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Die großen Schritte der kleinen Veranstalter

Drei Fragen an Rolf Pfeifer, "Forum anders reisen e.V."


Mit drei Initiativen geht das ″Forum anders reisen″ als Verband kleiner und mittelständi­scher Reiseveranstalter derzeit große Schritte auf dem langen Weg in Richtung Nach­haltigkeit. Klimaschutz soll konkret werden. Die Zusammenarbeit zwischen entwicklungspolitisch ausgerichteten Tourismusinitiativen und Reiseveranstaltern soll verbessert werden. Unternehmerisches Handeln soll durch Nachhaltigkeitsberichte transparenter werden. Von Rolf Pfeifer, dem Geschäftsführer des Verbandes, wollten wir mehr dazu wissen.

TW: Mittlerweile zahlen drei Ihrer Mitglieder freiwillig Klimaabgaben an 'Atmos­fair'. Machen die Kunden mit? Wie lange wird es dauern, bis die anderen Veranstalter nachziehen?

Rolf Pfeifer: Ja, ″Demeter Reisen″ und auch ″Begegnung mit Böhmen″ schließen den Betrag der freiwilligen Atmosfair-Klimaabgaben für ihre Kunden in den Gesamtreise­preis mit ein, und ″Neue Wege Reisen″ übernimmt die Hälfte der Abgaben. Die zerstörerischen Effekte der Flugabgase eines ″Demeter″- und eines ″Begegnungen mit Böhmen″-Kunden werden durch Atmosfair gemildert, indem an anderer Stelle dann etwa die gleiche Menge an individuell verursachtem CO2 eingespart wird. Ein ″Neue Wege-Kunde″ wird angeregt, die Hälfte der freiwilligen Atmosfair-Abgaben zu zahlen. ″Neue Wege Reisen″ hat mit dieser Strategie auch bereits beachtliche Zuwachs­raten an Atmosfair-Einzahlungen erreicht, da die Kunden aktiv auf die Klima­beeinträchtigung aufmerksam gemacht werden und sich dann denken: ″Wenn mein Reiseveranstalter schon die Hälfte der Abgaben für mich übernimmt, zahle ich gerne die andere Hälfte″.

Im Moment ist das Thema Klimaschutz hochaktuell. Atmosfair hatte 2006 noch durch­schnittlich ca. 20 Atmosfair-Kunden am Tag. Heute sind es 200. Unsere Mitglieder profitieren schon seit zwei, drei Jahren vom Wandel in der Gesellschaft. Die Kunden suchen qualitativere Angebote und finden sie bei uns. Wir merken, dass die Öffentlich­keit momentan extrem wissbegierig ist, was den Klimaschutz angeht. Ein Veranstalter, der sich aktiv für die Atmosfair-Abgabe einsetzt, gewinnt momentan an Aufmerksam­keit, und es wird unserer Meinung nach nicht mehr lange dauern, bis weitere Veranstalter nachziehen.

TW: Seit Anfang des Jahres arbeitet Dina Bauer im Rahmen eines so genannten EED-Rückkehrerinnenvertrages beim ″Forum anders reisen″ daran, den Zugang von umweltverträglichen und sozialverantwortlichen Tourismusprojekten in Entwicklungs- und Schwellenländern zum deutschen Reisemarkt zu verbessern. Wie werden solche Projekte jetzt buchbar?

Rolf Pfeifer: Dina Bauer ist dabei, das ″Forum anders reisen″ auch für Mitglieder aus dem Süden zu öffnen. Wir wollen eine Plattform einrichten, in die wir Anbieter nach­haltig gestalteter touristischer Dienstleistungen aus Entwicklungs- und Schwellen­ländern aufnehmen und direkt an Reiseveranstalter in Europa weitervermitteln. Es handelt sich hierbei um kleinere Unterkünfte, Verpflegungsanbieter, gemeindebasierte Tourismusprojekte, etc. Um die Nachhaltigkeit prüfen zu können, weiten wir unseren Kriterienkatalog für neue Mitglieder aus Lateinamerika, Asien und Afrika aus. Dies geschieht in Kooperation mit anderen entwicklungspolitisch engagierten Organisationen und in Absprache mit Anbietern aus dem Süden. Die Abstimmung der Kriterienauswahl mit den Erfahrungen unterschiedlichster Beteiligter halten wir bei der Gestaltung ″fairer″ touristischer Produkte für enorm wichtig.

Zukünftig können sich europäische Reiseveranstalter – Mitglieder des 'Forum anders reisen' und auch andere – mit Rechercheanfragen an uns wenden. Gleichzeitig werden wir auch Anfragen aus dem Süden nachgehen und aktiv nach entsprechenden Kooperationspartnern in Europa suchen. Der Endverbraucher kann dann diese Reise­produkte aus dem Süden über einen Reiseveranstalter in Europa buchen.

TW: Derzeit durchleuchten fünf Ihrer Mitglieder ihre Unternehmen und Reise­produkte anhand messbarer ökonomischer, ökologischer und sozialer Indikatoren, um mit den Ergebnissen Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen. Was werden Ihre Kunden und Vertragspartner aus solchen Berichten Neues und Konkretes erfahren?

Rolf Pfeifer: Eine Grundvoraussetzung für die Mitgliedschaft bei uns ist unser Kriterienkatalog und dessen Einhaltung. Mit einem Projekt zu Corporate Social Responsibility (CSR), das wir mit fünf Pilotunternehmen des ″Forums anders reisen″ sowie drei bis vier Unternehmen aus Frankreich und Spanien durchführen, wollen wir die Transparenz des Nachhaltigkeitsaspektes unserer Reiseangebote erhöhen. Wir werden Nachhaltigkeitsberichte erstellen, in denen Interessierte nachlesen können, was wir in Sachen Nachhaltigkeit konkret tun, sowohl hier als auch in den Zielgebieten. So werden wir z.B. über die lokale Wertschöpfung im Zielgebiet Aufschluss geben, über den Anteil an Übernachtungen in familiengeführten Beherbergungsbetrieben, über die Art der Transportmittel, etc. Der Kriterienkatalog soll in den Angeboten unserer Mit­glieder ″sichtbarer″ werden.

Dieses Pilotprojekt unterstützt uns dabei, ein Höchstmaß an Verantwortung tragen zu können. Es geht uns nicht nur darum, Gewinne zu erwirtschaften, sondern auch darum, wie sie erwirtschaftet werden. Durch mehr Transparenz wollen wir Nachhaltigkeit zusammen mit unseren Mitarbeitern, Kooperationspartnern, Kunden und der Öffent­lichkeit besser ″leben″, fördern und ständig verbessern.

(5.344 Anschläge, 71 Zeilen, Juni 2007)