Der Tourismus befindet sich in einer Phase, in der die globalen Umweltauswirkungen der Menschheit rasant zunehmen – und er hat daran selbst einen wesentlichen Anteil. In Hinblick auf den Verbrauch von Energie und die CO2-Emissionen, den Wasserverbrauch, die Landnutzung und den Nahrungsmittelbedarf werden sich die Auswirkungen des Tourismus innerhalb von 25-45 Jahren verdoppeln. Selbst wenn Ressourcen in Zukunft deutlich effizienter genutzt würden, würde eine solche positive Entwicklung von der noch rascher steigenden Zahl an Reisen und der zunehmenden Reiseentfernung konterkariert. Hinzu kommt, dass die Ressourcennutzungsintensität im Tourismus keineswegs abnimmt. Im kleinen aber wachsenden Segment des gehobenenTourismus nimmt sie sogar weiter zu.
Diese Erkenntnisse stellen die Rhetorik des “grünen Wachstums” in Frage, die sich momentan in vielen Strategiepapieren wiederfindet. Die Ökosysteme der Erde werden von menschlichen Aktivitäten stark beeinträchtigt. Wichtige Ressourcen werden knapp, Ökosysteme immer stärker geschädigt. Der Tourismus ist an all diesen Prozessen direkt und indirekt beteiligt.
Im Tourismus werden pro Reise und Übernachtung immer mehr Energie, Wasser, Land und Nahrungsmittel verbraucht und immer mehr CO2-Emissionen verursacht. Gleichzeitig steigt die Zahl der Touristen infolge einer wachsenden, wohlhabenderen Weltbevölkerung.
Nach unserer Szenarien-Studie könnte die Anzahl im In- und Ausland unternommener touristischer Reisen im Jahr 2050 zwischen 7,77 Milliarden (bei einer Abschwächung der Wirtschaft) und 15,45 Milliarden (bei globalem Wachstum) betragen. Im „Weiter wie bisher“-Szenario käme man auf 13,6 Milliarden Reisen, im Vergleich zu knapp fünf Milliarden Reisen im Jahr 2005. Der Ressourcenverbrauch im Tourismus könnte von 2010 bis 2050 zwischen 92 Prozent (im günstigsten Fall, bei Wasser) und 189 Prozent (beim Flächenverbrauch) steigen.
Energieverbrauch und CO2-Emissionen
Trotz zunehmender Effizienz wird damit gerechnet, dass sich im mittleren Szenario der Energieverbrauch des Tourismus im Laufe der kommenden 25 Jahre verdoppeln wird. Ob es „nur“ weitergeht wie bisher oder mit starkem globalen Wachstum zu rechnen ist: bis 2050 wird der Energieverbrauch weiter zunehmen. Selbst im Szenario einer Abschwächung der Konjunktur würde selbst bei deutlich geringerem Bevölkerungswachstum und wirtschaftlicher Stabilisierung der Ressourcenverbrauch weiter zunehmen – wenngleich in geringerem Umfang.
Im Tourismus hängen Energieverbrauch und CO2-Emissionen zu 75 Prozent mit der Nutzung von Verkehrsmitteln zusammen. Bei unterschiedlichen Reisearten bestehen jedoch große Unterschiede. Eine Fahrradtour in der näheren Umgebung mag direkt gar keine Energie aus fossilen Brennstoffen erfordern. Für Fernreisen mit Flug- und Kreuzfahrt-Elementen dagegen werden unter Umständen mehr als 3000 kg Treibstoff pro Tourist verbraucht.
Wasserverbrauch
Zwar benötigen die Menschen auch zuhause Wasser, doch ist ihr Wasserverbrauch auf Reisen nachweislich höher. Der direkte Wasserverbrauch in den Unterkünften liegt zwischen 84 und 2425 Litern pro Tourist pro Tag. Er beinhaltet den persönlichen Wasserbedarf, Swimmingpools, die Bewässerung von Grünanlagen, etc. Im Rahmen von Freizeitaktivitäten kommen noch einmal 10 bis 875 Liter pro Übernachtung hinzu. Des Weiteren entfallen auf Nahrungsmittel nochmals im Schnitt 6000 Liter Wasser pro Tourist pro Tag.
Die Nutzung von Bio-Kraftstoffen im Flugverkehr verursacht einen noch höheren Wasserverbrauch. Um einen Liter flüssigen Bio-Kraftstoff zu erzeugen, werden derzeit im Schnitt 2500 Liter Wasser eingesetzt. Das ist wichtig zu berücksichtigen, da die Luftverkehrsbranche Bio-Kraftstoffe als eine der Säulen für “nachhaltige” Entwicklung forciert.
Der Wasserverbrauch im Tourismus, insbesondere der indirekte, wird weiter zunehmen, auch wenn Wasser in Zukunft effizienter eingesetzt wird. Sich verändernde Ernährungsgewohnheiten hin zu proteinreicheren Nahrungsmitteln wie Fleisch und Milchprodukten, die in der Produktion ressourcenintensiver sind, beeinflussen den Wasserverbrauch erheblich. Im Laufe der kommenden 45 Jahre ist damit zu rechnen, dass sich der Wasserverbrauch verdoppeln wird, von geschätzten 138 km3 im Jahr 2010 auf 265 km3 im Jahr 2050.
Landnutzung
Der direkte Flächenverbrauch für den Tourismus und für Erholungszwecke umfasst vor allem Infrastruktur. Dazu zählen Flughäfen, Straßen, Bahntrassen, Einkaufszonen, Parkplätze, Campingplätze, Ferienanlagen, Golfplätze, Yachthäfen und Skigebiete. Die indirekte Flächennutzung hängt nicht nur mit der Produktion von Nahrungsmitteln und anderen Gütern und Dienstleistungen, die im Tourismus benötigt werden, zusammen, sondern auch mit den erforderlichen Mülldeponien und Kläranlagen. Die Fläche, die vom Tourismus benötigt wird, ist also deutlich größer als der direkt bebaute Grund und Boden.
Je nach Art der Unterkunft unterscheidet sich der Flächenbedarf pro Gästebett erheblich, angefangen mit etwa 25 m2 für Pensionen bis hin zu 200 m2 für Ferienhäuser. Luxushotels und Resorts haben den größten Flächenverbrauch, Stadthotels dagegen einen vergleichbar geringen.
Es wird damit gerechnet, dass sich im Laufe der nächsten 25 Jahre die Flächennutzung für Tourismuszwecke verdoppeln und bis 2050 fast verdreifachen wird, insbesondere aufgrund zusätzlicher Straßen sowie der Expansion des Flugverkehrs und touristischer Aktivitäten. Der Anteil der Flächen für Unterkünfte ist vergleichsweise klein, könnte relativ gesehen aber noch stark zunehmen, auch in besonders empfindlichen Landschaften, z.B. in Küstenregionen. Nach dem „Weiter wie bisher“-Szenario wird sich der Flächenverbrauch durch Tourismus von derzeit rund 62.000 km2 bis 2050 auf rund 178.700 km2 fast verdreifachen.
Nahrungsmittelkonsum
Urlauber verbrauchen täglich im Schnitt mindestens 0,5 kg Lebensmittel mehr als zu Hause. Der globale Tourismus hat dazu geführt, dass im Jahr 2010 ca. 10,9 Megatonnen mehr Nahrungsmittel verbraucht wurden, als wenn die Menschen zuhause geblieben wären. Bis 2050 wird sich der Nahrungsmittelverbrauch im Tourismus von 39,4 Megatonnen 2010 auf 82 Megatonnen verdoppeln. Die Produktion von Nahrungsmitteln hat unter Nachhaltigkeitsaspekten vielfältige Folgen, darunter die Umnutzung von Land und den Verlust an Arten und Ökosystemen. Der Tourismus spielt auch beim Konsum “problematischer” Nahrungsmittel eine Rolle. Beispielweise werden für die Produktion von Riesengarnelen Mangroven abgeholzt.
Der Weg zu nachhaltigem Tourismus
Die Ressourcennutzung des Tourismus übersteigt gegenwärtig die natürlichen, planetaren Grenzen der Erde. Auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad wird der Tourismus zu dem Zeitpunkt kommen, an dem in absoluten Zahlen die Ressourcennutzung abnimmt und weit unter das gegenwärtige Niveau fällt, obwohl die Anzahl der Reisenden steigt. Es wird bedeutende Anstrengungen erfordern, den Ressourcenverbrauch zu verringern und die CO2-Emissionen und den Flächenverbrauch zu minimieren.
Letztendlich ist dies aber im Interesse der Touristen, der Wirtschaft und der Regierungen. Denn der Tourismus ist von einer stabilen Versorgung mit Ressourcen und einem gesunden globalen Ökosystem abhängig. Kritische Grenzen dieses Planeten sind bereits überschritten und Störungen im planetaren System, wie zum Beispiel der Klimawandel, betreffen nicht etwa eine ferne Zukunft. Der globale Tourismus ist nicht nur immer weniger nachhaltig, sondern gleichzeitig auch immer anfälliger für solche Störungen.
Stefan Gössling ist Professor an der School of Business and Economics, Universität Linnaeus, Kalmar, und am Institut für Service Management, Universität Lund, Schweden. Er arbeitet seit 1994 zum nachhaltigen Tourismus, mit Schwerpunkten auf den Bereichen Verkehr, Mobilität, Energie und Wasser.
Paul Peeters ist Professor am Centre for Sustainable Tourism & Transport, Fachhochschule NHTV Breda, Niederlande. Er ist auf touristischen Verkehr und dessen Auswirkungen auf den Klimawandel und andere Umweltprobleme spezialisiert.
Dieser Artikel basiert auf dem wissenschaftlichen Beitrag “Assessing tourism's global environmental impact 1900–2050” von Stefan Gössling and Paul Peeters (2015) in: Journal of Sustainable Tourism.
Download: http://dx.doi.org/10.1080/09669582.2015.1008500.
Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp
(7.464 Zeichen, September 2015, TW 80)