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Den Kampf nicht aufgeben


Der Nachruf von Georg Friedrich Pfäfflin und Regula Renschler erreichte uns erst nach Druckschluss und ist weiter unten zu finden.

Peter Holden war einer der Pioniere der Tourismuskritik. Er war 1982 bis 1986 der erste Direktor der "Ecumenical Coalition On Third World Tourism" (ECTWT, heute "Ecumenical Coalition On Tourism" - ECOT). Bereits zuvor arbeitete er mit Menschen in den Kirchen und in der Zivilgesellschaft zusammen, die sich Gedanken über die Tourismusentwicklung in Asien und anderen Teilen der Welt machten. Ein Meilenstein war ein Workshop zum Dritte Welt-Tourismus in Manila 1980. In seinen Reflektionen zu diesem Workshop schrieb Peter Holden: "All diese Leute kamen aus unterschiedlichen Zusammenhängen, in denen der Tourismus als (zumindest ein) Mittel für die Rettung der Wirtschaft und als "Industrie ohne Schornsteine" gepriesen wird. Einige von ihnen sahen diese Erfahrungen aus der Perspektive von Touristen. Andere arbeiteten in Hotels und anderen Bereichen, die mit dem Tourismus zu tun hatten. Einige lebten in Orten, wo traditionelles und produktives Land für den Tourismus übernommen wurde. Andere waren sich darüber bewusst, dass ihre kulturelle Identität durch den Tourismus bedroht war. Für einige stand ihre Lebensgrundlage auf dem Spiel. Einige stellten fest, dass die Lebensmittelpreise unter dem Druck der gestiegenen Nachfrage aus dem Tourismus in die Höhe schnellten. Einige sahen, wie über ihre Umwelt hergefallen wurde, wieder andere erlebten Prostitution und Angriffe auf ihre Menschenwürde durch den Tourismus". ("Maintaining the Rage: Roots of ECOT" in: Transforming Re-Forming Tourism, ECOT, 2008. siehe auch TourismWatch Nr. 50, März 2008)

Diese Zeilen spiegeln nicht nur den Hintergrund der Gründung der Coalition 1982 wider, sondern geben auch Hinweise darauf, wie Peter Holden dachte. Er sah den globalen Tourismus im Dritte Welt-Zusammenhang, also in erster Linie als politisches Thema, und bezog sich "auf Situationen, in denen mächtige Eliten die Entscheidungen trafen und lokale Stakeholder an den Rand gedrängt wurden und keine andere Wahl hatten, als die wirtschaftliche Bereicherung zu unterstützen, den politischen Ambitionen der Mächtigen zu dienen... Folglich ist es nicht einfach nur der Tourismus, wo der Zorn aufrechterhalten werden muss, sondern der Tourismus in Dritte Welt-Strukturen'.

Wir verdanken Peter Holden all das, was er erreicht hat: die Zeitschrift "Contours", die Gründung der ECPAT-Kampagne zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung (die nun unabhängig arbeitet), seine führende Rolle in zentralen Diskussionen in regionalen und internationalen Foren, die Organisation bedeutender Konferenzen und die zahlreichen Netzwerke und Gruppen, die durch seine Arbeit, Unterstützung und Ermutigung inspiriert wurden. Der Tourismus ist heute noch bedeutender und stellt uns vor noch größere Herausforderungen als zu Peter Holdens Zeiten. Wir gedenken seiner und schätzen ihn als einen wichtigen Akteur, der dazu beigetragen hat, die Herausforderungen im Tourismus ins Rampenlicht zu rücken.

Peter Holden wurde am 10. August 1935 in Sydney geboren. Er verstarb am 20. Mai 2010 in seinem Haus in Port Macquarie in New South Wales, Australien. Wir kondolieren Peters Frau Velvy, seinen Kindern Donna und Paul und ihren Familien.

Caesar D'Mello ist Direktor der Ecumenical Coalition On Tourism (ECOT) in Chiang Mai, Thailand.

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(3.204 Anschläge, 41 Zeilen, September 2010)

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Von Georg Friedrich Pfäfflin und Regula Renschler

Der australische Theologe Peter Holden war der erste Generalsekretär der „Ecumenical Coalition on Third World Tourism" mit Sitz in Bangkok. Er war unser Mitstreiter, unser Freund und langjähriger Verbündeter in unseren Bemühungen, den Menschen hierzulande die Auswirkungen des Tourismus auf die Menschen in den armen Ländern zu erklären, den Widerstand lokaler Bevölkerungen gegen touristische Projekte zu stärken und Alternativen anzubieten. „Wir", das waren der Arbeitskreis "Tourismus und Entwicklung" (später Akte) in Basel, das „Zentrums für entwicklungsbezogene Bildung" ZEB (später „Tourism Watch") in Stuttgart und das TEN („Tourism Ecumenical/European Net"). Peter Holden war unseren gemeinsamen Anliegen leidenschaftlich verpflichtet. Als Australier, der sich dem asiatischen Kontinent zugehörig fühlte, war er ein Brückenbauer zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd.

Zusammen mit dem neuseeländischen Theologen Ron O'Grady, dem ehemaligen Generalsekretär der „Christian Conference of Asia" CCA, suchte er den Kontakt zum Papst und zum Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf. Er wollte die grossen Kirchen mit ins Boot nehmen im Kampf gegen die Ausbeutung der Armen durch den Tourismus.

Peter Holden erkannte im Dritte-Welt-Tourismus die gleichen Strukturen wie in allen Beziehungen der globalen Weltwirtschaft. Somit war dieser Tourismus für ihn ein eminent politisches Thema, das sowohl in den Ländern, woher die Touristen kamen, als auch in den Ländern, wohin sie reisten, zu untersuchen und zu diskutieren war. Als Generalsekretär der Coalition empfand er sich vor allem als Sprachrohr der „Opfer" des Tourismus und als unermüdlicher Förderer lokaler Initiativen, die sich gegen touristische Projekte wehrten, welche nicht mit der lokalen Bevölkerung abgestimmt waren. Überall und stets forderte er Partizipation aller Beteiligten ein.

Die 1982 gegründete Coalition und das TEN brauchten einander. Gegenseitig dienten wir einander als Legitimierung unserer Arbeit. Die gemeinsame Basis errichteten wir 1981 in Stockholm, an der ersten internationalen Konferenz zum Dritte-Welt-Tourismus („Third World People and Tourism"). Unsere Zusammenarbeit wurde enger, als wir den Zusammenhang zwischen Prostitution, Tourismus und Entwicklung herstellten und im Bereich Sextourismus und Frauenhandel zu recherchieren begannen. 1983 fuhren wir nach Thailand. Peter Holden und seine thailändischen Kolleginnen und Kollegen öffneten die Türen, führten uns ein in die asiatische Mentalität und waren grossartige Gastgeber. Nächtelang unterhielten wir uns über Ursachen und Folgen des Sextourismus in Asien, über die Motive der Frauen in diesem Gewerbe, über unterschiedliche Mentalitäten, über Strategien und politische Forderungen. Wir streiften durch Bangkok by night, fuhren aufs Land, diskutierten mit Betroffenen und sahen die verheerenden Folgen des Tourismus  in einem armen Land. Daraus entstand zusätzlich ein internationales Netzwerk gegen die Ausbeutung von Frauen und Kindern im Tourismus, die ECPAT-Kampagne.

Peter war gern unterwegs, Asien war die Heimat seines Herzens, in Australien hielt es ihn nie lange. Wir freuten uns immer, wenn er nach Europa kam zu unseren TEN-Treffen nach Stuttgart, Basel, London, Paris, Noorwijk, Wijgmaal oder wir ihn in Asien oder Afrika trafen. Bescheiden trat er auf, hartnäckig diskutierte er, meist freundlich lächelnd, und auf Konferenzen, die wir zusammen organisierten, hielt er in einem gewählten Englisch blendende Reden. Als sich unsere Wege gegen Ende der achtziger Jahre aus beruflichen Gründen trennten, blieben wir uns als Freunde verbunden.

November 2010