die Chance, die Armut hinter uns zu lassen."

Kabani Community Tourism & Services: Kindesschutz ist Gemeinschaftssache

Auch Sreejith Payydakath ist stolz auf seine Gemeinde und bietet Reisenden als Geschäftsführer des Unternehmens Kabani Community Tourism & Services authentische Aufenthalte in Homestays oder von der Gemeinde bewirtschafteten Ferienunterkünften im südindischen Kerala an. Von den Besuchen profitieren die Gäste, aber auch die Gemeinschaften, die mit dem Tourismus ein Zusatzeinkommen erwirtschaften können. Das Konzept des gemeindebasierten Tourismus bietet jedoch auch Gelegenheiten für Sexualstraftäter:innen, Kindern und ihren Familien nahe zu kommen und sich ihr Vertrauen zu erschleichen. Deshalb ist Payydakath besonders wichtig, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner der Dörfer sensibilisiert sind. Das ist nicht einfach, denn Gewalt und sexuelle Ausbeutung von Kindern ist noch immer ein großes Tabu. Kabani Community Tourism & Services hat deshalb als erste gemeindebasierte Tourismusinitiative den internationalen Kindesschutzkodex The Code unterzeichnet: “Der Tourismus hat in den letzten 30 Jahren wirklich viel zur wirtschaftlichen Entwicklung Keralas beigetragen. Doch es gibt auch Schattenseiten. Dazu gehören die Auswirkungen des Tourismus auf unsere Kinder. Wir haben eine Studie durchgeführt und herausgefunden, dass 25 Prozent der Kinder in unserer Region auf die ein oder andere Weise ausgebeutet werden. Das war für uns Grund genug dem etwas entgegenzusetzen – mit einem gemeindebasierten Ansatz und der Verpflichtung zu mehr Kindesschutz durch die Unterzeichnung von The Code“, so Sreejith Payyadakath. Nach der Unterzeichnung wurden nicht nur alle Mitglieder der Organisation, sondern auch die gesamte touristische Wertschöpfungskette für das Thema Kinderrechte sensibilisiert. Also nicht nur Anbieter von Homestays selbst, sondern auch Servicekräfte in Restaurants, Taxifahrer und die gesamte Gemeinde, in der Tourismusaktivitäten angeboten werden. Das Engagement von Kabani zahlt sich aus – für die Kinder vor Ort, aber auch wirtschaftlich. „Unsere Partner, vor allem in Europa, haben unser Engagement und die Unterzeichnung von The Code von Anfang an sehr begrüßt. Der systematische Ansatz, den wir gewählt haben, gibt ihnen die Sicherheit, dass bei uns Kindesschutz entlang der gesamten touristischen Wertschöpfungskette verankert ist.“

DER Touristik: Kinderrechte umfänglich achten

Nicht nur Anbieter vor Ort, sondern auch die großen Reiseveranstalter sind aufgefordert, den Schutz von Kindern weit oben auf ihre Agenda zu setzen. Wie das gehen kann, zeigt die DER Touristik. Ende 2022 soll eine umfassende Kinderschutzrichtlinie das langjährige Engagement gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Tourismus ergänzen. Damit will der Tourismusgigant seine komplette Produktpalette im Hinblick auf Kinderrechte untersuchen. „Als großes Unternehmen mit Geschäftspartnerinnen und Dienstleistern in über 170 Ländern ist es natürlich eine Mammutaufgabe, das komplette Portfolio zu scannen. Bislang haben wir daher stichpunktartig in unsere Wertschöpfungskette hineingeschaut und auch schon erste Konsequenzen für unser Angebot gezogen“, so Christian Byczek von der DER Touristik Group. Neben der bereits existierenden „Null-Toleranz-Klausel“ für Partner bei der Prävention von sexueller Ausbeutung von Kindern im Tourismus wird es künftig etwa keine Schul- und Waisenhausbesuche mehr in den Portfolien der DER Touristik Partner geben. „Es hat uns überrascht, dass ein Fünftel der befragten Unternehmen immer noch Schulbesuche als Bestandteil ihres Angebots ausgewiesen hat. Auch wenn diese Angebote nur einen verschwindend kleinen Anteil ausmachen, zeigt dies, dass die Aufklärungsarbeit über Kinderrechte noch lange nicht abgeschlossen ist.“ Für andere Produkte, etwa den Besuch sozialer Projekte und Homestays, sollen die Risiken minimiert werden: „Wir wollen ein niederschwelliges Schulungsangebot für Anbieter und auch die Reiseleitung schaffen. Sie sollen erste Informationen und konkrete Anforderungen zum Thema Kinderrechte ganz einfach über eine Online-Kurzschulung erhalten – zum Beispiel über das Smartphone. Dazu gehört auch ein Lernquiz, das bestimmte Regeln abfragt. Zum Beispiel die Regel, dass Gäste von Homestays ein eigenes Zimmer haben müssen, dass ein Vier-Augen-Prinzip bei Begegnungen mit Kindern umgesetzt wird und Gastgeschenke nicht direkt an Kinder, sondern deren Eltern übergeben werden sollen.“ Kategorisch ausschließen will die DER Touristik Projektbesuche jedoch nicht. „Gut gemanagt können solche Angebote einen wertvollen Beitrag für die involvierten Gemeinschaften leisten“.