Boracay ist ein 1.032 Hektar großes Inselparadies mit weißen Stränden an leuchtend blauem Meer, ein Haupturlaubsziel in den Philippinen und Heimat der indigenen Gemeinschaft der Ati. Unkontrolliertes Tourismuswachstum drängte die Ati jedoch ins Hinterland der Insel. Vor kurzem wurde die Insel für Touristen komplett gesperrt, um weitere Umweltschäden zu verhindern. Ob diese drastische Maßnahme nun zu einem Umlenken in der Tourismuspolitik führt und zukünftig die Rechte der Ati achtet, wird sich zeigen.
Die touristische Erschließung Boracays
Die Ati sind Nachkommen der ersten Bewohnerinnen und Bewohner der Philippinen. Traditionell waren die Ati halbnomadische Jäger und Sammler. Sie zogen in Kleingruppen auf der Insel umher, blieben vorübergehend dort, wo es genug zu jagen gab, und kehrten dann wieder in die Umgebung zurück, die sie als ihr Zuhause betrachteten. Heute besteht die Ati-Gemeinschaft auf Boracay aus mehr als 250 Personen.
Um die Jahrhundertwende zogen immer mehr Migrantinnen und Migranten aus anderen Regionen der Philippinen auf die Insel, die nicht zur Volksgruppe der Ati gehörten. In den 1970er Jahren trieb die Regierung die Tourismusentwicklung stark voran. Das zwang die Ati dazu in abgelegenere Gebiete der Insel zu ziehen. Sie besaßen keine rechtsgültigen Dokumente, um ihren Besitz, geschweige denn ihr Eigentum an ihrem angestammten Land nachzuweisen. Seit dem Anfang der 2000er Jahre behandelten die Regierung und die Zugezogenen, die Anspruch auf das Land erhoben, die Ati wie informelle Siedler und drohten ihnen mit Zwangsvertreibung. Das überrascht nicht, denn mit der zunehmenden Beliebtheit der Insel als Urlaubsort stiegen der Wert von Grund und Boden und die Investitionen in Boracay stark an.
Obwohl die Ati als indigene Gruppe einen Anspruch auf ihr angestammtes Land haben, konnten sie diesen nicht durch verbriefte Rechtstitel nachweisen. Dementsprechend waren die Landrechte der Ati schlecht geschützt vor staatlichen wie privaten Akteuren, die ebenfalls Ansprüche auf das Land erhoben. Die Ati sahen sich gezwungen, ihre Ansprüche zu untermauern, indem sie ein verbrieftes Zertifikat über ihr angestammtes Land (Certificate of Ancestral Domain Title – CADT) beantragten. Nach dem Gesetz über die Rechte indigener Völker (Indigenous Peoples’ Rights Act - IPRA) von 1997 ist dies eher ein optionaler als ein notwendiger Vorgang zur staatlichen Anerkennung der Landrechte indigener Bevölkerungsgruppen.
Der Kampf der Ati um Land und Leben
Einige Tourismusunternehmen, lokale und nationale Behörden, behaupteten, dass die Ati illegal Privatgrundstücke besetzen und ihre Landrechte als indigene Gruppe auf öffentlichen Grund und Boden geltend machen würden. Sie versuchten die Ati-Gemeinschaft zu überzeugen, ihren Antrag zurückzuziehen und in eine Ati-Siedlung in der Provinz Aklan umzuziehen. Die Gemeinschaft erhielt ihren Antrag aufrecht, beanspruchte aber nur ein kleines Gebiet in Boracay, wo sie leben könnten. Im Jahr 2001 wiesen die Ati in einem Brief an die nationale Kommission für indigene Völker (National Commission on Indigenous Peoples) auf die Dringlichkeit ihres CADT-Antrags hin:
„Im Lichte der rasanten Ausbreitung des Tourismus ‚zu Entwicklungszwecken‘, den angekündigten Plänen weiterer Personen, hier in Boracay Land besitzen zu wollen … und der Vergabe von Eigentumsrechten an Grund und Boden durch verschiedene Regierungsbehörden, bitten wir dringend darum, dass unsere Petition so bald wie möglich angehört werden möge, bevor wir unser Land, unser Erbe, unsere Rechte, ja unser LEBEN hier in unserem angestammten Gebiet ganz verlieren. Wir verlangen nur nach diesem Stück Land, um es an unsere Kinder weiterzugeben, um ihnen die Härte und die Not und die Unsicherheit zu ersparen, unter der wir zu leiden haben.“
Der Kampf geht weiter
Es dauerte mehr als ein Jahrzehnt, bis die Ati ihr CADT über 2,1 Hektar Land – weniger als ein Prozent der gesamten Insel – erhielten. Und noch über ein Jahr, bis sie schließlich wieder einige Gebiete auf ihrem angestammten Land bewohnen konnten. Ihr Kampf ist jedoch noch lange nicht vorbei. Zugezogene Klägerinnen und Kläger erheben weiterhin Anspruch auf Grund und Boden stellen ihre Rechte in noch schwebenden Gerichtsverfahren weiter in Frage. Außerdem können die Ati noch immer nicht die gesamten 2,1 Hektar ihrer angestammten Gebiete bewohnen, denn einige Klägerinnen und Kläger weigern sich, Teile des Gebiets zu räumen.
Tourismus: Fluch und Segen zugleich
Nachdem die Insel zum Schutz der Umwelt sechs Monate lang für Touristinnen und Touristen gesperrt war, wurden den Ati im November 2018 zusätzliche 3,2 Hektar Land auf Boracay zugesprochen. Das Land wurde den Ati außerhalb der Rubrik des IPRA übertragen - also nicht in Anerkennung ihres Eigentums an Grund und Boden aufgrund ihrer Landrechte als indigene Gruppe. Vielmehr war es eine Zuwendung von öffentlichem Grund und Boden für begünstigte Bäuerinnen und Bauern. Die Regierung sieht vor, dass die Ati auf diesem Land leben und es für Agrotourismus-Initiativen, die von der Gemeinschaft selbst gemanagt werden, nutzen sollen. Nichtsdestotrotz wappnen sich die Ati. Einige Klägerinnen und Kläger haben ihnen bereits heftige Gegenreaktionen angedroht, weil sie die Dreistigkeit besessen hätten, Eigentumsansprüche auf weitere Flächen in Boracay anzumelden.
Das Verhältnis der Ati zur Tourismuswirtschaft ist bestenfalls ambivalent: Zwar finden 80 Prozent ihrer Mitglieder gering qualifizierte Arbeit in Tourismusunternehmen und heißen im Kulturerbezentrum ihres Dorfes Reisende willkommen, doch sie sehen im boomenden Tourismussektor auf Boracay weiterhin eine Bedrohung für ihren Landbesitz und ihre Kultur. Die Ati haben noch immer mit Diskriminierung zu kämpfen und mit der Angst vor der Gefahr, dass sich jemand ihr angestammtes Land widerrechtlich aneignen oder dass es an den Meistbietenden verkauft werden könnte.
Dr. Mary Kristerie A. Baleva ist Autorin von Regaining Paradise Lost: Indigenous Land Rights and Tourism.Sie verwendet darin die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte als übergreifenden Rahmen zur Analyse der Schnittflächen von indigenen Landrechten und der Tourismuswirtschaft. Sie studierte und promovierte in Jura mit Schwerpunkt Menschenrechte an den Universitäten Kong und Zürich.
Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp