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Fairer Handel(n) - auch im Tourismus!

Sofortiger Stop der GATS-Verhandlungen gefordert


Die Folgen des 11. September und der Terroranschläge in Djerba, Bali und Mombasa haben deutlich sichtbar gemacht, wie sehr der Tourismus auf Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit angewiesen ist. Doch noch immer wird in den Ansätzen für einen nachhaltigen Tourismus die soziale Dimension (Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Partizipation etc.) vernachlässigt. Aus Sicht der Fachstelle Ferntourismus TOURISM WATCH des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) ist die Einführung verbindlicher sozialer Standards im Tourismus ein dringliches Anliegen.

Hier könnte das Konzept des Fairen Handels neue Impulse bieten. Bei klassischen Exportgütern vieler Entwicklungsländer, z.B. Kaffee, Tee, Kakao oder Bananen, gelingt es durch den Fairen Handel, den Austausch zwischen Konsumenten und Produzenten in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht so auszugestalten, dass benachteiligte Bevölkerungsgruppen gestärkt werden. Überträgt man die Vorstellungen eines Fairen Handel(n)s auf den Tourismus, dann sind sämtliche Akteure in der komplexen Leistungskette angesprochen, von den Gästen bis zu den Gastgebenden, Reiseveranstaltern und Reisemittlern in den Herkunftsländern und Zielgebieten, Transportunternehmen, ReiseleiterInnen, aber auch SouvenirproduzentInnen und VerkäuferInnen. Regierungen und internationale Organisationen, die die internationale Wirtschafts- und Handelspolitik festlegen, tragen besondere Verantwortung. Hier gilt es, für mehr Gerechtigkeit, Transparenz und Mitsprache zu sorgen. Die strukturellen Benachteiligungen der Länder des Südens müssen aufgehoben werden, damit sich der Austausch zwischen Reisenden und Gastgebenden fair entwickeln kann, touristische Dienstleistungen fair gehandelt werden und der Tourismus zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt.

Neue Rechte ohne Pflichten

Die internationalen Rahmenbedingungen lassen hierfür jedoch immer weniger Spielraum. Unter dem Druck von Schuldensanierung und Strukturanpassungen haben sich viele Entwicklungsländer verpflichtet, ihre Wirtschaft immer weiter dem globalen Markt zu öffnen. Auch der Tourismus als Exportsektor und Devisenbringer soll dadurch gefördert werden. Viele der Liberalisierungen wurden 1994 mit dem Abschluss des "Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen" (GATS) im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) festgeschrieben. Privatisierungen, Mehrheitsbeteiligungen für ausländische Firmen, großzügige Anreize für ausländische Investoren und weitere Zugeständnisse an private Tourismusunternehmen - wie unbeschränkte Importe oder die Beschäftigung ausländischen Personals - beschneiden die Einkommensmöglichkeiten lokaler Anbieter in den touristischen Zielgebieten. Überdies wurde der Spielraum, den die Zielländer noch hatten, drastisch begrenzt, um den Tourismus entsprechend ihrer eigenen politischen Schwerpunkte und Entwicklungsstrategien zu gestalten.

Mit den gegenwärtigen Verhandlungen zum GATS bereitet die WTO einen weiteren Liberalisierungsschub vor. Das Antiglobalisierungsnetzwerk "Attac Deutschland" initiiert deshalb eine breit angelegte Kampagne gegen das GATS. "Attac" fordert den sofortigen Stopp der GATS-Verhandlungen sowie umfangreiche unabhängige Untersuchungen über die sozialen, ökologischen und entwicklungspolitischen Folgen der bereits gültigen GATS-Bestimmungen.

Ökumenische Partner aus Indien kritisieren, dass das GATS tief in innerstaatliche Regelungen eingreife und die kommunale Selbstverwaltung gefährde. So sei es zum Beispiel kaum mehr möglich, ausländische Anbieter zur Ausbildung und Beschäftigung einheimischen Personals zu verpflichten. Den Tourismusunternehmen werden weitreichende Rechte eingeräumt, ohne dass ihnen entsprechende Pflichten auferlegt wurden. Delegierte der Tagung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über die "Auswirkungen der Globalisierung auf den touristischen Arbeitsmarkt. im April 2001 beklagten, dass sich in privatisierten, oft von internationalen Ketten übernommenen Hotels die Arbeitsbedingungen in verschiedenen Ländern klar verschlechtert hätten, ohne dass den Angestellten gewerkschaftliche Organisation zugestanden würde. Insbesondere transnationale Tourismuskonzerne sind dabei, sich immer stärker die gesamte Wertschöpfungskette im Tourismus einzuverleiben, so dass einzelne und kleine Anbieter von touristischen Leistungen kaum noch eine Chance haben.

(4.359 Anschläge, 58 Zeilen, Dezember 2002)