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Auseinandersetzung mit der touristischen Realität anstelle von Boykottreflexen


Eine Erwiderung auf den Beitrag "Burma: Diskussion um Boykott-Aufruf. Tourismuskritiker im Dienst der Reise-Industrie?" TourismWatch Nr. 33

Nachdem "respect - Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung" zur Unterstützung des Boykotts gegen Lauda Air und den Tourismus in Burma aufgerufen und von zahlreichen Medien aufgefordert wurde, zum Thema Stellung zu nehmen, entschloss sich der Vorstand von respect zu einem Vorgehen, das scheinbar nicht selbstverständlich scheint: Wir wollten eine qualifizierte Meinung abgeben, nachdem wir uns auch vor Ort einen Eindruck von der Situation und den Entwicklungen der letzten Jahre gemacht hatten. Dass die österreichische Entwicklungszusammenarbeit die Recherche vor Ort nicht finanzieren konnte und die Reise nur mit Hilfe derer möglich war, die im Bericht auch kritisiert werden – die österreichische Tourismuswirtschaft –, tut der Seriosität unseres Vorgehens keinen Abbruch1.

Der Boykottaufruf ist auf Grund der politischen Zustände im Land verständlich und legitim. Boykott wird hier als Instrument zur Änderung der politischen Situation aufgefasst. Die realen Erfolgschancen einer solchen Vorgangsweise wurden aber bislang (leider!) nicht nur nicht diskutiert, sondern scheinen auch fraglich: Der Wirtschaftssektor Tourismus ist zu unbedeutend, um tatsächlich wirtschaftlichen Druck auszuüben, zu stark ist die Einbindung Burmas in die ASEAN und die Kooperation mit Staaten wie Australien. Es scheint, dass hier eine fast reflexartige Solidarität mit der Meinung der burmesischen Exilregierung statt eine solidarisch-kritische Auseinandersetzung mit Unabwägbarkeiten geübt wird. Die Meinung Aung San Kuu Kyi wird an dieser Stelle stellvertretend für ‚das burmesische Volk’ gesehen. Demokratie bedeutet doch wohl eher, „sich die politische Vertretung aussuchen zu dürfen, aber nicht immer einer Meinung mit ihr sein zu müssen“, wie es z.B. ihre ehemalige Privatsekretärin im Gespräch mit respect formulierte.

Die Realität zeigt, dass Reisende ungeachtet der Proteste Interesse an Burma haben. Tourismus ist als Instrument der Entwicklungszusammenarbeit zur Armutsbekämpfung, für

Gendergerechtigkeit, Zugang zu Bildung und Zugang zu Information in seinen potentiellen Möglichkeiten unumstritten. Tourismus kann also für die Bevölkerung in Burma überlebenswichtige Funktionen erfüllen. respect hat im Rahmen seiner Untersuchung auch dahingehend recherchiert, ob der Tourismus in Burma diese Möglichkeiten hat und – falls ja – ob sie von der Tourismuswirtschaft genutzt werden.

Auch hier ist unsere Einschätzung eindeutig: Potentiale für diese positiven Effekte sind vorhanden, der Tourismus ist um vielfaches weiter weg von der Militärregierung als in den 90er Jahren, immer weitere Kreise der Bevölkerung profitieren direkt oder indirekt. Aber er ist auch weit davon entfernt, ‚nachhaltig’ zu sein. Reiseveranstalter nutzen nicht alle Möglichkeiten, Geldflüsse zur Bevölkerung zu lenken, die Werbekataloge zeigen oftmals ausschließlich das gängige goldene Klischee Burmas, die Tourismuswirtschaft nimmt ihre Informationsverantwortung gegenüber der Kunden nur unzureichend wahr.

Wer sich die Mühe macht, den respect-Report ganz und genau zu lesen2, findet dort eine differenzierte Stellungnahme, die in der Diskussion neue Wege eröffnet hat: Österreichische und deutsche Medien setzen sich stärker argumentativ kritisch mit dem Tourismus in Burma auseinander, als das bei einem plakativen Boykottaufruf der Fall wäre. Mit der Tourismuswirtschaft gibt es eine Kooperationsbasis, die Verbesserungen der Angebote zulässt: Beispielsweise gibt die Broschüre, die im Flugzeug an Burmareisende verteilt wird, erstmals an Bord eines Linienfluges politische Hintergrundinformationen und Verhaltenstipps3. Immer mehr Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit in mehreren Ländern überlegen, wie sie ihre Hilfsmaßnahmen für Burma wieder aufnehmen können. Es geschehen also Schritte im entwicklungspolitischen Interesse der burmesischen Bevölkerung.

Und was geschieht durch den Boykottaufruf?

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1 vgl. zur Methode Baumgartner C., Leuthold M.: Politisch korrekt, ökologisch sauber? Diskurs zur Nachhaltigkeit des Reisens am Beispiel von Problemdestinationen. 2004. In: Baumgartner C., Luger K., Wöhler KH: Ferntourismus Wohin? Der globale Tourismus erobert den Horizont. Studienverlag, Innsbruck

2 Der Report findet sich auch auf der Web-Site von respect: www.respect.at. E-mail: christian.baumgartner@respect.at

3 Der implizierte Vorwurf im letzten TW, dass die Tourismuswirtschaft an dieser Broschüre mitgeschrieben hat oder sie quasi zensuriert hat, ist so unsinnig, dass hier nicht näher darauf eingegangen wird.

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Anmerkung der Redaktion:

Embedded Tourismuskritiker

TourismWatch ging es nicht um das Thema pro und contra Boykott-Aufruf. Einziges Anliegen war und ist die Überlegung, ob nicht die Gefahr besteht, dass Objektivität und Unabhängigkeit von Tourismuskritikern auf der Strecke bleiben, wenn sie bei ihrer Arbeit massiv von der Tourismus-Industrie unterstützt werden - wenn sie "embedded" sind. Im vorliegenden Fall wurde eine zehntägige Meinungsbildungsreise von Tai Pan bezahlt (Flug, Hotels), dem größten Burma-Anbieter in Österreich. Allerdings stieg Astrid Winkler kurz vorher aus dem Projekt aus, und nahm - "aus privaten Gründen" (Winkler), weil sie "zu einer anderen Haltung gekommen" war (respect) - nicht an der Recherchereise teil, wie von TourismWatch behauptet. Unsere "Fehlinformation komme einer Rufschädigung gleich", schrieben beide. Das verstehen wir zwar nicht ganz, stellen unsere falsche Information aber mit dem Ausdruck des Bedauerns hiermit richtig. An ihrer Stelle begleitete Daniel Predota, der als Entwicklungshelfer in Zimbabwe Erfahrungen mit der Diktatur sammeln konnte, respect-Geschäftsführer Christian Baumgartner.

Respect wirbt seit der Rückkehr aktiv für Tourismus nach Burma und erstellte zusätzlich die Broschüre "Golden Burma - Traumland oder Albtraum? Informationen für Burma-Reisende - für einen Tourismus mit offenen Augen". Dazu teilte uns Christian Baumgartner mit, dass die Personalkosten zur Erstellung des Textes und der Broschüre durch öffentliche Mittel "z.T. finanziert" wurden. "Es wurden von der Tourismusindustrie weder Kosten für Erstellung, Druck oder andere Tätigkeiten übernommen". Die Fotos habe Tai Pan kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Kooperation mit der staatlichen AUA bestehe darin, dass die Tochter Lauda Air die Broschüren an Bord verteile. "Wir wurden nach der Fertigstellung unseres Berichts von unseren Gremien aufgefordert, eine solche Informationsbroschüre zu erstellen." (Die Fragen dazu hatten wir am Schluss des TW-Beitrages gestellt.)

Die Struktur der öffentlich geförderten Bildungsarbeit in Österreich hatte TourismWatch in der Nr. 30 dokumentiert: "Blick über die Grenzen" (KommEnt, respect).

Amnesty International über Burma:

Nach dem Erscheinen von TW 33 gab amnesty am 22. Dezember 2003 in Bangkok eine Pressekonferenz. Nach einer 17tägigen Reise durch Burma stellte ai fest, dass sich die Menschenrechtslage "signifikant verschlechtert" habe. "Anhaltende willkürliche Verhaftungen und Einschüchterung durch die Staatsorgane haben ein Klima der Angst und Unterdrückung geschaffen", das nicht einfach nur durch Rhetorik aufgehoben werden könne. Die Staatsorgane baten ai um Geduld, die Lage würde sich in Kürze verbessern. "Aber nette Worte und vage Versprechungen für die Zukunft - ohne jeden Zeitplan für Änderungen - haben nicht viel Bedeutung", so ai. Ein ausführlicher Report ist in Arbeit, www.amnesty.org.

In TW 25 (12/2001) erklärte Regina Spöttl von amnesty, dass ai nie zu einem Boykott von Ländern aufrufe. In ihrem Beitrag "Spielball der NGOs - Dürfen Fernreiseziele boykottiert werden?" schlug sie stattdessen vor: "Nach der Rückkehr kann man sich mit ai in Verbindung setzen und zum Beispiel Briefe an Regierungen schreiben. Man sollte die Schönheit des Landes betonen und dann seine Sorge um spezifische Menschenrechtsverletzungen zum Ausdruck bringen. Oder man beteiligt sich an Briefaktionen von ai, die ein wichtiges und sehr effizientes Mittel sind".

Auch respect könnte einen wichtigen konkreten Beitrag leisten: eine Liste mit staatseigenen Betrieben wie Hotels, Airlines, Reiseagenturen ins Internet stellen! Mit der simplen Aufforderung, Einrichtungen der Militärjunta zu meiden, sind Touristen überfordert.    Ludmilla Tüting