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Ein neues Image aufbauen

Tourismus und Friedensförderung in Ruanda


Die Tourismuswirtschaft gehört zu den Branchen, die am empfindlichsten auf Gewaltkonflikte reagieren. Die meisten Unternehmen tragen aber nur indirekt zur Friedensförderung bei. Die Ergebnisse einer Studie von Swisspeace und der Cologne Business School* zeigen auf, dass der Tourismus in der Wiederaufbauphase nach dem Konflikt in Ruanda eine wichtige Rolle spielt.

Während des Bürgerkriegs (1990-1993) und des Völkermordes (1994) bewegten sich die Touristenzahlen in Ruanda gegen Null. Im Volcanoes National Park mit seinen Berggorillas - der wichtigsten Touristenattraktion im Land - errichteten die Regierung und auch die Milizen Lager, um sich zu verstecken und ihre Anhänger auszubilden. Ebenso suchten Zivilpersonen dort Schutz und lebten von den natürlichen Ressourcen. Hotels wurden von den Anführern des Genozids für Treffen und Trainings verwendet.

Durch das geschädigte Image kam es über lange Zeit zu hohen Einkommensverlusten. Einige Hotels überstanden den Konflikt, weil sie vom starken Zustrom von Mitarbeitenden internationaler Hilfswerke profitierten oder Flüchtlinge beherbergten. Nach dem Konflikt halfen Marketingkampagnen, Preisanpassungen oder die Verlagerung auf neue Zielgruppen den Unternehmen, die wirtschaftlichen Verluste möglichst gering zu halten. Zudem wurde versucht, in den anderen zwei Nationalparks mit Safaris oder Vogelbeobachtungen Alternativen zum Gorilla-Tourismus zu entwickeln.

Friedensförderung in der Wiederaufbauphase

Inzwischen hat sich die Sicherheitslage im Land stabilisiert. Der Tourismussektor konnte sich nach dem Konflikt relativ schnell erholen. Die Tatsache, dass der Schutz der ruandischen Nationalparks historisch eng mit dem Tourismussektor verknüpft ist, hat maßgeblich dazu beigetragen. Umweltschutzgruppen kehrten kurz nach dem Genozid ins Land zurück, halfen bei der Minenräumung und machten sich politisch für den Schutz der Nationalparks stark.

Durch ihre Alltagsgeschäfte leisteten Tourismusunternehmen in der Wiederaufbauphase nach dem Konflikt einen indirekten aber wesentlichen Beitrag zur Friedensförderung: Bis heute schaffen sie Arbeitsplätze und Einkommen und verbessern damit die Lebensgrundlage der Bevölkerung vor Ort. Zudem fördern sie den Umweltschutz und die Zusammenarbeit zwischen ehemaligen Konfliktgegnern und helfen das internationale Image des Landes zu verbessern. Einige Tourismusunternehmen unterstützen mit den erwirtschafteten Gewinnen den Bau von Schulen und von Häusern für wirtschaftlich Benachteiligte und Waisen. Frauenkooperativen verkaufen "Friedenskörbe" an Touristen und für den Export und verbessern so die Lebensgrundlage insbesondere arbeitsloser Frauen. Es ist bislang jedoch nicht zu konzertierten Aktivitäten des Tourismussektors gekommen, die explizit auf Friedensförderung abzielen.

Hemmende Faktoren

Vielen privaten Unternehmen fehlt das Wissen, um die Wirkung ihrer Aktivitäten auf Konflikte abzuschätzen oder um Strategien für die aktive Friedensförderung zu entwickeln. Aus politischer Überzeugung und wirtschaftlichen Überlegungen liegen gewaltsame Konflikte teilweise sogar im Interesse von Unternehmen. In Ruanda unterstützten Teile der Wirtschaftselite - nicht ausschließlich des Tourismussektors - den Genozid finanziell und indem sie Waffen bereitstellten.

Mit unternehmensfreundlichen Aktivitäten und finanzieller Unterstützung sicherte sich der Staat die Loyalität der Wirtschaftsunternehmen. Zudem haben die Angst vor Gewalt und der eingeschränkte politische Handlungsspielraum Teile des privaten Sektors davon abgehalten, sich während des Konflikts und des Genozids für den Frieden zu engagieren. Auch nach dem Konflikt ist es für die ruandische Tourismusbranche schwierig, sich unabhängig vom staatlichen "Rwanda Office of Tourism and National Parks" (ORTPN) zu entwickeln. Entsprechend kritisch schätzen Konflikt- und Friedensexperten die Rolle des Tourismus in der Friedensförderung ein. Die Regierung benutze den Tourismus als Marketinginstrument, um das Land nach außen als friedlich und stabil darzustellen und es für Investitionen attraktiv zu machen. Gleichzeitig würden aber die aktuellen Probleme unter den Teppich gekehrt.

Empfehlungen

Ausländische, nationale und private Bemühungen haben geholfen, den Wiederaufbau in Ruanda voranzutreiben. Jedoch ist es wichtig, die weiter bestehenden Herausforderungen zu identifizieren und mögliche Ursachen für neue Konflikte zu erkennen: tief greifende soziale Gräben, die ungleiche Landverteilung, Armut, die verzerrte Darstellung der Vergangenheit und sozial konstruierte ethnische Identitäten. Die Tourismusbranche muss diese Probleme anerkennen und bei ihren Aktivitäten berücksichtigen. Ein Verhaltenskodex für Tourismusunternehmen könnte Möglichkeiten für das Engagement in der Friedensförderung und für konfliktsensible Aktivitäten aufzeigen. Tourismusunternehmen sollten gezielt über die Wechselwirkungen ihrer Handlungen aufgeklärt werden.

Bestehende touristische Initiativen mit friedensfördernden Komponenten sollten unterstützt werden, damit sie nicht nur einzelne ethnische Gruppierungen bevorzugen sondern auch jene Bevölkerungssegmente erreichen, die Unterstützung am nötigsten haben. In der Friedensförderung tätige staatliche und nichtstaatliche Organisationen sollten sich gezielt solche Unternehmen als Partner suchen und stärken, die sowohl ein politisches als auch ein wirtschaftliches Interesse an der Befriedung des Landes haben.

* Das Projekt wurde von der Deutschen Stiftung Friedensförderung (DSF) gefördert.

Dieser Beitrag ist im Original im KOFF Newsletter Nr. 81 vom 1. Oktober 2009 erschienen.

Die Studie im Internet: The Role of Tourism in Post-Conflict Peacebuilding in Rwanda. Von Rina Alluri, Swisspeace working paper, 2/2009. www.swisspeace.ch/typo3/fileadmin/user_upload/pdf/Working_Paper/2_2009.pdf

Rina M. Alluri ist Mitarbeiterin von Swisspeace und promoviert im Nord-Süd Programm der National Centres of Competence in Research (NCCR). Sie arbeitet an verschiedenen Projekten zur Rolle der Wirtschaft in Friedensprozessen mit.

(5.496 Anschläge, 76 Zeilen, September 2010)