Mal ehrlich - mit Reisen kann man nicht mehr angeben. Wenn die Fußpflegerin nach Hawaii düst, das Rentnerehepaar von gegenüber herzlos die Hängegeranien vertrocknen lässt, um auf Kreuzfahrt zu gehen, und Detlef vom Getränkemarkt in Kanada durch den Tiefschnee brettert, dann taugen touristische Unternehmungen nicht, um Eindruck zu machen. Und die Alternative - Überlebenstraining im Amazonasdelta oder Meditationswochen in einem 4000 Meter hoch gelegenen buddhistischen Kloster - wird eher als Spinnerei abgetan als Neid zu erwecken.
Mit einem Louis-Vitton-Köfferchen macht man am Flughafen vielleicht ein bißchen mehr her als mit der Hartschale aus dem Sonderangebot. Auch das Seidentuch von Hermès (das mit den ewigen Gäulen, Ketten und Halftern) mag kurzfristig zwischen regenfesten Jacken, Jeans und fußfreundlichen Tretern auffallen. Doch mit einem feinen Hotel braucht man nicht aufzutrumpfen, weiß doch jeder, daß auch Edelherbergen Pauschales anbieten, man mit ihnen Sonderkonditionen aushandeln kann.
Richtig beeindruckt man nur noch mit dem Zauberwort "privat". Dagegen verblaßt das Angebot des feinsten Reiseveranstalters. Wohl dem, der Freunde und Verwandte in möglichst entlegenen Ecken der Welt hat und dann lässig sagen kann: "Wir waren bei Ralf auf seiner Farm in Ohio" oder "Wir haben Bert und Lisa in Addis (so spricht der Insider!) besucht". Schwächer wirkt ein Besuch auf "Werners Finca in Mallorca". Da empfiehlt es sich, auf die Lage im "Landesinneren" hinzuweisen und daß alle Nachbarn nur Mallorquiner seien. Hat man keine Freunde weltweit, die einen samt Familie begeistert beherbergen, erwähne man wenigstens "private Kontakte". Kein Video von einer gewaltigen Tempelanlage, keine Fotoserie prachtvoller Landschaften macht so viel her wie die Erwähnung einer "privaten Einladung". Essen bei einer indischen Bauernfamilie, Teilnahme an einer marokkanischen Hochzeit oder an einem afrikanischen Dorffest. Diese Herzlichkeit, diese Gastfreundschaft... und wie man sich mit Händen und Füßen verständigt hat. Und die putzigen Kinder! Sogar die pingelige Elvira ließ sich an den gewaltigen Busen einer kenianischen Bäuerin drücken, und Sina probierte die breiten Strohhüte javanischer Dorfmädchen.
Das hat was. Ist doch etwas anderes als am Pool zu liegen oder Sehenswürdigkeiten abzuhaken. Und wer weiß schon daheim, daß das Dorffest zum Reiseprogramm gehörte und die Hochzeit zufällig im selben Hotel, hinter ziemlich verschlossenen Türen stattfand.
(2150 Zeichen / 37 Zeilen, Dezember 1999)