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Die STEP-Initiative in Äthiopien

Armutsbekämpfung oder Luxustourismus?


Die STEP-Initiative (Sustainable Tourism - Eliminating Poverty) der Welttourismus­organisation (UNWTO) – der „Weltenbummler im Heißluftballon“ (s. TW 44) – ist auf ihrer Reise auch in Äthiopien, einem Schwerpunktland der internationalen Entwick­lungszusammenarbeit, angekommen. Die im Jahr 2002 ins Leben gerufene Initiative soll zur Armutsbekämpfung durch nachhaltigen Tourismus beitragen. Bis Februar sollen zwei der 15 in Äthiopien geplanten Projekte umgesetzt werden.

Dem äthiopischen Kultur- und Tourismusministerium kommt bei der Umsetzung dieser Projekte eine Schlüsselrolle zu. Es ist unter anderem für die Koordination der am Prozess Beteiligten zuständig. Der STEP-Verantwortliche des Ministeriums räumt jedoch ein, dass es bislang noch keinen Kontakt zu dem für die Region zuständigen STEP-Koordinator der UNWTO gegeben hätte und dass die Bevölkerung vor Ort bis jetzt auch nur teilweise in den Planungsprozess einbezogen worden sei. Private äthio­pische Investoren ließen Ökolodges bauen, um Einnahmen durch den Tourismus zu erzielen und nebenbei auch Arbeitsplätze für die Bevölkerung zu schaffen. Die UNWTO hatte dabei bislang ausschließlich eine Beratungsfunktion inne. Für die Zukunft sollen allerdings auch Investitionen vorgesehen sein.

An der Bishangari-Lodge am Langano-See, ca. drei Autostunden südlich von Addis Abeba, wird deutlich, wie Armutsbekämpfung in der Praxis aussieht. Einerseits schafft die Bishangari-Lodge Arbeitsplätze und somit zusätzliches Einkommen für Bewohner umliegender Gemeinden, doch die Löhne der ca. 30 Beschäftigten klaffen weit aus­einander. Die Chefköchin und der Manager der Lodge, die aus der Hauptstadt stammen und eine fachliche Ausbildung vorweisen können, verdienen etwa zehn Mal so viel wie die aus den benachbarten Dörfern stammenden Mitarbeiter, die als Kellner, Zimmermädchen oder Wachmänner angestellt sind. Da das Angebot der Bishangari-Lodge hauptsächlich auf „Besserverdiener“ ausgerichtet ist, sind auch die Kosten entsprechend höher als bei einfachen Lodges oder kleinen Pensionen. So wird ein Großteil der Einnahmen für den kostspieligen Unterhalt der Anlage (z.B. die Instandhaltung der Solartechnik oder die tägliche Bereitstellung frischer, maschinen­gewaschener Handtücher) aufgewendet und kommt nicht den dörflichen Gemein­schaften zugute.

Die Gemeinden im Umfeld der Lodge reagieren daher durchweg skeptisch. Zwar sind die Beschäftigten der Lodge trotz der niedrigen Löhne sehr zufrieden über ihren Arbeitsplatz, die übrigen Gemeindemitglieder fühlen sich jedoch benachteiligt. Nach Aussage des Dorfältesten haben die Einwohner des Ortes Bishangari weder die Möglichkeit, ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Obst, Gemüse, Gewürze und Honig) anzubieten, noch habe der Lodge-Betreiber Interesse an ihrem Fisch, an Hühnerfleisch oder Eiern. Stattdessen würden dreimal pro Woche teure Lebensmittel aus Addis Abeba zur Lodge transportiert. Um „die Frische der Produkte zu gewährleisten und die Bedürfnisse der Touristen zu befriedigen“, sei ein Einkauf in den teuersten Supermärkten der Hauptstadt unumgänglich, meint der Betreiber der Lodge.

Nach den Vorstellungen der UNWTO sollte die Dorfbevölkerung in einem Verkaufsshop der Lodge Kunsthandwerk wie traditionelle Schals, Holztabletts, Löffel aus Kuhhörnern oder Töpferprodukte anbieten können. Solche Produkte, die im Dorf hergestellt werden, fragt die Bishangari-Lodge jedoch bislang nicht nach.

Das Beispiel Bishangari-Lodge zeigt einmal mehr, dass Armutsbekämpfung kein technischer Vorgang ist, sondern auf den Prinzipien von Partizipation und Kommunikation aufbauen muss. Armutsbekämpfung durch Tourismus wird nur „mit“ und nicht „für“ die Armen erfolgreich sein. „Die Verantwortlichen der Bishangari-Lodge gehen leider auf keinerlei Gespräche mit uns ein“, beklagt der Dorfälteste. „Einigen von uns wurde zwar Arbeit geboten, doch viele Gemeindemitglieder bleiben ausgeschlossen und fühlen sich ungerecht behandelt“.

Isabelle Schunck studiert Geographie mit Schwerpunkt Fremdenverkehrsgeographie. Sie hat zum Thema Armutsbekämpfung im September und Oktober 2006 in Äthiopien recherchiert.

(4.118 Anschläge, 53 Zeilen, Dezember 2006)