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Bedrohte Mangroven

Tourismus als Problem, Ökotourismus als potenzielle Lösung


Einst war es eine schöne tropische Insel im blassblauen Meer der Karibik: Bimini – verewigt in Ernest Hemingways bekanntem Roman “Inseln im Strom”. Üppige Korallenriffe und Mangroven boten einen sicheren Lebensraum für die reiche Meeresflora und -fauna, darunter unzählige Fische, Haie, Meeresschildkröten und Seevögel. Die ruhigen Strände und entspannten Bewohner gaben Bimini ein besonderes Flair, Sportfischer wie Hemingway kamen, um Marlin und Grätenfisch zu fangen. All dies änderte sich, als der kommerzielle Tourismus Einzug hielt.

Heute ist Bimini voll mit Fünf-Sterne-Hotels, (Ferien-)Wohnanlagen, Restaurants, Golfplätzen und Yachthäfen, die reiche Touristen anziehen sollen. Weite Teile der Mangroven wurden beseitigt und Küstenlinien verlängert, indem man Land aufschüttete – eine Bedrohung für Korallen und Seegras, die Tierwelt des Meeres und die Lebensweise der Einheimischen.

Über 20 Jahre lang hatte die Regierung der Bahamas versprochen, große Teile Biminis als Meeresschutzgebiet auszuweisen. Zu ihrer Schande hat sie es nicht geschafft, dieses Versprechen auch einzulösen. Das ist durchaus typisch für die Konflikte zwischen multinationalen Unternehmen, Mangrovenschutz und der Regierung, die in der Karibik quasi an der Tagesordnung sind.

Mangroven – Opfer von „Entwicklung“

Auch in Süd- und Südostasien hat der Tourismus entlang der Küsten unauslöschliche Spuren hinterlassen und gefährdet das Leben und die Lebensgrundlagen von Millionen von Küstenbewohnern. Um Strandhotels und Restaurants, Yachthäfen und Golfanlagen zu bauen, wurden in großem Stil Mangroven abgeholzt. Das macht viele nun kahle Küstengebiete verwundbar gegenüber den Launen der Natur, wie z.B. Wirbelstürmen und Sturmfluten.

Der Tsunami im Indischen Ozean 2004 hätte den Besitzern von Hotelanlagen, Restaurants, Bars oder Geschäften genug Beweise liefern müssen, um sich von der Küste zurückzuziehen, die zuvor zerstörten Mangroven wieder aufzuforsten und den natürlichen Küstenschutz wiederherzustellen, den die Mangroven einst boten. Doch sehr bald nach dem Tsunami bauten dieselben Hotelbesitzer wider besseres Wissen ihre Anlagen und Geschäfte in derselben roten Gefahrenzone wieder auf. So war es für sie einfacher und kostengünstiger. Der sofortige Nutzen durch schnelle Profite hatte mehr Gewicht, als die langfristigen Risiken zukünftiger und zu erwartender Naturkatastrophen.

Der globale Tourismus im industriellen Stil hat einen hohen Tribut gefordert. Der Mangel an effektiver Regulierung durch Kommunalverwaltungen, vorangetrieben durch Bestechung und betrügerische Absprachen, treiben die Tourismusmaschinerie an. Sie erlauben eine unkontrollierte Tourismusentwicklung, die der Umwelt, der Tierwelt und den Gemeinschaften vor Ort immense Schäden zufügt, die sich nie wieder rückgängig machen lassen.

Küstenschutz und Katastrophenvorsorge

Noch in den frühen 1990er Jahren galten Mangroven als nutzlose, übel riechende, schlammige Sumpfgebiete. Damals wusste im globalen Norden kaum jemand etwas über Mangroven und noch weniger Menschen lag etwas an diesen fernab im Gezeitenbereich gelegenen, weitgehend unzugänglichen Wäldern. Mangroven standen formal nicht unter Schutz und wurden schnell Opfer der Entwicklung der Garnelenzucht, des Tourismus, der Verstädterung und der Ausweitung der Landwirtschaft. Mangroven wurden zwar für ihre Leistungen als Kinderstube für die Tierwelt der Meere gepriesen sowie für ihre vielfältigen lokalen Nutzungsmöglichkeiten als Brennholz, Baumaterial und zur Herstellung von Holzkohle. Doch ihr Wertansatz lag damals bei nur 780 US-Dollar pro Hektar, sehr viel weniger als der kommerzielle Wert, der zu dieser Zeit der Garnelenzucht oder dem Tourismus beigemessen wurde.

Erst in Folge der schrecklichen Zerstörungen durch den Tsunami 2004 stieg der Wert, der den Mangroven nun als natürliches Schutzschild und lebender Puffer gegen Tsunamis an den Küsten beigemessen wurde, sprunghaft an. Nach dem Tsunami begannen Ökonomen und Ökologen den monetären Wert der Mangroven um mehrere tausend Dollar höher anzusetzen, als den der in Konkurrenz dazu stehenden Nutzungsformen. Man könnte sagen, dass der Tsunami uns allen ein eindringlicher Hinweis darauf war, welchen enormen Wert diese Wälder für die subtropischen und tropischen Küstengebiete haben.

Wertvolle Kohlenstoffsenken

Vor etwa acht Jahren stieg die Bedeutung der Mangroven aufgrund ihres Beitrags zum Klimaschutz erneut. Mangroven entziehen der Atmosphäre Kohlenstoff und speichern ihn in ihrem Boden, wo er über Jahrtausende sicher gebunden ist. Anders als Wälder auf dem Festland bauen marine Ökosysteme kontinuierlich Kohlenstoffsenken auf und binden große Mengen des so genannten "blauen Kohlenstoffs" in hochgradig organischen Sedimenten. Nach Schätzungen entfallen 15 Prozent des gesamten heute in marinen Sedimenten akkumulierten Kohlenstoffs auf die Mangroven. Als hochproduktive Systeme nehmen sie Tag für Tag riesige Mengen an Kohlenstoff auf und speichern davon fünf- bis zehnmal mehr pro Flächeneinheit als tropische Regenwälder.

Mangrovenwälder zu schützen und wieder aufzuforsten würde helfen, die Treibhausgase erheblich zu verringern und die Ernährungssicherheit und Lebensgrundlage der Küstengemeinschaften zu verbessern. Auch würde es die Widerstandsfähigkeit angesichts steigender Meeresspiegel und extremer Wetterereignisse erhöhen und den Lebensraum vieler gefährdeter Arten entlang der von hoher biologischer Vielfalt geprägten tropischen Küstenlinien verbessern. Um dies zu erreichen, leistet das Mangrove Action Project (MAP) seit 25 Jahren Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit und hilft Gemeinschaften, ihre Mangrovenwälder wiederherzustellen.

Ökotourismus zum Mangrovenschutz

Nach dem Modell gemeindebasierter Ökotourismus-Programme, die in den vergangenen Jahren auf den Cayman-Inseln, in San Andres und Cartagena in Kolumbien, und in Surinam entwickelt wurden, werden im Rahmen des „Marvellous Mangroves Programmes“ des Mangrove Action Projects Öko-Reiseleiter im Feld ausgebildet, den wahren Wert von Mangroven-Ökosystemen zu verstehen. Vernunft und Sensibilität im Öko-Tourismus sichern in touristisch genutzten Gegenden die Zukunft dieser Ökosysteme und damit auch derjenigen, die vom Tourismus profitieren.

Alfredo Quarto ist Programmdirektor, Martin Keeley Bildungsbeauftragter beim Mangrove Action Project (MAP).

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(September 2017, TW 88)