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Freier Handel im Tourismus: "Zu wessen Diensten?"


"Bei uns in Indien bedroht GATS all das, was wir uns in über 20 Jahren mühsam erkämpft haben: die unabhängige kommunale Selbstbestimmung," so faßt K.T. Suresh, Koordinator der indischen Nichtregierungsorganisation EQUATIONS mit Sitz in Bangalore, seine Kritik am freien Handel mit Dienstleistungen zusammen. Auf der Konferenz "Zu wessen Diensten?", veranstaltet vom "Forum Umwelt & Entwicklung" im Mai in Bonn, machte er deutlich, wie in Indien das "Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)" die verfassungsmäßigen Entscheidungsbefugnisse einzelner Bundesstaaten und Kommunen aushebelt.

Die Liberalisierungen des Dienstleistungssektors werden in Genf von der indischen Zentralregierung ohne das Wissen und die Beteiligung regionaler oder lokaler Entscheidungsträger ausgehandelt. "Das ist ein klarer Verstoß gegen das verfassungsmäßige Recht auf Information", glaubt K. T. Suresh.

Als 1994 die Welthandelsorganisation (WTO) gegründet wurde, beschlossen die Mitgliedsstaaten mit GATS erstmals ein internationales Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen. Darin soll auch der Tourismus dem freien Handel unterworfen werden. Seit Februar 2000 verhandeln in Genf die WTO-Mitgliedsstaaten über weitere Liberalisierungen. Diese GATS-Verhandlungen gehören zur sogenannten "eingebauten Agenda" der WTO und waren daher vom Scheitern der Ministerkonferenz in Seattle im November 1999 nicht betroffen. Jetzt treten sie in eine heiße Phase ein. Entwicklungsländer geraten immer stärker unter Druck, ihre einheimischen Dienstleistungsmärkte ausländischer Konkurrenz zu öffnen.

Daß GATS politisch so brisant ist, liege daran, daß es tief in innerstaatliche Regelungen eingreife. Außerdem sei sein Nutzen für Entwicklungsländer höchst zweifelhaft. "Wir gehen davon aus, daß durch GATS wettbewerbsfeindliche Praktiken zunehmen und ein noch größerer Teil der Tourismus-Devisen wieder ins Ausland abfließen werden", erläutert K.T. Suresh weitere Befürchtungen. Auch ein noch zur Diskussion stehender Anhang zum Tourismus im GATS berge mehr Gefahren als daß er den Menschen in den Ländern des Südens helfen könnte. Zwar werde der Tourismus darin aus entwicklungspolitischer Perspektive betrachtet, der Vorschlag lasse aber die grundsätzlichen Mängel des Abkommens unberührt.

(2.352 Anschläge, 31 Zeilen, Juni 2001)