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Die ST-EP-Initiative in Kolumbien

Armutsbekämpfung leicht gemacht?


Die von der Welttourismusorganisation (UNWTO) ins Leben gerufene ST-EP-Initiative (Sustainable Tourism - Eliminating Poverty) hat sich nun auch Kolumbien als Projektpartner ausgesucht. Dort soll auf den in der Karibik gelegenen Inseln Providencia und Santa Catalina ein Tourismusprojekt zur Armutsbekämpfung beitragen.

Die Inseln, ca. 200 km von Nikaragua und ca. 800 km von Kolumbien entfernt, setzen im Vergleich zur Nachbarinsel San Andres, die mit Billigtourismus lockt, mehr auf Individualtourismus. Weder große Hotels noch bebaute Strände, sondern vielmehr der traditionelle, karibische Baustil und der unberührte Zustand tragen zum authentischen Charakter der Inseln bei. Im Jahr 2000 wurden die Inseln von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt.

Das UNWTO-Projekt zur Armutsbekämpfung wird von der italienischen Regierung mitfinanziert und von einer einheimischen Nichtregierungsorganisation koordiniert, die gleichzeitig auch als Reiseagentur arbeitet. Neben den einheimischen Projektberatern gibt es auch einige Gruppen, die unmittelbar von dem ST-EP-Projekt profitieren: eine Fraueninitiative, die Kunsthandwerk herstellt, eine Segel- und Kajakschule, ein Pferdeverleih, ein Haarstudio, die Besitzer von „posadas turisticas“ (Pensionen) sowie angehende Reiseleiterinnen und Reiseleiter. Außerdem wurde mit ST-EP-Förderung ein Wanderweg ausgebaut.

Die Kunsthandwerkerinnen sind sehr froh über die Unterstützung, kennen allerdings weder den Namen noch den Gesamtrahmen des Projektes: “Wir sind alle sehr glücklich über die Maschinen, die uns zur Verfügung gestellt wurden. Die Arbeit macht jetzt noch mehr Spaß und wurde vielseitiger“, erklärt die Vereinsvorsitzende. Auch ein anderer Begünstigter ist froh über die Unterstützung: “Im vergangenen Jahr bekam ich ein Startkapital. So konnte ich drei Segelboote kaufen, die Bar bauen sowie mein Tauchzentrum einrichten. Ich bin sehr froh, denn nun kann ich meinen Traum verwirklichen. Trotzdem fehlt mir noch Geld für Werbung und andere Anschaffungen, z.B. Ausrüstung oder Kajaks“, räumt er ein.

Als Gegenleistung für die Unterstützung mussten die Unternehmer eigene Finanzmittel oder Land beisteuern. Das trägt laut Aussagen der lokalen Organisation zur Bewusstseinsbildung bei und fördere gleichzeitig die Partizipation der Gemeinde bei der Entwicklung eines “nachhaltigen Tourismus“.

Obwohl auch andere Gruppen, wie z.B. die Fischer, Interesse an dem Projekt hatten, profitieren sie bisher nicht davon. “Da der Fischpreis stark gesunken ist, müssen wir uns um alternative Einkommensmöglichkeiten bemühen. Mit Hilfe des Projektes könnten wir zum Beispiel mit Faltblättern Werbung für unsere Ausflugstouren machen. Wir selbst haben nicht genug Mittel für all das. Wir müssen schon für Benzin, Eis, Öl und Wartung aufkommen, da bleibt nicht viel übrig zum Leben“, erzählt der Vorsitzende der Fischereigewerkschaft.

Viele der Projektbegünstigten scheinen die Ziele eines nachhaltigen und armutsreduzierenden Tourismus nicht zu kennen. Auch den Besuchern der Insel sind Name und Inhalt des Projekts unbekannt. Fraglich ist, ob tatsächlich Menschen mit niedrigem Einkommen vom Projekt am meisten profitieren. Laut der lokalen NGO wurden die Begünstigten anhand einer Machbarkeitsstudie ausgewählt, es fand keine offizielle Ausschreibung und kein Bewerbungsverfahren statt. Das Projekt weist einen “Top-Down-Charakter“ auf, wobei eher persönliche Kriterien als unparteiische, sachliche Instrumente herangezogen werden.

Eigentlich hat sich die lokale Regierung der Inseln einem “nachhaltigen Tourismus“ verschrieben. Für die Eigentümer kleiner Pensionen sollten damit Einkommensquellen im Tourismus geschaffen werden. Heute werden jedoch in Kooperation mit dem international agierenden Unternehmen Decameron “All-Inclusive“-Pakete angeboten. Die Besitzer kleiner Hotels und Pensionen können mit diesem Trend nicht Schritt halten. Die Eigentümer haben keine andere Wahl, als mit Decameron zu kooperieren, wenn sie im Tourismusgeschäft überleben wollen: “Mir bleibt nichts anderes übrig, als im nächsten Jahr auch All-Inclusive-Angebote zu verkaufen, wenn ich mein Unternehmen retten will“, so ein Hotelbesitzer.

Eine klare entwicklungspolitische Beschreibung des ST-EP-Projekts liegt offenbar nicht vor. Dass es kein Bewerbungsverfahren für die Vergabe von Krediten gibt und nur bestimmte Gruppen begünstigt werden, zeugt weder von einem gerechten Verteilungsmechanismus noch von der immer wieder geforderten Transparenz.

Isabelle Schunck ist Diplom-Geografin. Sie hat in Zusammenarbeit mit dem EED zum Thema Armutsbekämpfung in Äthiopien (2006) und Kolumbien (2007) recherchiert.

(4.899 Anschläge, 66 Zeilen, März 2008)