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Schatten im Sonnenparadies

Tourismus und Menschenrechte in Sri Lanka


Sri Lanka ist nicht nur eine idyllische Feriendestination. Nach aussen hin verbreitet die sri-lankische Regierung ein Bild von einem scheinbar zur Normalität zurückgekehrten Land. Das Image eines friedlichen und prosperierenden Ferienziels wird in Westeuropa offensiv vermarktet. Doch Sri Lanka ist ein Land mit einer blutigen Vergangenheit, in dem nach 26 Jahren Bürgerkrieg Kriegsverbrechen nicht aufgearbeitet wurden. Die Menschenrechtssituation ist besorgniserregend. Im Tourismus wird der Einfluss des Militärs immer deutlicher sichtbar. Durch den Bau von Hotelanlagen wird den Fischern der Zugang zum Meer dauerhaft verwehrt, der Fischfang wird massiv eingeschränkt oder verboten. Dies bedroht die Existenzgrundlage der Fischer.

Um nach dem Ende des Bürgerkrieges die Wirtschaft anzukurbeln, hat die Regierung Sri Lankas den Tourismus als Schlüsselsektor definiert. Die Gewinne aus dem Tourismus sollen in erster Linie der Bevölkerung zukommen. Um die touristische Erschliessung neuer Gebiete möglichst sozial- und umweltverträglich zu gestalten, hat die Regierungsbehörde „Sri Lanka Tourism Development Authority“ (SLTDA) Mindeststandards eingeführt, die jedoch in der Praxis weder von der Regierung noch von den Investoren oder vom Militär eingehalten werden.

Das gilt auch für die in der Verfassung verbrieften Menschenrechte. Fünf Jahre nach Ende des Bürgerkrieges werden noch immer massive Verletzungen der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte in Sri Lanka dokumentiert, darunter Folter und sexuelle Gewalt sowie Einschränkungen der Pressefreiheit. Die Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten ist noch immer weit verbreitet.

Die International Crisis Group (ICG) berichtete 2012 von einer zunehmenden kontrollierten „Singhalisierung“ des mehrheitlich von Tamilen bewohnten Nordens und Ostens des Landes. Mit der gezielten Ansiedlung von Singhalesen durch die Regierung und die Armee sollen die Bevölkerungsverhältnisse in den tamilischen Gebieten verändert werden.

Einfluss des Militärs im Tourismussektor

Obwohl der Bürgerkrieg zu Ende ist, wurden die Ausgaben für das Militär in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Gleichzeitig ist das Militär vermehrt in privatwirtschaftliche Aktivitäten involviert. Armee, Marine und Luftwaffe haben im ganzen Land Hotels eröffnet und bieten touristische Aktivitäten an, darunter Walbeobachtungen, Helikopterflüge und Golf. Die Tourismusangebote des Militärs sind auch deshalb problematisch, weil der Bevölkerung dadurch eine wichtige Einkommensquelle entzogen wird. Die Militärangehörigen, die im Tourismus arbeiten, beziehen ihren Lohn direkt vom Verteidigungsministerium. Das Militär sichert sich ein lukratives Zusatzeinkommen durch den Tourismus und kann Leistungen zu niedrigeren Preisen anbieten als Privatunternehmen. Seine Angestellten geben sich relativ offen als Militärangehörige zu erkennen. Einige tragen sogar Uniformen.

Um die touristische Entwicklung der Insel einigermassen kontrolliert voranzutreiben, hat die Regierung vier Gebiete ausgewählt, in denen der Tourismus speziell gefördert werden soll, darunter Kuchchaveli in der Nähe von Trincomalee an der Nord-Ost-Küste, Passikudah in der Nähe von Batticaloa an der Ostküste und Kalpitiya bei Puttalam an der Nord-West-Küste. Diese Gebiete sind ethnisch sehr durchmischt und wurden vor dem Bürgerkrieg von Touristen kaum besucht. Inzwischen sind dort zahlreiche Hotelanlagen gebaut worden. Für die einheimische Bevölkerung hat das gravierende Auswirkungen.

Verlust an Lebensgrundlagen durch Tourismus

Insgesamt leben knapp 1,3 Millionen Menschen in Sri Lanka von der Fischerei. Der freie Zugang zum Meer ist für sie existenziell. Dieser wird ihnen jedoch durch die Tourismusentwicklung erschwert oder sogar ganz verwehrt. So wurde in Kuchchaveli die lokale Bevölkerung nicht konsultiert und nur ungenügend über die „Kuchchaveli Tourism Development Zone“ informiert. Ein Warnschild machte sie auf die bevorstehenden Tourismusprojekte aufmerksam und verbot ihnen den Zutritt. Der befehlshabende Offizier der Marinebasis erklärte auf Anfrage der Fischer, dass die Regierung das Land für Tourismusentwicklungsprojekte benötige und niemand mehr in dieser Gegend fischen dürfe. In Passikudah wurden die Fischer auf dem fünf Kilometer langen Strandabschnitt immer mehr zusammengedrängt, so dass ihnen nunmehr 300 Meter bleiben und somit kaum Platz für Boote und Netze.

Auch in Kalpitiya wird Fischern der Zugang zum Meer und zu Fischfanggebieten verwehrt. Auf Mohotthuwarama wurden beim Bau der Bungalows des „Dutch Bay Resorts“ 1,6 Hektar Mangroven zerstört. Bis dahin haben Frauen und Kinder dort Krabben und Garnelen gefangen. Ausserdem haben die Betreiber des Resorts eine Fläche von 100 m Durchmesser in der Lagune beschlagnahmt und im Wasser einen Zaun gebaut. Den Fischern ist es nun verboten, dieses Gebiet zu betreten.

In allen drei Regionen werden die Mindeststandards der Regierung kaum eingehalten. Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen finden nur sporadisch statt und über die Ergebnisse herrscht je nach Region wenig bis keine Transparenz. Die lokale Bevölkerung wird von der SLTDA und den Investoren zu geplanten Tourismusprojekten nicht konsultiert. Obwohl eine dauerhafte Überbauung der Meeresküsten vom zuständigen Ministerium explizit untersagt ist, wird dieses Verbot von der SLTDA und den Investoren ignoriert.

In allen drei Regionen kam es aufgrund der touristischen Entwicklung zu Landenteignungen oder Vertreibungen durch die SLTDA, das Militär oder Investoren. In einigen Fällen wurden Kompensationen zwar versprochen, diese Versprechen wurden aber nicht eingehalten. Oft müssen Kompensationszahlungen über den Gerichtsweg erstritten werden. Aussergerichtliche Beschwerdeinstanzen fehlen gänzlich.

Die Bevölkerung vor Ort profitiert kaum

Nur ein kleiner Teil der lokalen Bevölkerung findet im Tourismus ein Auskommen. In der Regel stammen die Angestellten in den Hotels aus weiter entfernten Regionen Sri Lankas. Ausbildungsmöglichkeiten für die Bevölkerung vor Ort fehlen völlig. Öffentliche Einrichtungen mussten Tourismusprojekten weichen.

In Passikudah betreibt das Militär kleine Läden und schränkt damit die Einkommensmöglichkeiten für die Bevölkerung zusätzlich ein. Trotz gegenteiliger Versprechen der Regierung profitiert die lokale Bevölkerung kaum von der verbesserten Infrastruktur. In Kalpityia wird durch den Wasserverbrauch der Hotels und Resorts die Wasserversorgung der Bevölkerung beeinträchtigt.

Deutsche und Schweizer Reiseveranstalter in der Verantwortung

Trotz der beunruhigenden Menschenrechtsbilanz bieten mindestens 49 deutsche und 21 Schweizer Reiseanbieter Hotels in den drei neuen Tourismusregionen an (Stand: Dezember 2014). Diese sind daher besonders gefordert, dazu beizutragen, dass bei der touristischen Entwicklung der Post-Konfliktgebiete menschenrechtliche Prinzipien eingehalten werden. Es liegt in ihrer Unternehmensverantwortung und Sorgfaltspflicht, dies auch von ihren lokalen Partnern konsequent einzufordern. Bislang sind die Bemühungen der Veranstalter in Sri Lanka noch ungenügend, um Menschenrechtsverletzungen im Tourismus wirksam zu verhindern.

Angela Mattli ist Kampagnenleiterin und Sri Lanka-Referentin der Gesellschaft für bedrohte Völker, Schweiz.

Weitere Informationen: Schatten im Sonnenparadies. Tourismus und Menschenrechte in Sri Lanka. Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz (Hg.). 2015.
Download: www.gfbv.ch/tourismus

(7.171 Zeichen, März 2015, TW 78)