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Reisen in Konfliktgebiete

Die Verantwortung von Reiseveranstaltern


Der Tourismus in Ländern, die von Konflikten betroffen sind, wie beispielsweise Kolumbien oder Burma, kann einen positiven Einfluss im Land haben, er kann aber auch Konflikte verstärken. Wenn Reiseveranstalter sich entscheiden, Reisen in solche Gebiete durchzuführen, liegt es in ihrer speziellen Unternehmensverantwortung (CSR), friedensfördernde Eigenschaften des Tourismus gezielt zu nutzen und zu verstärken, sowie Probleme zu minimieren. Ziele der Konfliktminderung sollten dabei in die Grundorientierung des Unternehmens eingebettet sein, etwa indem sich ein Unternehmen der Völkerverständigung verschreibt oder durch sein Tun einen Beitrag zum Frieden leisten möchte.

Um solche Ziele zu formulieren, muss man den Konflikt und die soziokulturellen Gegebenheiten vor Ort genau betrachten. Oft sind die Geschäftsstrukturen in den Zielgebieten ungerecht. Bleibt zum Beispiel ein Reiseveranstalter bei einer Reise nach Israel und Palästina "neutral" und ignoriert den ungleichen Zugang der Einheimischen zum touristischen Geschäft, so läuft die Reise darauf hinaus, dass die Reisenden kaum mit der palästinensischen Bevölkerung in Kontakt kommen (vgl. "Reisen für den Frieden" von Susanne Fischer in diesem Heft). Nur die israelische Seite würde von einer solchen "Neutralität" profitieren - was zeigt, dass Neutralität grundsätzlich nicht möglich ist. Um gerecht und nachhaltig handeln zu können, müssen sich Reiseveranstalter vorher umfassend informieren.

Bei Reisen in autokratisch regierte Länder etwa sollte soweit wie möglich verhindert werden, dass das Regime finanziell vom Tourismus profitiert. Außerdem müssen Reiseveranstalter ihre Kunden vorab und während der Reise dahingehend sensibilisieren, dass diese Gesehenes und Erlebtes richtig einordnen und so nach ihrer Rückkehr ein realistisches Bild des Landes verbreiten können. Der Tourismus bringt zwar Augenzeugen in Länder wie Burma, deren Bevölkerung unter der Herrschaft unterdrückender Regime leidet, gleichzeitig aber verhindern solche Regime einen direkten Kontakt. Dies kann durch vorgeschriebene Reiserouten geschehen oder durch andere Verbote, so dass Reisende Repressalien und dergleichen nicht zu sehen bekommen. Nur informierte Touristen wissen dies dann zu deuten und können auch Nicht-Gesehenes interpretieren.

Konflikte gezielt mindern

Wählt ein Veranstalter Reiseziele so, dass Menschen auf verschiedenen Seiten eines Konflikts zusammenarbeiten müssen, kann dies zu einem besseren Verständnis unter den Konfliktparteien beitragen. Dies war beispielsweise der Fall, als sich kroatische, serbische und ungarische Unternehmen zu Konfliktzeiten gezwungen sahen, die Nachfrage nach einer Fahrradreise durch alle drei Länder gemeinsam zu bedienen.

Für ihre Zuliefererkette können Reiseveranstalter in Konfliktregionen Verantwortung übernehmen, indem sie bevorzugt nationale Partner wählen, die direkte Friedensarbeit leisten. In Italien bietet eine Incoming-Agentur Sizilientouren an, bei denen kein Geld aus Hoteleinnahmen, etc. an die Mafia fließt. Darüber hinaus spendet die Firma einen Teil des Reisepreises an Organisationen, die sich der "Anti-Mafia-Arbeit" widmen.

Auch können Geschäftspartner Friedensgesprächen als Vermittler beiwohnen. So erkannte 1992 der damalige Präsident El Salvadors Alfredo Cristiani an, dass seine Regierung den Vertrag zum Frieden mit der Guerillaorganisation FMLN ohne die Vermittlungsarbeit einiger Teile des Privatsektors nicht hätte unterzeichnen können. Eine weitere Möglichkeit für Partner vor Ort besteht darin, aktiv an Dialogen teilzunehmen und Friedensverhandlungen durch entsprechende Lobbyarbeit zu begleiten. Zwischen 1999 und 2002 wirkte in Kolumbien die Privatwirtschaft an Verhandlungen zwischen der Regierung des damaligen Präsidenten Andrés Pastrana und den linksgerichteten FARC-Rebellen mit.

Voraussetzung für ein derartiges Engagement für den Frieden ist, dass die ganze Branche als organisatorische Einheit auftritt. So werden alle an den Kosten beteiligt. Außerdem kann nur so ein politischer Raum geschaffen werden, in dem touristische Unternehmen Einfluss nehmen können.

Aufgrund unklarer Machtverhältnisse mangelt es in Konfliktgebieten oft an grundlegenden Gesetzen oder deren Einhaltung ist mangels staatlicher Autorität nicht gewährleistet. Es liegt daher oft allein bei den Unternehmen selbst, sich dennoch korrekt, verantwortlich und konfliktsensibel zu verhalten. In Burma zum Beispiel stehen Menschenrechtsverletzungen in direktem Zusammenhang mit dem Tourismus. So wurden große Teile der Straßen und Zugstrecken zwischen touristischen Attraktionen durch Zwangsarbeiter gebaut. Achten Unternehmen nicht auf solche Aspekte und verlassen sich lediglich auf Gesetze vor Ort, unterstützen sie (unfreiwillig) solche Praktiken.

Friedensförderung als CSR-Aufgabe

Viele Reiseveranstalter sind sich ihrer besonderen Verantwortung bei Reisen in Konfliktgebiete wohl bewusst und zeigen entsprechende Initiative. Doch sind diese Verantwortlichkeiten oft noch nicht systematisch in die Unternehmenspolitik eingebettet. Zwar werden zuweilen auch friedensfördernde Wirkungen hervorgehoben, doch sind diese selten auf besondere CSR-Aktivitäten zurückzuführen.

Natürlich gehört es zur Verantwortung von Unternehmen in Konfliktgebieten, die Reisenden zu Konfliktthemen zu sensibilisieren und zu informieren. Viele Veranstalter nehmen diese Verantwortung auch wahr. Dennoch wären weiter reichende, weniger selbstverständliche Maßnahmen wünschenswert. So könnten Unternehmen etwa gezielt Löhne zahlen, die über den vom Militär gezahlten Löhnen liegen. Oder sie könnten ehemalige Kämpfer oder durch den Konflikt benachteiligte Personen beschäftigen. Auf der "Ruta de Paz" ("Route des Friedens") in El Salvador begleiten ehemalige Guerilla-Kämpfer die Touristen als Reiseleiter.

In autokratisch regierten Ländern stehen andere Aspekte im Vordergrund als etwa in Ländern, in denen ein Konflikt zwischen der Regierung und einer Guerilla-Gruppierung besteht. Pauschale Lösungen gibt es also nicht.

Claudia Osthues ist Absolventin des Studiengangs Tourismus-Management in Düsseldorf. Sie befasste sich in einer Studie für EED Tourism Watch mit der Unternehmensverantwortung der Reiseveranstalter bei Reisen in Konfliktgebiete.

(6.087 Anschläge, 85 Zeilen, September 2010)