Die Regierung der Malediven setzt auf Urbanisierung und undurchsichtige Megadeals mit ausländischen Investoren. Damit gefährdet sie die Korallenriffe. Nachdem 2016 bei einer Hitzewelle im Ozean70 bis 80 Prozent der Oberflächenkorallen des Landes zerstört wurden, wird nun mit Ausbaggerungen und Landgewinnung ihre Erholung aufs Spiel gesetzt.
Im Rahmen der „transformativen Wirtschaftsagenda” unter Präsident Abdulla Yameen werden Investoren für große Hotel- und Infrastrukturprojekte umworben. Um dies zu erleichtern, hat das Tourismusministerium die Umweltverträglichkeitsprüfungen für Hotelanlagen übernommen. Ibrahim Mohamed, stellvertretender Direktor der Umweltschutzbehörde (EPA), sagte, die Minister würden die Experten der EPA nun regelmäßig übergehen.
Die Hast, mit der Investitionen grünes Licht bekommen, bedroht die lebendigen Ökosysteme, durch die die Touristen angezogen werden und der Thunfischfang aufrechterhalten wird – die beiden wichtigsten Einkommensquellen der Malediven. „Wenn wir die Umwelt vernachlässigen, verlieren wir unsere Widerstandsfähigkeit”, fügte Mohamed hinzu.
Bedrohungen durch den Klimawandel
Korallenriffe sind durch den Klimawandel zunehmend bedroht. 2016 erwärmte ein besonders starker El Niño die Ozeane und verursachte die dritte globale Korallenbleiche seit der Erfassung. Die Malediven blieben davon nicht verschont. Durch die Ausbaggerungen werden die Riffe zusätzlichen Belastungen ausgesetzt, denn dadurch wird Sand aufgewühlt, der den Lichteinfall blockiert.
Hussain Rasheed Sendi, Direktor von fünf Tauchzentren, war als Junge regelmäßig in der Embudu-Lagune bei Malé schwimmen. Die Lagune war eine Kinderstube für die Tierwelt des Meeres. Ein großer Teil davon wurde inzwischen zugeschüttet, um Luxus-Resorts am Strand zu schaffen. „Landgewinnung hat es in diesem Ausmaß vorher noch nie gegeben“, sagte Sendi. „Die Korallenbleiche können wir nicht aufhalten, doch mit den Ausbaggerungen könnten wir aussetzen.”
Shihab Adam, Direktor des staatlich finanzierten Meeresforschungszentrums (MRC) bestätigte die ökologischen Auswirkungen der Landgewinnung: „Wenn sich Sandpartikel auf die Polypen der Korallen legen, verursacht das Stress.” Doch die Beamten sind optimistisch, dass sich die Riffe von der Bleiche aus dem Vorjahr wieder erholen werden. Adam fügte hinzu: „Man kann nicht erwarten, dass wir aufgrund globaler Umweltfaktoren, über die wir leider keine Kontrolle haben, alle Entwicklungsinitiativen auf Eis legen.“
Es geht um viel. Die Verpachtung von Hotelanlagen summiert sich auf viele Millionen US-Dollar. Regierungsbeamte sagen, wenn Geld hereinkommt, erhöht dies den Lebensstandard. Doch große Beträge aus solchen Projekten sind einfach verschwunden. Beim Corruption Perceptions Index (CPI) von Transparency International erreichen die Malediven gerade mal 36 von 100 Punkten und liegen damit weit unter dem globalen Durchschnitt.
Im vergangenen Jahr wurde ein Gesetz geändert, um unbewohntes Land oder Lagunen ohne öffentliche Ausschreibung verpachten zu können. Der bislang kühnste Plan beinhalt Gespräche Yameens mit der saudischen Königsfamilie über ein zehn Milliarden-US-Dollar-Projekt auf dem spärlich besiedelten Faafu-Atoll.
Migration und Urbanisierung
Daneben ist geplant, die Bevölkerung von 400.000 Menschen zu urbanisieren. Laut Mohamed Muizzu, Minister für Wohnungsbau und Infrastruktur, legt die Regierung den Schwerpunkt auf die Entwicklung größerer Siedlungen. „Es bräuchte jedes Jahr sehr hohe staatliche Investitionen, wenn man auf allen Inseln eine umfassende Versorgung sicherstellen wollte. Das wäre nicht nachhaltig.” Er geht davon aus, dass sich der Trend seit den 1970er Jahren fortsetzt und jede dritte Insel aufgegeben wird.
Zwar gibt es offiziell keinen Plan, die verlassenen Inseln touristisch zu erschließen, doch sie könnten laut Muizzu für Außenstehende an Wert gewinnen: „Wir sollten diese Inseln so gut wie möglich nutzen, denn es gibt ja bereits einiges an Infrastruktur und Gebäuden. Warum sollte man dies nicht für Industrien oder Tourismus oder irgendetwas anderes nutzen?”
Einer der Faktoren, die die Migration fördern, ist die Küstenerosion. Malé wehrt mit einem Wall aus Beton-Tetrapoden Sturmfluten ab. Auf der anderen Seite des Flughafens liegt ein Streifen von neu gewonnenem Land zwei Meter über dem Meeresspiegel, höher als die natürlichen Inseln. In diesem Vorort namens Hulhumalé sollen später 240.000 Menschen leben.
Ein empfindliches ökologisches Gleichgewicht
Zwei Tauchgänge in der südlichen Lagune von Malé zeigen, wie empfindlich das Gleichgewicht für Korallen ist. Ein Riff strotzt vor Farben und Bewegung, ein „Ort der Hoffnung“, dem durch eine kühle Strömung die schlimmste Bleiche erspart geblieben ist. Nur 15 Minuten mit dem Schnellboot entfernt sieht es anders aus. Ein Film schlammiger, grün-brauner Algen überzieht weiße Skelette. Vor der Hitzewelle war das Riff zu 90 Prozent von Korallen bedeckt. Danach ging der Anteil auf neun Prozent zurück.
Viele Resorts züchten Korallen, um als Sterne-Häuser attraktiv zu bleiben. Adam vom Meeresforschungszentrum sagt, die Riffe bei den Resorts seien daher oft in besserem Zustand als die vor den bewohnten Inseln. Doch die Lagunen stehen vor künstlichen Veränderungen in nie dagewesenem Ausmaß. Die Gefährdung der Riffe bedroht das nationale Überleben, sagt Tauchveteran Sendi. “Wo es keine Korallen gibt, gibt es auch keine Malediven”.
Megan Darby ist stellvertretende Redakteurin bei Climate Home, einem Netzwerk von Korrespondenten und Reportern, die über die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen des Klimawandels berichten.
Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung des Beitrags “Maldives regime imperils coral reefs in dash for cash” von Megan Darby, Climate Home, 20.03.2017. Nachdruck und Kürzungen mit freundlicher Genehmigung.
Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp
(September 2017, TW 88)