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Die „ST-EP“-Initiative – ein Weltenbummler im Heißluftballon

Armutsbekämpfung durch Tourismus bleibt fragwürdig


Auf dem vierten „ST-EP“-Forum der Welttourismusorganisation (UNWTO) auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) Anfang März in Berlin blieben erneut mehr Fragen offen, als beantwortet wurden. Die Unklarheit in der Verantwortung der „ST-EP“-Initiative („Sustainable Tourism – Eliminating Poverty”) samt ihrer emotionalen Themeninhalte vermittelte den Eindruck, als ob sich die Initiative seit nun mehr als vier Jahren in einem Anfangsstadium befände.

„Wohin fließt das ganze Geld?“ fragte der Tourismusminister Argentiniens zum Abschluss seiner Eingangsrede. Diese Frage wurde jedoch in den Ausführungen des „ST-EP“-Beauftragten der UNWTO, Eugenio Yunis, nicht fassbar beantwortet. Seine Präsentation bezog sich in erster Linie auf ein „Memorandum of Understanding“, das zwischen der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), der niederländischen Entwicklungsorganisation SNV, dem französischen Außenministerium und der UNWTO 2005 in Dakar unterzeichnet wurde, sowie auf diverse „ST-EP“-Workshops in Nicaragua, Brasilien und Korea. Der Handlungsspielraum der „ST-EP“-Initiative liegt nach Yunis' Meinung vor allem in der Ausarbeitung von Programmen und beim Wissensmanagement. Außerdem solle der Tourismusindustrie zukünftig Priorität geschenkt werden. Reiseveranstalter sollen durch den Aufbau von Netzwerken gestärkt werden. Ob die einheimische Bevölkerung hierbei irgendwo ein Mitspracherecht hat, blieb unklar.

Auch die weiteren Präsentationen waren sehr vage formuliert. So blieb undurchsichtig, welche „ST-EP“-Projekte es nun letztendlich gibt. Der gesamte finanzielle Beitrag, der für die „ST-EP“-Initiative aufgewendet wird, wurde von keinem der Referenten in irgendeiner Hinsicht begründet. Am Rande wurde lediglich auf die neue UNWTO-Publikation „A Compilation of Good Practices" verwiesen. Bei vielen der darin vorgestellten Projekte handelt es sich um neu entstandene touristische Betriebe, d. h. Reiseveranstalter, Hotels oder Lodges, die oft mit Hilfe ausländischer Investitionen aufgebaut wurden. Für das Jahr 2006 sind laut UNWTO weitere 29 Projekte geplant. Die UNWTO hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2015 – der Zielvorgabe zum Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele – insgesamt 5.000 „ST-EP“-Projekte aufzubauen.

Die „ST-EP“-Initiative wurde im Jahr 2002 auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg als gemeinsame Idee der Welttourismusorganisation (UNWTO) und die Konferenz für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCTAD) gegründet. „ST-EP“ steht als Abkürzung für „Sustainable Tourism – Eliminating Poverty”. Die „ST-EP“-Initiative soll die Verbindung zwischen nachhaltigem Tourismus und Armutsbekämpfung herstellen und wird seitens der UNWTO in Anlehnung an die Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) als Mittel zur Armutsminderung definiert, um Missstände in den Entwicklungsländern zu beheben bzw. „auszulöschen“ (= eliminate). Den größten finanziellen Beitrag zur ST-EP-Initiative leisten die Republik Korea und die niederländische Entwicklungsorganisation SNV. Durch die „ST-EP“-Foundation, eine zu diesem Zweck gegründete Stiftung mit Sitz in Seoul, sollen diverse Tourismusprojekte in bestimmten Entwicklungsländern gefördert werden.

Nach Meinung der UNTWO sind ausländische Investitionen ein Mittel zur Armutsbekämpfung. Entwicklungspolitisch wird eine effektive Armutsbekämpfung jedoch anders definiert. Demnach ist es wichtig, die einheimische Bevölkerung von Anfang an in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Dass dies nicht geschieht, zeigt das Beispiel der Bishangari Lodge in Äthiopien. Die Lodge wird von der UNWTO als Luxusanlage beschrieben. Sie ist nach Aussage des STEP-Koordinators für das östliche und südliche Afrika, Tim Foggin, als "Benchmark-Objekt" durch ausländische Investitionen entstanden. Laut Foggin müsse man nach Ansicht der UNWTO lediglich Land kaufen oder pachten, eine vollkommen privat organisierte Lodge bauen und könne dann über die Einbeziehung oder Beteiligung der lokalen Gemeinschaften nachdenken. Weltweit gibt es insgesamt drei Verantwortliche, die als „ST-EP“-Koordinatoren sehr große Regionen zu betreuen haben und in höchst unterschiedlichen Zielländern eine Vielzahl von Projekten steuern.

Nach Einschätzung der Afrikanischen Union sind in Entwicklungsländern aber wichtigere Probleme, wie z. B. Aids, Malaria, mangelnde Gleichstellung von Frauen, Terrorismus und chronische Armut zu lösen, als fragwürdige Einnahmen durch undurchsichtige Tourismusprojekte zu erzielen. "Afrikaner fühlen sich durch Geldgeber wie die UNWTO in die Irre geführt, da diese offenbar nur das Ziel des Profits auf Kosten aufrichtiger Menschen verfolgen", so ein Vertreter der Afrikanischen Union. Die Aussage von UNWTO-Berater Geoffrey Lipman, wonach die „Geldflüsse gesteigert und diese wieder für eine geeignete Sache ausgegeben werden müssen" bestätigt die Einschätzung, dass das Ziel der „ST-EP"-Initiative in erster Linie im wirtschaftlichen Gewinn liegt. Weitere Ziele im Zusammenhang mit Armutsbekämpfung, wie zum Beispiel Verbesserungen im Gesundheitswesen, Gleichberechtigung, Schutz vor sexueller Ausbeutung oder Einrichtung von Schulen und Bildungseinrichtungen mit diversen Trainingsprogrammen, werden in keiner Hinsicht erwähnt.

Deutsche Steuergelder für ST-EP?

Die GTZ war an dem im letzten Jahr in Dakar unterzeichneten „Memorandum of Understanding“ beteiligt, das jedoch noch keine finanziellen Zugeständnisse beinhaltet. Der Beitrag der GTZ beinhaltet nach Aussage des GTZ-Tourismusexperten Klaus Lengefeld PPP-Projekte („Public-Private-Partnerships“) im Beherbergungssektor. Die GTZ will zukünftig Hotels im Marketing unterstützen, darunter das „Hilton" auf Tobago, das „Interkontinental" in Ruanda oder das Projekt „Adopt a Farmer“ des „Hilton" in Ruanda. Dadurch sollen Arbeitsplätze geschaffen werden, um für die Menschen Einkommen durch Arbeitslöhne zu schaffen, inwieweit aber die Landbevölkerung tatsächlich partizipiert, bleibt unklar. Auch finanziell würde, so Lengefeld, die GTZ der „ST-EP“-Initiative gerne beitreten, was aber seitens des BMZ genehmigt werden müsse. Bundesmitteln für die „ST-EP“-Initiative steht Heinz Fuchs von Tourism Watch ablehnend gegenüber. Dazu müssten zunächst Projekte und Vorhaben in ihrer Entwicklungsperspektive klarer beschrieben und ihre Umsetzung transparent dargestellt werden.

Isabelle Schunck studiert Geographie mit Schwerpunkt Fremdenverkehrsgeographie an der Universität Trier und arbeitet zum Thema "Armutsbekämpfung durch Tourismus".

(6.361 Anschläge, 82 Zeilen, Juni 2006)