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Ferntourismus schädigt das Klima

Die Hälfte des zivilen Flugtreibstroffs wird von Urlaubern verbraucht


Die Nachhaltigkeitsdebatte hat seit einigen Jahren auch die Tourismusindustrie erfaßt, mit Erfolg: Die meisten großen Reiseveranstalter haben heute eigene Umweltbeauftragte und entwickeln unternehmensspezifische Umweltstrategien. Ein zentraler Aspekt wird in den Plänen zur nachhaltigen Entwicklung allerdings gern ausgeklammert: die touristische Mobilität. Die meisten Veranstalter sind sich zwar darüber bewußt, daß der wachsende Ferntourismus Umweltprobleme verschärft, andererseits verdienen sie gerade an diesen Reisen besonders gut. Wie umweltfreundlich können Fernreisen gestaltet werden?

Die meisten Deutschen nutzen noch immer das Auto, um an ihr Reiseziel zu gelangen, aber das Flugzeug hat in den vergangenen Jahren rapide an Bedeutung gewonnen. Mehr als ein Drittel aller deutschen Urlauber nutzt mittlerweile dieses Verkehrsmittel, Tendenz steigend. Zunehmender Wettbewerb, Überkapazitäten, steigendes Interesse an Fernreisen und günstige Preise (Kerosin ist steuerfrei) fördern diese Entwicklung. Der Flugverkehr verdient aus Klimaschutzperspektive allerdings besondere Aufmerksamkeit.

Weltweit wird der Anstieg der Temperaturen auf der Erde, der sogenannte Treibhauseffekt, mit großer Sorge betrachtet. Verantwortlich für diesen Anstieg ist insbesondere das Kohlendioxid, ein Gas, das unter anderem bei der Verbrennung von Ölprodukten entsteht. Gerade im Flugverkehr werden aufgrund der langen Flugstrecken große Mengen von Kerosin verbrannt, die in 10 bis 13 km Höhe besonders schädlich für das Klima sind. Wissenschaftler gehen davon aus, daß die Abgase aus dem Flugverkehr mindestens drei Mal so stark zum Treibhauseffekt beitragen wie Emissionen aus dem bodennahen Verkehr.

Der Grund dafür liegt in dem geschichteten Aufbau der Atmosphäre. Deren unterste Schicht wird als Troposphäre bezeichnet und reicht vom Erdboden bis in eine Höhe von 8 km an den Polen und bis zu 16 km am Äquator. Darüber befindet sich die Stratosphäre, in der Gase nur geringe natürliche Konzentrationen erreichen. Die Stratosphäre ist besonders empfindlich gegenüber dem Eintrag von Schadstoffen, da diese hier, anders als in der Troposphäre, lange Verweilzeiten haben. Die natürlichen Gaskonzentrationen werden stärker verändert und Schadstoffe können nicht durch Regen ausgewaschen werden. Flugzeuge emittieren ihre Abgase aber zu großen Teilen in genau diese Atmosphärenschicht, wo sie aufgrund komplexer chemischer und physischer Prozesse das Klima stärker beeinflussen.

Weltweit werden jährlich rund 130 Millionen Tonnen Flugtreibstoff für zivile Zwecke verbraucht, davon rund die Hälfte von Touristen. Der Flugverkehr trägt damit global gesehen zwar scheinbar nur mit wenigen Prozentpunkten zum gesamten Treibhauseffekt bei, aber dieses Bild revidiert sich bei Betrachtung der Emissionen pro Passagier. Auf einer einzigen Reise durchschnittlicher Entfernung (statistisch sind das rund 3.500 km) entsteht auf dem Hin- und Rückflug mehr als eine Tonne Kohlendioxid pro Passagier. Werden die besonderen Wirkungen der Schadstoffe in der Stratosphäre berücksichtigt, so entspricht dies sogar der Klimaschädlichkeit von drei Tonnen Kohlendioxid. Diese Zahl läßt sich mit den Emissionen von Kohlendioxid auf globaler Ebene vergleichen, zu denen jeder Weltbürger durchschnittlich mit vier Tonnen pro Jahr beiträgt. Diese Menge ist nach Ansicht der Klimaforscher viel zu hoch, wenn negative Konsequenzen für Ökosysteme, Wasserressourcen, Landwirtschaft und menschliche Gesundheit vermieden werden sollen. In diesem Zusammenhang sollte berücksichtigt werden, daß insbesondere die ärmsten Länder der Welt besonders hart von den Folgen der globalen Klimaveränderung betroffen sein werden.

Anders als im bodennahen Verkehr sind bislang keine technischen Möglichkeiten in Sicht, um die Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs zu reduzieren. Da ein einziger Flug derart überproportional zum Treibhauseffekt beiträgt, kann flugverkehrsbasierter Tourismus nie nachhaltig sein. Je früher die Reisekonzerne die Konsequenzen dieser Erkenntnis in ihren Umweltstrategien berücksichtigen, desto eher wird sich das Ziel eines nachhaltigen, regional orientierten Tourismus verwirklichen lassen. Auch die Urlauber selbst sind natürlich zu mehr Bewußtsein bei der Reiseentscheidung aufgerufen!

Die Doktorarbeit des Autors ist unter dem Titel "Tourism, Ecosystem Functions, and Human-Environment Relations" an der Lund Universität erschienen. Lund University, Human Ecology Division, Finngatan 16, S-22362 Lund, 2000, 320 Seiten, ISBN 91-628-4572-1

(4.381 Anschläge, 51 Zeilen, Oktober 2001)

(Anm. der Redaktion: Dieser Beitrag wurde vor den Terroranschlagen am 11. September 2001 verfaßt.)