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Burma: Diskussion um Boykott-Aufruf

Tourismuskritiker im Dienst der Reise-Industrie?


Für eine heftige Debatte in internationalen tourismus- und entwicklungspolitischen NGO-Kreisen sorgt seit einigen Monaten die Wiener Organisation "Respect - Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung". Im Gegensatz zu einem Burma-Boykottaufruf zahlreicher Initiativen, einiger Transportgewerkschaften und von Burmesen im Exil spricht sich "Respect" für Reisen nach Burma aus. Selbstverständlich möchte niemand die Meinungsfreiheit der Österreicher angreifen.

Kritisiert wird jedoch, dass dieser Meinungsbildungsprozess ausgerechnet mit Hilfe derjenigen österreichischen Tourismus-Wirtschaft zustande kam, die Reisen nach Burma intensiv bewirbt. Bezweifelt wird deshalb die Unabhängigkeit und Objektivität von "Respect". Zweifel an der Glaubwürdigkeit können alle tourismuskritischen Netzwerke gleichermaßen belasten, in denen "Respect" Mitglied ist. Niemand möchte in den Verdacht geraten, "käuflich" zu sein.

Der Konflikt entstand, nachdem die österreichische Burma-Kampagne (Burma Campaign Austria) einen Boykott-Aufruf gegen österreichische Reiseveranstalter sowie die Lauda Air der Austrian Airlines (AUA) initiierte, die seit November 2002 als einzige westliche Fluggesellschaft Rangoon anfliegt. Dazu hätten die Medien, der Vorstand und der Fachbeirat von "Respect", zu dessen Mitgliedern Vertreter der Reiseveranstalter und der AUA gehören, Stellungnahmen verlangt. Man habe daraufhin Pro- und Contra-Argumente eingeholt. Dabei habe sich die Gelegenheit zu einem einwöchigen Burma-Aufenthalt für Christian Baumgartner und Astrid Winkler ergeben, der vom Reiseveranstalter "Tai Pan Touristik" finanziert und begleitet wurde. Zuvor hatte "Respect" die Burma Campaign Austria gebeten, ihre "Boykott-Aufrufe und Aussendungen bis zur Fertigstellung unseres Berichtes zu unterbrechen". Im Gegenzug würden sie die Studie bekommen. Das konnte die Burma-Kampagne laut eigener Aussage "natürlich nicht akzeptieren".

Nach der Reise im Februar 2003 kamen die "Respect"-MitarbeiterInnen Dr. Christian Baumgartner, Dr. Margit Leuthold (mit Daniel Predota und Astrid Winkler) in ihrem Bericht "Golden Burma oder Terra non grata? - Eine Auseinandersetzung mit Argumenten gegen und für einen Tourismus nach Burma" zu dem Schluss, "einen Boykott des Tourismus nach Burma nicht befürworten zu können", vgl. Zusammenfassung auf www.respect.at und "Ökozidjournal" 1/03:

Zwar "fließen 12 Prozent der Einnahmen aus privaten Tourismusunternehmen direkt an die Militärdiktatur, bei staatlichen Hotels und Einrichtungen sind es 100 Prozent", zwar führten die Generäle durch ihre Tourismuswerbekampagne "Golden Myanmar Tourism" eine "Verschleierungstaktik gegenüber den wahren Zuständen im Land (Zwangsarbeit, Kinderarbeit, systematische Einschüchterung und Vertreibungen, Zwangsumsiedelungen, Frauen- und Mädchenhandel, Unterdrückung von freier Meinungsäußerung, freiem Handel, freier Bewegungsmöglichkeit u.a.m.)". Ein Boykott schade den Bewohnern dennoch, verhindere Einkommen, Bildung und öffentliche Aufmerksamkeit. Außerdem teilten nicht alle Einwohner Burmas die Meinung Aung San Suu Kyis, die seit langem darum bittet, erst nach dem Ende der Militärdiktatur wieder in ihr Land zu reisen. "Burma hat gute Grundlagen für eine nachhaltige Tourismusentwicklung" glaubt "Respect". Dafür brauche es u.a. "eine unabhängige Tourismusstrategie unter Einbindung der Bevölkerung". Dazu Anita Pleumaron in der Juli/August-Ausgabe von "New Frontiers" des "Tourism Investigation & Monitoring Teams (tim-team), Bangkok, sarkastisch: "They suggest that 'sustainable tourism' or a 'fairer tourism' can be realized under the conditions of state terror".

Informationsbroschüre für Burma-Touristen

Mitte November 2003 schließlich veröffentlichte "Respect" die aufwendig gestaltete, gold-bunte Broschüre "Golden Burma - Traumland oder Albtraum? Informationen für Burma-Reisende - für einen Tourismus mit offenen Augen!", "erstellt in Kooperation mit Teilen der österreichischen Tourismuswirtschaft". Im Anschreiben hieß es: "Nach der Fertigstellung unseres Berichts sind wir aufgefordert worden, eine Informationsbroschüre für Burmareisende zu erstellen...Diese Broschüre wird u.a. von Lauda-Air mit den Bordmagazinen am Flug nach Yangon verteilt, TaiPan-KundInnen erhalten sie kostenlos mit ihren Reiseunterlagen".

Im Vorwort der Broschüre (Baumgartner/Leuthold/Salcher, 22 Seiten) heißt es: "Wir möchten mit einigen Informationen dazu beitragen, dass sie Ihren Urlaub gut und erlebnisreich gestalten können und in erster Linie die Bevölkerung des Landes mit Ihrer Reise unterstützen". Zwar wird sehr deutlich auf die Missstände durch die Militärdiktatur hingewiesen, und amnesty international konnte eine Seite - direkt neben den Argumenten für einen Tourismus - schalten, aber Boykottaufrufe werden verschwiegen. Lediglich im Kapitel "Traumland Burma, das goldene Asien" heißt es, einige Reiseführer "nennen Gründe dafür, warum man derzeit besser nicht nach Burma reisen sollte". Unter "Websites" können aufmerksame Leser die Homepages der Burma-Kampagnen u.a. in Großbritannien (U.K.) und den Niederlanden (allerdings verdruckt) entdecken. Es fehlen jedoch Hinweise auf die österreichische, deutsche und Schweizer Burma-Kampagnen sowie auf das tim-team in Bangkok. Letzteres hat die internationale Auseinandersetzung ausführlich dokumentiert. Ebenfalls verschwiegen werden die Tausenden von Toten während des Volksaufstandes in Burma im Jahr 1988 (S. 12).

Fragwürdig ist dagegen der Hinweis auf die Sex-Industrie und die sexuelle Ausbeutung von Kindern. Die Ursache wird nicht erklärt, dafür aber der "Zugang" (Seite 15)! Glücklicherweise wird auf das österreichische und deutsche Strafrecht verwiesen, das Kindesmissbrauch durch österreichische bzw. deutsche Reisende auch in Burma verfolgt. (Ist der Einsatz der Broschüre auch in Deutschland vorgesehen?)

Am 18. Dezember 2003 lädt "Respect" in Wien Medienschaffende und NGO-VertreterInnen zur Präsentation der Broschüre und zur Podiumsdiskussion ein. Thema: "Reiseberichterstattung über undemokratische Länder - eine journalistische Herausforderung" - ausgehend vom "Anlassfall" Burma.

Vielleicht werden die TourismuskritikerInnen von "Respect" dort nach (Un)abhängigkeit und Transparenz gefragt: "Wer hat genau wie viel für die Reise von 'Respect' nach Burma bezahlt? TaiPan? AUA?" . "In welcher Absicht? Auch für die Broschüre?". "Wie sieht die Kooperation mit der AUA aus?". "Von wem wurde 'Respect' aufgefordert, die Broschüre für Burma-Reisende zu publizieren?". "Wer sind die Teile der österreichischen Tourismusindustrie, die die Broschüre finanzierten?". "Wurden alle Kosten dafür übernommen?". "Wie hoch war das Autorenhonorar?". "Wer hatte ein Mitspracherecht beim Inhalt?". "Wer hatte das Recht auf Zensur?".

"Respect" finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen, öffentlichen und privaten Geldern, Mitteln der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit sowie durch den Verkauf und Know-How von Leistungen.

Adressen:

"respect - Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung", Diefenbachstr. 36/3, A-1150 Wien, Tel. 0043-1-8956245, Fax 8129789, www.respect.at

tim-team, Bangkok: www.twnside.org.sg/tour.htm, timteam02@yahoo.com (enthält auch Informationen der Burma Campaign Austria, Wielandgasse 2-4, 1100 Wien, burma_campaign_austria@yahoo.com) www.asienhaus.de/burmawww.burmacampaign.org.ukwww.burmacenter.nlwww.akte.ch

Baumgartner/Predota/Leuthold: "Goldenes Land oder touristisches Tabu? Zur Diskussion um den Tourismus-Boykott Burmas (Myanmars)" in Ökozidjournal Nr. 25, 1/03, ARA Bielefeld/Focus Verlag, Gießen.

(7.500 Anschläge, 100 Zeilen, Dezember 2003)