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Gottes Willkommen für alle

Eine feministisch-theologische Perspektive zum Tourismus


Meine lokale Tradition, Gäste und auch Fremde willkommen zu heißen, baut darauf auf, festzustellen, ob sie schon gegessen haben: "Kumain ka na ba?" ist immer die erste Frage. Sie dient dazu, sicherzustellen, dass der Gast nicht hungrig ist und dass es ihm oder ihr gut geht. In vielen indigenen Kulturen auf den Philippinen bedeutet eine gemeinsame Mahlzeit ein umfassendes Willkommen.

Die gesamte Schöpfung stelle ich mir wie ein göttliches Willkommen für alle Menschen vor und alle haben das Recht, davon zu leben. Unsere schöne Welt ist die Gastfreundschaft Gottes. Die Erde als Leib Gottes ist der ultimative Ausdruck von Gastfreundschaft. Die Menschheit erfreut sich an der Schönheit der Schöpfung und dieser Wunsch nach göttlicher Schönheit verlockt die menschliche Seele. Deshalb reisen wir zu anderen Orten als unserer Heimat und suchen neue Begegnungen. Was sehr wichtig ist: In der Schönheit von Gottes Schöpfung wird ethisches Verhalten ermöglicht, indem man eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit wachruft.

Leider ist die Einheit der Menschheit mit der Schöpfung schon eine vergessene Erinnerung. "It’s more fun in the Philippines", das Motto der staatlichen Tourismuswerbung der Philippinen, gilt nur für diejenigen, die Zeit übrig haben, weil sie Geld zur Verfügung haben. Die meisten Filipinos waren nie an den schönen Orten in den Philippinen und haben selbst ihre eigenen Inseln nie gesehen. Es gibt offensichtlich sehr viel Ungerechtigkeit im Tourismussektor, einem System, das zu weiterer Ausbeutung und Missbrauch führt, statt gemeinsame Freude und ein Gefühl von Gemeinschaft zu schaffen. Sex als Lockmittel für den Tourismus zu benutzen, wie es in verschiedenen südostasiatischen Ländern oft geschieht, ist ein moralischer Verfall der menschlichen Sexualität und ihrer Schönheit. Sextourismus heißt zu zerstören. Sextouristen haben eine räuberische Gesinnung, sie machen die Schwächsten zu Opfern.

Zum Beispiel kommen saudi-arabische Männer in Horden als Sextouristen nach Indonesien, um ‘halal’ Sex zu haben ('halal' = arabisch für ‘erlaubt’ oder ‘rechtmäßig'). Diese Männer meinen, dass sie keine religiösen Gebote verletzen, wenn sie dem Koran entsprechend zeitweise, für einen oder mehrere Tage, eine Prostituierte heiraten, so dass sie im Prinzip keinen unehelichen Sex haben. Ihrer Meinung nach sind ihre sexuellen Beziehungen mit Prostituierten unter religiösen Gesichtspunkten rechtmäßig.

Gerechte Gastfreundschaft

Gastfreundschaft muss gerecht sein. Gerechtigkeit in der Gastfreundschaft heißt auch, ehrliche Solidarität zu praktizieren, um Ausbeutung und Unterdrückung ein Ende zu machen. Wenn die Gier nach Gewinnen die Bedingungen gestaltet, nach denen Tourismus stattfindet, verzerrt das oder zerstört sogar die Möglichkeit, dass Gastgeber und Gäste “Gott im anderen sehen”. Gastfreundschaft führt zu solidarischen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Völkern, über Unterschiede und Entfernungen hinweg. Wenn wir reisen, sind Bescheidenheit und Geduld unser Reisepass – und das Bewusstsein, dass man heiligen Boden betritt.

Was heißt es, in unserer Gastfreundschaft gerecht zu sein, als Gäste wie als Gastgeber? Die Bewegung für Geschlechtergerechtigkeit ist zwar eigenständig, doch sie ist auch ein integraler Bestandteil der Transformationsbewegung der Unterdrückten und Marginalisierten. Wir sind daher gefordert, unsere traditionelle theologische Anthropologie in eine inklusive umzuwandeln, die uns sehen lässt, wie schlimm die Auswirkungen des Tourismus, insbesondere des Sextourismus sind. Wir müssen verstehen, dass in einer männlich dominierten und von Männern definierten Kultur immer der Frau die Schuld an der Verantwortungslosigkeit des Mannes gegeben wird. Dass es Prostitution gibt, sollte uns kritisch darüber nachdenken lassen, warum sie gedeiht und wie sie Opfer wie Täter ihrer Menschlichkeit beraubt. Es ist äußerst wichtig, unter Frauen ein kritisches feministisches Bewusstsein zu schaffen.

Dem Machtquotienten Aufmerksamkeit schenken

Wenn man sich vorstellt, dass die gesamte Schöpfung Gottes Tisch ist, an dem alle willkommen sind, muss die Aufmerksamkeit auf die Machtverhältnisse gelenkt werden und darauf, mehr Gleichheit bei den Zugangsmöglichkeiten zu den Geschenken der Erde zu erreichen. Für Gerechtigkeit ist die Machtfrage von zentraler Bedeutung. Gerechtigkeit in Hinblick auf richtige Beziehungen ist daher Macht-im-Verhältnis. Macht und Verantwortung darf man nicht trennen. Damit ein System oder eine Person niemanden ausbeutet, müssen Macht und Verantwortung eng miteinander verbunden sein.

Um die konkreten Ungerechtigkeiten in der Tourismuswirtschaft in der „Dritten Welt“ wahrzunehmen, müssen die Erfahrungen mit Ungerechtigkeit und Widerstand erzählt und gehört werden. Die ungehörten Stimmen sind die der Einheimischen im Tourismus. Die Frage ist: Können die Gäste hören, was die Einheimischen nicht sagen dürfen?

Mögliche Partnerschaften für Gerechtigkeit im Tourismus

Wenn wir als Christinnen und Christen in Partnerschaft mit Gott eine Welt schaffen wollen, die Leben für alle spendet, dann sind wir beauftragt, uns mit anderen zusammen zu tun, um die Welt für alle positiv zu verändern. Im Zusammenschluss könnten unsere Erkenntnisse, unser Widerstand und unser Neuaufbau Kraft und Wirkung entfalten. Falls und wenn Kirchen sich entscheiden, einen verantwortlichen Tourismus zu fördern, sollte eine auf Gerechtigkeit basierende Gastfreundschaft sein Maß und Standard sein.

Dr. Liza B. Lamis war bis vor kurzem Koordinatorin des Asian Women’s Resource Centre for Culture and Theology in Yogyakarta, Indonesien, und arbeitet weiter an verschiedenen kirchlichen Programmen mit.

Dieser Artikel ist eine gekürzte, bearbeitete Version von "God’s Welcome is for All: A Feminist Theological Perspective on Tourism" von Liza B. Lamis, erschienen in "Deconstructing Tourism: Who Benefits? A Theological Reading from the Global South". Redaktion: Caesar D’Mello, Wati Longchar, Philip Mathew. Herausgegeben vom Programme for Theology and Cultures in Asia (Tainan) und SCEPTRE (Kolkata), 2014. Bezug: wlongchar@gmail.com

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(5.455 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)