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Keine WTTC-Auszeichnung für Kerala

Nachhaltige Tourismusentwicklung braucht demokratischen Dialog


Als Kerala vom World Travel & Tourism Council (WTTC) Anfang dieses Jahres im Wettbewerb „Tourism for Tomorrow“ für einen Preis für das beste touristische Zielgebiet in die engere Auswahl kam, war dies für zivilgesellschaftliche Organisationen und Aktivisten in Indiens südwestlichem Bundesstaat wie ein Schlag ins Gesicht. Seit über einem Jahrzehnt ist die Tourismusentwicklung in Kerala umstritten. Umweltschutzgesetze, wie die Rechtsprechung zum Küstenschutz, wurden mit dem Bau touristischer Anlagen immer wieder gebrochen.

Bei vielen großen Tourismusprojekten wurde keine Rücksicht auf die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Rechte und die Lebensgrundlage der ansässigen Bevölkerung genommen. Die Verdrängung von Einheimischen ohne angemessene Entschädigung ist ein zentrales Problem, das durch die mangelnde Sensibilität und Abgestumpftheit der staatlichen Bürokratie noch verschärft wird. Die Tourismuspolitik ließ die Forderungen zivilgesellschaftlicher Organisationen nach mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht unberücksichtigt. Auf Veranlassung der Tourismuswirtschaft wurden neue Gesetze verabschiedet, durch die lokale Selbstverwaltungen ihrer Kompetenzen beraubt und finanziell handlungsunfähig gemacht werden. Diese und andere Probleme sind bis heute nicht gelöst. So war es erschreckend, dass Kerala als Destination für eine Auszeichnung überhaupt in Erwägung gezogen wurde.

Nichtsdestoweniger bot die Entscheidung des WTTC, Kerala für die Auszeichnung in die engere Auswahl zu ziehen, Anlass für intensive Debatten auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Equations und Kabani starteten eine Kampagne, die bald auch bei Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftlern im Ausland auf Interesse stieß. Die Aktivisten in Kerala waren tief beunruhigt über die Tatsache, dass der WTTC nicht sorgsam genug die Sichtweisen und Meinungen von betroffenen Bürgern eingeholt hatte. In einem offenen Brief an den WTTC wies Equations darauf hin, dass aktuelle tourismuspolitische Maßnahmen der Regierung die Demokratisierungs- und Dezentralisierungsprozesse im Bundesstaat auf einen Nebenschauplatz abdrängten. Kabani forderte den WTTC auf, Kerala nicht mit dem Preis auszuzeichnen und wies darauf hin, dass „gegenwärtige Fehlentwicklungen, mangelnde Transparenz und nicht-partizipative Tourismusprojekte auf der Grundlage einer falsch verstandenen Politik in Kerala enorme Schäden für schwache und marginalisierte Bevölkerungsgruppen und die empfindliche Umwelt zur Folge hätten.“

Während der WTTC die vorgebrachten Anliegen berücksichtigte, weigerten sich Vertreter der Bürokratie und Tourismuswirtschaft in Kerala, die Realitäten vor Ort zu verstehen, und reagierten feindselig und intolerant. Ein Teil der Medien ließ sich durch diese negative Haltung beeinflussen und versuchte, die Kampagne als gegen die Interessen des Staates gerichtet anzugreifen.

Der WTTC entschied sich schließlich dagegen, Kerala mit dem Preis auszuzeichnen. Die Kampagne war erfolgreich, denn sie hat die Notwendigkeit aufgezeigt, Alternativen zu den gegenwärtigen Modellen des Massentourismus zu entwickeln. Sie hat dazu beigetragen, den langfristigen Nutzen eines Tourismus deutlich zu machen, der die Rechte und Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung ins Zentrum der Entscheidungsfindung rückt. Sie hat auch gezeigt, dass eine Bürokratie, die für die Anliegen der Bevölkerung vor Ort kein Gespür zeigt, und dass Geschäftspraktiken, in denen es nur um wirtschaftliche Interessen geht, einer deutlichen Kurskorrektur bedürfen. Die Kampagne hat auch darauf hingewiesen, dass den Stimmen für eine ethische Politik, wie sie von zivilgesellschaftlichen Organisationen erhoben werden, Beachtung geschenkt werden muss. Dies sind Zeichen dafür, dass es einen demokratischen Dialog unter Einbeziehung der verschiedenen Interessengruppen braucht, um strittige Fragen im Tourismus zu lösen.

Dr. T.T. Sreekumar stammt aus Kerala und ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der National University of Singapore, Singapur.

Redaktionelle Bearbeitung und Übersetzung: Christina Kamp

( 4.109 Anschläge, 52 Zeilen, Juni 2006)