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Frauen im Tourismus: Durch die "gläserne Decke" in den Keller?


"Der Tourismus öffnet Türen für Frauen" lautet das diesjährige Motto der Welttouris­musorganisation (UNWTO) zum Welttourismustag am 27. September. Die UNWTO nutzt die Veranstaltung im Gastgeberland Sri Lanka, um auf die Arbeits- und Karriere­möglichkeiten für Frauen im Tourismus aufmerksam zu machen. Dabei wird sie ihrer Aufgabenstellung gerecht, Tourismus als Mittel der Armutsbekämpfung zu fördern. Konkret will die UNWTO in diesem Jahr dem Millenniums-Entwicklungsziel Nr. 3 Rechnung tragen: der Gleichstellung der Geschlechter und der Stärkung der Stellung der Frau.

Die UNWTO betont, dass Frauen im gesamten Spektrum der Tourismuswirt­schaft zu finden seien, von Reiseleiterinnen bis hin zu Vorstandsvorsitzenden. In den vergangenen Jahren sei der Anteil von Frauen im Tourismus gestiegen, so dass sie nun genauso stark vertreten seien wie Männer. Besonders in armen Ländern habe der Frauenanteil zugenommen, zum Beispiel im Handwerk. In einigen afrikanischen Län­dern würden Frauen im Tourismus auch gehobene Positionen einnehmen.

Die UNWTO sieht im Tourismus nicht nur den hohen Anteil an Arbeitsplätzen für Frauen, sondern auch Aufstiegsmöglichkeiten. Die Herausforderungen, so UNWTO-Generalsekretär Francesco Frangialli, würden sich nun darum drehen, für gleiche Be­zahlung zu sorgen, die Arbeitsqualität zu erhöhen, angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen, und "die gläserne Decke zu durchdringen", d.h. die unsichtbaren Barrieren zu durchbrechen, die Frauen am Aufstieg hindern. In der UNWTO wird allerdings durchaus das Problem gesehen, dass ein hoher Anteil der Frauen im Tourismus nur in den am schlechtesten bezahlten und wenig angesehenen Bereichen oder im informellen Sektor arbeitet.

"Herausforderung" Sextourismus

Mit keinem Wort erwähnt die UNWTO, dass Tourismus für Frauen auch verheerende Risiken bergen kann. Ein Problemfeld ist sicherlich der internationale Sextourismus, bei dem Frauen von Touristen – entlohnt oder unentlohnt – sexuell ausgebeutet werden. Dieses Milieu wurde nicht von der Reisebranche geschaffen, sondern von der Sex­industrie. Dennoch steht die Reisebranche nicht außen vor. Sex als Marketinginstrument und Frauen, die entweder als unterwürfig oder sexuell freizügig dargestellt werden, sind Teil dieses „dirty business“. Heute distanzieren sich seriöse Reiseveranstalter von solchen Darstellungen. Dennoch hat es sich noch nicht bis in die letzte Ecke der Branche herumgesprochen, dass es sich im Rahmen der Sozialverantwortung von Unternehmen nicht gehört, im Reisekatalog eine Thailänderin sich räkelnd auf dem Hotelbett abzubilden oder Brasilianerinnen stereotyp als sexhungrige Vollweiber zu zeigen.

Gewalt gegen Frauen nach dem Tsunami

Der im Rahmen des Wiederaufbaus nach dem Tsunami im April 2007 erschienene Bericht "Violence Against Women in the post-tsunami context"*, an dem 174 Organisationen mitgewirkt haben, macht deutlich, dass in den Küstenregionen Indiens Mädchen aus armen Familien in den Sextourismus gedrängt wurden. Auf der Insel Phuket/Thailand ist nach einem Pressebericht von "Channel News Asia" die Anzahl der Prostituierten nach dem Tsunami gestiegen. Frauen, die ihren Arbeitsplatz im Touris ­mus verloren haben, seien in die Prostitution gedrängt worden, um ihren Lebensunter ­halt zu verdienen. Internationale Entwicklungshelfer warnten davor, dass HIV/Aids sich explosionsartig ausbreiten könnte.

Tourismuskritische Organisationen in verschiedenen Teilen der Welt sehen den Welttourismustag als Herausforderung, die Arbeitssituation von Frauen im Tourismus ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken und Forderungen an die Entscheidungsträger zu stellen. Dabei finden einige Themen mehr Beachtung, als auf Seiten der UNWTO.

HIV/Aids zum Thema machen

So ruft die Ecumenical Coalition on Tourism (ECOT), Chiang Mai/Thailand, die Reisebranche, Regierungen und die Vereinten Nationen auf, durch einen ganzheitlichen Ansatz dazu beizutragen, dass die Millenniums-Entwicklungsziele mit Hilfe des Tourismus und durch eine entsprechende Tourismusentwicklung erreicht werden. Auch sensible Themen wie HIV/Aids müssten angegangen werden, da Armut ein Nährboden der Pandemie sei.

Partizipation von Frauen stärken

Rosemary Viswanath, Leiterin von Equations (Banglore/Indien), betont, dass Frauen im formellen Bereich des Tourismus nach Daten der Internationalen Arbeitsorganisation ILO weltweit 46 Prozent der Arbeitskräfte ausmachen, im informellen Sektor jedoch 60 Prozent. Gemeindebasierte Tourismusinitiativen, besonders von Frauengruppen und -kooperativen seien ein wichtiger Weg, damit Frauen im Tourismus mitbestimmen und davon profitieren können.

Minu Hemmati, Expertin für Geschlechtergerechtigkeit, fordert eine stärkere Beteiligung von Frauen bei der Tourismusplanung. Gerade im gemeinde ­basierten Tourismus in Entwicklungsländern müssten partizipative Strukturen sicher ­gestellt werden. Die Frauen und Frauengruppen müssten aktiv angesprochen und eingebunden werden – was ihrer Erfahrung nach schwierig sei. Man müsse Frauen und Frauengruppen „dort abholen, wo sie stehen“ und auf ihre besonderen Bedürfnisse eingehen – eine Herausforderung, die sich insbesondere in der Entwicklungszusammenarbeit stelle.

Ausbildungsmöglichkeiten schaffen

Angela Giraldo, Leiterin der Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung (KATE) in Stuttgart, fordert Qualifizierungsmöglichkeiten für Frauen, um ihre Chancen am Arbeitsplatz Tourismus real zu verbessern.

"Der Tourismus öffnet Türen für Frauen – aber welche Türen werden geöffnet und für wen?", fragt Jennifer Seif, Geschäftsführerin von Fair Trade in Tourism South Africa (FTTSA). "Die am schlechtesten bezahlten Arbeitskräfte im Tourismus sind normaler ­weise Frauen. Weltweit sind Frauen als Putzkräfte, Küchenhilfen, Haushälterinnen, Kellnerinnen oder Empfangsdamen angestellt. Viele sind Saisonarbeiterinnen ohne Sicherheiten oder Anspruch auf Sozialleistungen des Arbeitgebers." Vor diesem Hin ­tergrund habe die südafrikanische Regierung Gesetze und unterstützende Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Förderung von Frauen, insbesondere von schwarzen Frauen, im Tourismussektor zu beschleunigen. Nun müssten, so meint Jennifer Seif, systematische Anstrengungen unternommen werden um sicherzustellen, dass auch die Türen der Vorstandsetagen sich für Frauen öffnen und nicht nur die Küchentüren.

*Literaturhinweis: Violence Against Women in the post-tsunami context. People's Report, 28.März 2007. Im Internet unter: www.actionaid.org/assets/pdf/VAW%20People's%20Report.pdf

(6426 Zeichen, 88 Zeilen, September 2007)