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Der andere Tourismus

Der 13. "Reisepavillon" in Hannover und eine Nachlese zum Jahr des Öko-Tourismus


Das Jahr des Öko-Tourismus, das die Vereinten Nationen und die Welttourismusorganisation für 2002 ausgerufen hatten, ist vorüber – die Diskussionen darüber sind es nicht. Der traditionell diskussionsfreudige "Reisepavillon" (Ende Januar in Hannover) versuchte sich auf gleich zwei Veranstaltungen an einer Bilanz dieser internationalen Kampagne und rührte so auch an den Kontroversen, die darüber geführt wurden. Vor allem NGOs des Südens hatten eine touristische Offensive auf die letzten Naturrefugien dieser Welt befürchtet – nun musste man feststellen, dass der große Run ausgeblieben ist. Was war es also, das Öko-Tourismusjahr, war es ein Flop?

Während nun die Kritiker erleichtert aufatmen können, sind vor allem die Anbieter von Öko-Reisen enttäuscht. Die Liste der Klagen ist lang. Man ist enttäuscht vom Desinteresse der Medien, die kaum darüber berichteten, aber auch von der mangelnden Bereitschaft großer Veranstalter, Öko-Reisen zu lancieren. Viele Chancen wurden vertan. Selbst jetzt, nach vielen weltweiten Konferenzen zum Jahr des Öko-Tourismus ist ungeklärt, was unter Öko-Tourismus wirklich zu verstehen ist.  Allein die Initiatoren der Kampagne geben sich unverdrossen optimistisch. Oliver Hillel von der UNEP, der Umweltorganisation der Vereinten Nationen, betonte den schwer messbaren "unterschwelligen" Effekt, der von internationalen Konferenzen ausgehe und langfristig die Tourismuspolitik der Länder beeinflusse. Und er warb für Geduld: Vielleicht sollten wir die Diskussionen um die sogenannte Nachhaltigkeit im Tourismus mit der Wirkung der Homöopathie vergleichen, sie als eine Therapie verstehen, die, wie Hillel meinte, helfen kann, aber nie schade… Vielleicht.

Dennoch erstaunte, wie klar die Szene der Öko-Anbieter und kleinen Reiseveranstalter auf dem Reisepavillon jeden messbaren ökonomischen Nutzen des Öko-Tourismusjahres verneinte. Natürlich wurden wieder Wachstumserfolge vermeldet. Der Verband "Forum Anders Reisen", dem über 80 Anbieter angehören, berichtete von durchschnittlichen Umsatzsteigerungen von 20-25 Prozent für das vergangene Jahr – aber das gilt in dieser Branche als "normal". Vor allem die Qualität ihrer Angebote mache diese Veranstalter für immer mehr Menschen attraktiv, verkündete der Verband. "Hier wird der hohe Erlebniswert gebucht," meinte Kai Pardon von "One World"-Reisen, "Öko ist quasi der Zusatznutzen, den unsere Gäste haben." Mehr und mehr, so scheint es, verbindet sich Umweltbewusstsein mit Qualitätsansprüchen. Ein Trend, der nahezu unbemerkt vonstatten geht.

Vielleicht trägt dieser Trend auch zum dauerhaften Erfolg des Reisepavillons bei. Der einst bescheiden-beschauliche "Marktplatz für anderes Reisen" (wie sich der Reisepavillon immer noch nennt) ist jetzt im 13. Jahr seines Bestehens in einer großen und lichten Halle der Hannovermesse angekommen. Zur Eröffnung gaben sich Ministerin Renate Künast und Bergsteigerlegende Reinhold Messner die Ehre. Der Reisepavillon kooperierte wieder mit dem Bundesunternehmen "Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit" (GTZ) . Dessen "Forum International für nachhaltigen Tourismus" bot unter anderem einen Marketing-Workshop, ein spezieller Ausstellungsbereich informierte über die Reiseangebote der von der GTZ geförderten Entwicklungsprojekte in teilweise sehr exotischen Regionen etwa in Äthiopien oder in Laos.

Über 200 Veranstalter zählte der Reisepavillon, immer mehr Anbieter im Bereich des Nationalparktourismus sind hinzugekommen. Und neben all den schönen Angeboten von Öko-Reisen in eine intakte und großartige Natur sorgten auch die tourismuskritischen Gruppen der Arbeitsgemeinschaft "DANTE" wieder für Diskussionsstoff. Sie thematisierten in einer neuen Kampagne den "fairen" Handel im Tourismus, ein Thema, das seit jeher für entwicklungspolitisch engagierte NGOs zentral war, im Zuge der Öko-Diskussion jedoch ins Abseits geriet. So eröffnete die Arbeitsgemeinschaft erneut die Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit, um Transparenz und Mitsprache der Produzenten im internationalen Wirtschaftsgeflecht. Sie versteht ihren Vorstoß nicht als Plädoyer für neue Reiseprodukte, sondern als Herausforderung an die unternehmerische Verantwortung im Tourismus. Das Ziel: mehr Reiseangebote mit glaubwürdigen Labels auf dem Markt zu lancieren. Was bei Bananen möglich ist, könnte auch fürs Reisen gelten, meinte Christine Plüss vom Baseler "Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung". Immerhin würden in der Schweiz schon über 20 Prozent aller gehandelten Bananen aus dem "fairen" Handel kommen. Diese Größenordnung verblüffte so manchen Zuhörer. Nicht zuletzt deshalb, weil der Marktanteil von Öko-Reisen zwischen einem bis drei Prozent liegt – trotz aller internationalen Promotion.

(4.718 Anschläge, 59 Zeilen, taz vom 8.2.2003)

Anm. d. Red.: Die Standgestaltung und Veranstaltung über fairen Handel lagen in den Händen von TOURISM WATCH und dem "Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung".