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Geraubte Kinder von Ureinwohnern und anderen Völkern

Ideologie der Rasse und des reinen Blutes


Wenn wir in andere Länder reisen, stehen Ausflüge zu Ureinwohnern oft auf unserem Programm. Nahezu unbekannt ist, dass bis in die jüngste Vergangenheit viele dieser Völker einer gnadenlosen Rassenpolitik ausgesetzt waren. Meistens unter Zwang trennte die Obrigkeit Kinder für immer von ihren Eltern, um sie in weit entfernten, überwiegend christlichen Heimschulen zu "guten, zivilisierten Bürgern" zu erziehen.

Darunter verstand man die totale Assimilierung an "weißes" Leben nach "weißen" Werten. Ziel war die Auslöschung der Urbevölkerung durch "Durchrassung" sowie die Vernichtung ihrer Sprache und Kultur. Tatsächlich zog man sich überwiegend billige Arbeitskräfte für Haushalte und die Industrie heran. In den Heimen herrschten brutale Zucht und Ordnung, viele Opfer berichten von sexuellem Missbrauch. Zurück blieben völlig entwurzelte Menschen, die ihrer "Seelen beraubt" wurden, wie sie selber sagen.

Die Traumatisierung der verschleppten Kinder war und ist ähnlich groß wie bei ehemaligen KZ-Häftlingen. Sie konnten nicht darüber sprechen. Erst seit einigen Jahren werden Einzelheiten bekannt, Film-Dokumentationen gedreht, Bücher geschrieben, Selbsthilfegruppen gegründet und Klagen gegen Regierungen erhoben. Der australische Spielfilm "Long Walk Home", der gerade in den Kinos läuft, ermöglicht einen guten Zugang zu diesem lange verdrängten Thema am Beispiel der missbrauchten Aborigines auf dem Fünften Kontinent.

"Lasst uns Abos schießen gehen!" (Ein australischer Reiseleiter 1986 zu einer deutschen Reisegruppe)

An dieser Stelle soll lediglich eine kurze Übersicht über geraubte Kinder gegeben werden, während der Beitrag "Entwurzelt" (s.u.) eine ausführlichere Schilderung enthält.

USA, Kanada

In Nordamerika wurden Hunderttausende von Indianerkindern verschleppt und in christliche Heime gesteckt. Ihre eigene "dreckige, wilde Sprache" wurde ihnen verboten. Viele wurden als lebensuntüchtige Menschen in Reservate entlassen.

In Kanada beispielsweise begann der Seelenraub 1884. Die letzten Missionsschulen wurden erst vor wenigen Jahren geschlossen. Kirchen und Regierung entschuldigten sich inzwischen bei den Opfern. Trotzdem rollt in Kanada die größte Prozesslawine in der Geschichte des Landes, da rund 10.000 "First Nations" klagen.

Im März 2003 einigten sich beispielsweise die Opfer der westlichen Arktis Kanadas mit der anglikanischen Kirche und der kanadischen Bundesregierung über eine finanzielle Entschädigung. Die Diözese "Arktis" umfasst die drei Territorien Nunavut, Nunavik und Nordwest-Territorien.

Australien, Großbritannien

In Australien wurden zwischen 1910 und 1971 rund 100.000 Aborigine-Kinder zwangsweise in Internate gesteckt. Erst Mitte der 90er Jahre wurde das ganze Ausmaß der "Stolen generation" durch den Bericht "Bringing them home" bekannt. Er schlug ein wie eine Bombe. Die Regierung verweigert bis heute eine Entschuldigung.

Das Staatsoberhaupt Australiens ist noch immer Königin Elisabeth.

"Wir trafen einige Aboriginees, die Ureinwohner Australiens. Ich habe in der Nähe von Düsseldorf einmal die Statue des Neandertalers gesehen. Ihm kommen sie wohl am nächsten. Das äußere Erscheinungsbild gleicht eher dem eines Gorillas als dem eines Menschen. Kontakt zu ihnen aufzunehmen ist möglich. Allerdings fällt es schwer, etwas über ihren Charakter oder ihre Intelligenz herauszufinden." (Pressemitteilung über Australienreisen, Campertours Worldwide, Moers, 1986)

Großbritannien exportierte zwischen 1945 und 1967 ohne Wissen ihrer Eltern rund 3500 Kinder nach Australien, um den "weißen Genpool" zu stärken, wie ein Opfer bitter anmerkte. In Australien kamen sie in Heime der anglikanischen Kirche, die ihnen bei der Ankunft alles abnahm, was sie an zuhause hätte erinnern können, selbst die Socken. Mit 16 wurden sie identitätslos und angeblich elternlos auf Farmen abgeschoben. Seit 17 Jahren laufen Kampagnen der "Child Migrants" in Australien und England. Einige konnten ihre Familien wiederfinden.

Israel

Israel nahm jemenitischen Juden, die Ende der 40er Jahre eingewandert waren, etwa 4.500 Kinder weg und gab sie heimlich und unrechtmäßig zur Adoption frei. Die Archive darüber sind noch geschlossen.

Schweiz, Österreich

In der Schweiz wurden zwischen 1926 und 1973 rund 3000 Kinder der "Zigeuner" und der Jenischen (ein anderes "Landfahrer"-Volk) gewaltsam von ihren Eltern getrennt. Sie wurden unter Vormundschaft gestellt und in Internate gesteckt, um sie zur Sesshaftigkeit zu zwingen. Das "Hilfswerk für die Kinder der Landstraße" der Organisation "Pro Juventute" verwehrte ihnen den Kontakt mit ihren Familien. Oft wurde erklärt, die Angehörigen seien tot. Einige Mädchen wurden sterilisiert. Später kamen sie ohne gerichtlichen Bescheid zu Bauern. Der Schweizer Filmemacher Urs Egger drehte darüber 1992 den bewegenden Spielfilm "Kinder der Landstraße", der manchmal im Fernsehen gezeigt wird.

Als Vorbild diente offensichtlich Österreich, wo die Habsburger im 18. Jahrhundert strenge Vorschriften gegen Roma und Sinti erlassen hatten. Im Alter von vier Jahren wurden die Kinder ihren Eltern weggenommen und Bauern übergeben, die sie "zu guten Christen" zu erziehen hatten.

(An dieser Stelle sei die Bitte von Petra Rosenberg, der Vorsitzenden der Berliner Sinti und Roma und Schwester der Sängerin Marianne Rosenberg, weitergegeben, Begriffe wie "Zigeunerschnitzel" oder "Zigeunersoße" nicht zu verwenden.)

Italien

Zwischen 1945 und 1965 bot das Päpstliche Hilfswerk POA in den USA zigtausende italienische Kinder zur Adoption an. Opfer nennen es "verkaufen". Dazu zogen Priester über die Dörfer, um nach "kleinen und formbaren" Kindern zu suchen. Die Herkunft der überwiegend armen Kinder wurde verschleiert, Spuren verwischt und sämtliche Dokumente vernichtet.

Nazi-Deutschland

Die SS verschleppte "passende, nordisch aussehende" Kinder u.a. aus Polen, der Ukraine, Frankreich und Norwegen ins "Deutsche  Reich", um sie bei Adoptiveltern zu "germanisieren", teilweise mit Zwischenstation in "Lebensborn-Heimen" ("arischen" Zuchtstationen). Allein in Polen wurden ab 1941 rund 200.000 Kinder gestohlen.

(Quellen: Fernsehdokumentationen, BBC World Service, Gesellschaft für bedrohte Völker)

(6.053 Anschläge, 93 Zeilen, Juni 2003)